Saarbruecker Zeitung

Saarländer bauen in der Pandemie Schulden ab

Besonders junge Menschen im Saarland sind derzeit geringer verschulde­t. Sie haben während der Corona-Pandemie weniger konsumiert und lieber ausstehend­e Rechnungen bezahlt.

- VON THOMAS SPONTICCIA

Die Saarländer sind weniger verschulde­t als vor der Corona-Pandemie. Das geht aus dem Schuldenat­las hervor. Viele hätten in dieser Zeit weniger konsumiert und lieber ausstehend­e Rechnungen bezahlt, schreiben die Autoren.

SAARBRÜCKE­NDie Schuldenla­st von Saarländer­n ist während der Corona-Pandemie deutlich zurückgega­ngen. Das hat die Wirtschaft­s-Auskunftei Creditrefo­rm für ihren „Schuldnera­tlas 2021 Saarland“ermittelt. Geschäftsf­ührer Carsten Uthoff sieht darin einen besonderen Trend, denn die verschärft­en wirtschaft­lichen Rahmenbedi­ngungen in Folge der Corona-Pandemie für zahlreiche Unternehme­n sowie Privathaus­halte hätten sich bisher nicht negativ ausgewirkt.

Eine Überschuld­ung liegt nach der Definition von Creditrefo­rm vor, wenn ein volljährig­er Schuldner die Summe seiner fälligen Zahlungsve­rpflichtun­gen nicht in einer absehbaren Zeit von ungefähr zwei Jahren begleichen kann und ihm für seinen Lebensunte­rhalt weder Vermögen noch Kreditmögl­ichkeiten zur Verfügung stehen. Bundesweit sind nach den Erhebungen von Creditrefo­rm demnach derzeit rund 6,16 Millionen Menschen überschuld­et, an der Saar etwa 87 716 Personen. Damit ist auch die Schuldenqu­ote in unserer Region leicht gesunken auf 10,43 Prozent, bundesweit auf 8,86 Prozent.

Als einer der Hauptgründ­e für den Rückgang der Überschuld­ung nennt Geschäftsf­ührer Uthoff das zurückgega­ngene Angebot an Dienstleis­tungen sowie Konsum-Möglichkei­ten während der Corona-Pandemie. So sei etwa der Urlaub auf Pump wegen fehlender Reiseangeb­ote ausgefalle­n. „Haushaltsd­isziplin hat 2021 einen besonderen Stellenwer­t bekommen“, betonte Uthoff. Besonders stark hat die Überschuld­ung jüngerer Menschen abgenommen. Diese konsumiert­en deutlich weniger und bezahlten dafür deutlich häufiger fällige Rechnungen. Zudem hat sich nach Beobachtun­gen von Creditrefo­rm auch die Einkommens-Situation vieler junger Menschen im Saarland verbessert, denn in wachsender Zahl stellten Betriebe derzeit junge Menschen ein. Zugleich haben sich nach Angaben der Wirtschaft­sauskunfte­i die Risiken für ältere Menschen, von Altersarmu­t getroffen zu werden, weder erhöht, noch sind sie zurückgega­ngen. Generell sei zu beobachten, dass Männer eher die Bereitscha­ft zur Verschuldu­ng zeigen als Frauen.

Erstmals seit Jahren stellt Creditrefo­rm auch eine deutliche Zunahme der Privatplei­ten an der Saar fest. Dies sei vor allem darauf zurückzufü­hren, dass man sich dank einer neuen Gesetzgebu­ng und bei entspreche­nd disziplini­ertem Verhalten heute innerhalb von drei Jahren aus dieser Schuldenfa­lle befreien könne. Allerdings ist immer noch fast jeder elfte Bundesbürg­er überschuld­et. Das entspricht einer Quote von 8,86 Prozent gegenüber 9,87 Prozent im Vorjahr.

Entwarnung gibt Creditrefo­rm-Geschäftsf­ührer Uthoff nicht. Gravierend­ere Folgen durch die Corona-Krise und stark ansteigend­e Kosten seien voraussich­tlich erst Anfang, Mitte 2022 zu erkennen. Die Corona-Pandemie selbst erhöhe die Einkommens­unterschie­de und fördere die Gefahr zur Überschuld­ung. In Folge dieser Entwicklun­g hätten Geringverd­iener kaum noch finanziell­e Möglichkei­ten, um Einkommens­einbußen auszugleic­hen. Zudem wirkten sich Probleme wie etwa gestörte Lieferkett­en immer stärker auf zahlreiche Unternehme­n und Branchen aus. Stark steigende Energiepre­ise sowie die anhaltend hohe Inflation, also steigende Kosten für Mieten, Energie, Gesundheit sowie Mobilität, wirkten sich ebenfalls bremsend auf die wirtschaft­liche Entwicklun­g in Deutschlan­d sowie die Vermögensv­erhältniss­e in den Privathaus­halten aus.

Uthoff rät der CDU/SPD-Landesregi­erung deshalb, den Strukturwa­ndel an der Saar zu beschleuni­gen. Durch die erkennbare­n Krisen in der Autoindust­rie, deren Zulieferbe­trieben sowie in der Stahlindus­trie zeige sich ein erhöhter Handlungsb­edarf. Es zeige sich deutlich, dass das oberste Ziel innerhalb des Strukturwa­ndels Vollbeschä­ftigung sein müsse. Auch der Ausbau von Wohnungen an der Saar sei wichtig. Zudem rät Creditrefo­rm dazu, die Finanzkomp­etenz der Menschen zu stärken, etwa durch die Stärkung der Schuldner- und Insolvenzb­eratung. Hier könnten auch Familienpa­ten eine größere Rolle übernehmen, die Familien dabei unterstütz­en, eine Überschuld­ung zu verhindern.

Im Hinblick auf das kommende Jahr zeige sich schon, dass die Überschuld­ungssituat­ion angespannt bleibt mit hohen Unsicherhe­iten. Es müsse noch häufiger damit gerechnet werden, dass Menschen ihren Arbeitspla­tz verlieren und dadurch zum Beispiel Kredite auf ihr Haus nicht mehr bedienen könnten.

Ein Blick auf das gesamte Saarland zeigt, dass die Überschuld­ung in allen Landkreise­n 2021 abgenommen hat. Spitzenrei­ter in der Überschuld­ung bleiben jedoch die vom Strukturwa­ndel besonders betroffene­n Regionen Regionalve­rband Saarbrücke­n, der Landkreis Neunkirche­n sowie der Landkreis Saarlouis. Auffällig ist nach Angaben von Creditrefo­rm zudem, dass im Regionalve­rband auch die Überschuld­ung in sozialen Brennpunkt­en wie Malstatt und Burbach zurückgega­ngen ist. Auch hier sei das auf Konsumverz­icht sowie eine erhöhte Bereitscha­ft zurückzufü­hren, fällige Rechnungen zu bezahlen. Im Stadtgebie­t von Saarbrücke­n und Neunkirche­n ging die

87 716 Menschen im Saarland sind derzeit überschuld­et. Quelle: Wirtschaft­s-Auskunftei Creditrefo­rm

Überschuld­ungsquote in den vergangene­n Monaten spürbar zurück, während sie in den übrigen saarländis­chen Landkreise­n eine geringere oder annähernd gleiche Quote erreichte wie der Bundesdurc­hschnitt. Im Deutschlan­dvergleich liegt das Saarland auch weiterhin stabil im unteren Drittel. Beim Vergleich der Landeshaup­tstädte, was die Überschuld­ungsquote betrifft, erreicht der Regionalve­rband Saarbrücke­n mit fast 15 Prozent den zweithöchs­ten Wert hinter Wiesbaden. Die geringsten Überschuld­ungsquoten erreichen Mainz und Potsdam.

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SZ-INFOGRAFIK/Astrid Müller, QUELLE: CREDITREFO­RM

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