Saarbruecker Zeitung

Weihnachts­konzerte in der Völklinger Hütte

Andere sagen ab, Bernhard Leonardy gerade nicht. Sein Weihnachts­konzert-Wochenende in der Gebläsehal­le der Völklinger Hütte findet statt.

- VON KERSTIN KRÄMER

Organist Bernhard Leonardy lädt zu einem weihnachtl­ichen Klassik-Wochenende in die Gebläsehal­le und macht dabei die Völklinger Hütte zur Kathedrale. Bei drei Konzertabe­nden vom 17. bis zum 19. Dezember.

VÖLKLINGEN Mit dem Drucken der Plakate hat er bis vor einer Woche gewartet. Und sich dann gesagt: „Jetzt erst recht!“, beziehungs­weise „Graadselää­ds!“, wie es auf gut Saarländis­ch heißt. Während andere Veranstalt­er Konzerte absagen, zieht Bernhard Leonardy sie durch – trotz, oder besser: just wegen Covid-19. Jetzt lädt der umtriebige Organist zu einem weihnachtl­ichen KlassikWoc­henende in die Gebläsehal­le und macht dabei die Hütte zur Kathedrale. Bei drei Konzertabe­nden mit Werken, die sonst nur in Sakralbaut­en erklingen, werden erstmals bislang unveröffen­tlichte Entwürfe des Malers Gerhard Richter für die Tholeyer Abteikirch­e gezeigt. Als Veranstalt­er fungieren die von Leonardy co-kuratierte Reihe „Orgues sans frontières/Orgel ohne Grenzen“und das Weltkultur­erbe Völklinger Hütte.

Ist es nicht Wahnsinn, ausgerechn­et auf dem Höhepunkt der Pandemie drei Konzerte in so großem Rahmen durchzuzie­hen? Im Gegenteil, kontert Leonardy, der die Aktion als sinnstifte­nden Beitrag zur Verbesseru­ng der depressive­n Lage der Nation begreift: „Man muss was tun für die Seele der Menschen! Ihnen ein bisschen Mut machen, wieder irgendwohi­n zu gehen. Man muss ihnen etwas schenken, das verloren geglaubt schien.“Er habe ohnehin immer Musik im Weltkultur­erbe machen wollen, jetzt sei genau der richtige Zeitpunkt dafür. „Denn wenn es irgendwo sicher ist, dann in dieser weitläufig­en Halle“, betont

Leonardy. Auch wenn das Ganze einen „enormen Kraftakt“darstelle, vor allem für den Chor, dessen Mitglieder sich permanent testen lassen müssten.

Apropos – als Gütesiegel, dass man hier mindestens so geschützt ist wie in Karl Lauterbach­s Schoß, hat Leonardy eine Kooperatio­n mit der Ärztekamme­r des Saarlandes eingetütet: Wer es vorher nicht mehr rechtzeiti­g zu einem Testzentru­m geschafft hat, kann sich noch vor Ort von medizinisc­h kompetente­r Hand mit einem Stäbchen in der Nase bohren lassen. Außerdem gelte ja Maskenpfli­cht am Sitzplatz, leis

„Man muss was tun für die Seele der Menschen! Ihnen ein bisschen Mut machen, wieder irgendwohi­n zu gehen. Man muss ihnen etwas schenken, das verloren geglaubt schien.“Bernhard Leonardy zum weihnachtl­ichen KlassikWoc­henende in der Gebläsehal­le

tet Leonardy weiter Überzeugun­gsarbeit: „Es gibt auch keine Pause, und es werden keine Getränke ausgeschen­kt.“

Das wäre also geklärt – welcher Kulturgenu­ss erwartet das Publikum nun? Am Freitag schwingt sich der Meister selbst auf die Orgelbank und spielt „La Nativité du Seigneur“von Olivier Messiaen und die „Symphonie Gothique“von Charles Marie Widor. Aber die Gebläsehal­le hat doch gar keine Orgel? Korrekt, aber als Chef der Musikfests­piele Saar verfügt Leonardy über eine mobile digitale Pfeifenorg­el, die mittels elektronis­cher Samples die Klangbilde­r diverser realer Orgeln reproduzie­ren kann – von einer originalen Silbermann-Orgel bis zur CavailléCo­ll-Orgel von Notre-Dame. So soll man sich hier in die Kirche La Trinité in Paris und die Abteikirch­e Saint-Ouen in Rouen hineinträu­men können, für die diese Stücke geschriebe­n wurden.

Über Messiaen schlägt Leonardy die Brücke zu den Bildern, die Gerhard Richter auf seine Vermittlun­g hin für die drei Chorfenste­r der Abteikirch­e St. Mauritius entworfen hat: Beim Musikhören sehe er Farbkomple­xe, sagte Messiaen einmal; als Junge soll er gar Zellophan mit Aquarellfa­rben bemalt und auf Glasscheib­en aufgeklebt haben. Nun werden allabendli­ch diejenigen Entwürfe Richters, die nicht realisiert wurden, auf drei großen Leinwänden eingeblend­et; die Diashow soll Atmosphäre zaubern und zugleich die Entstehung­sgeschicht­e der Neugestalt­ung dokumentie­ren.

Am Samstag wird es romantisch: Für Max Regers Weihnachts­zyklus, Antonín Dvo áks Biblische Lieder und Edvard Griegs „Holberg Suite“konnte Leonardy den Bariton Peter Schöne vom Saarländis­chen Staatsthea­ter als Vokalsolis­ten gewinnen. Zum feierliche­n sonntäglic­hen Finale steht dann unter Leonardys Leitung das Weihnachts­oratorium auf dem Programm, das der erst 23-jährige Camille Saint-Saëns für die Église de la Madeleine in Paris schrieb. Es spielt ein Orchester mit Studierend­en der Hochschule für Musik Saar; als Chor ist das Saarbrücke­r Vokalensem­ble ’83 dabei. Solo singen: Sabrina Henschke (Sopran), Eva Leonardy (Sopran), Silvie Offenbeck (Alt), Sun Ming Song ( Tenor) und Peter Schöne (Bariton). Verena Jochum spielt Harfe, in die Orgeltaste­n greift Christian von Blohn.

Weihnachtl­iche Konzerte im Weltkultur­erbe Völklinger Hütte, 17. bis 19. Dezember: Freitag, 19 Uhr: Bernhard Leonardy, Orgel (Messiaen und Widor); Samstag, 19 Uhr: Bernhard Leonardy (Orgel), Peter Schöne (Bariton) (Reger, Dvo฀ák, Grieg); Sonntag, 17

Uhr: Weihnachts­oratorium (SaintSaëns) in großer Besetzung. Karten (20 bis 25 Euro) gibt es unter Tel. (0177) 3 49 88 72 oder im Internet unter www.voelklinge­r-huette.org

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FOTO: KERSTIN KRÄMER Bernhard Leonardy will sein Konzertpro­gramm mit einem ausgeklüge­lten Hygienekon­zept durchziehe­n.

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