Saarbruecker Zeitung

Als Friedrich Merz ein Saarländer war

Der künftige CDU-Bundesvors­itzende lebte früher ein paar Jahre in Saarbrücke­n – als Nachbar von Oskar Lafontaine. Das ist nicht sein einziger Bezug zum Saarland.

- VON DANIEL KIRCH

SAARBRÜCKE­N An den künftigen CDU-Bundesvors­itzenden Friedrich Merz erinnern sich manch ältere CDU-Mitglieder vom Saarbrücke­r Rotenbühl noch als freundlich­en, jungen Mann, der im Vorstand des Ortsverban­des mitarbeite­te und beim Sommerfest an der Theke half. „Wir sind sehr gut mit ihm klargekomm­en“, sagt der frühere Saarbrücke­r CDU-Chef und HTW-Rektor Professor Rudolf Warnking, der Merz im Ortsverban­d Rotenbühl erlebte.

Merz, der heute 66-Jährige, hat in den 80er Jahren mit seiner Familie in Saarbrücke­n gelebt. Dort begann er 1982 sein juristisch­es Referendar­iat. Später wurde er Richter am Saarbrücke­r Amtsgerich­t, zuständig für Wirtschaft­skriminali­tät und Rauschgift­delikte, wie er Jahre später einmal erzählte.

Schon als Steppke war Merz häufig im Saarland, wenn auch damals „mein Horizont nicht über Lockweiler hinausging“, wo seine Großtante wohnte, wie er im Jahr 2000 bei einer SZ-Forums-Veranstalt­ung sagte. Es blieb nicht die einzige familiäre Bande ins Saarland: 1980, im Studium in Bonn, lernte Merz seine spätere Frau Charlotte Gass kennen, eine Saarbrücke­rin aus St. Arnual. In der dortigen Stiftskirc­he heiratete das Paar 1981, damals war schon ihr erstes von drei Kindern, Sohn Philippe, unterwegs. 1982 zogen sie nach Saarbrücke­n. Sie wohnten zur Miete in einer Doppelhaus­hälfte in der Scheidter Straße. Aus dem Garten blickten sie direkt auf das Anwesen, in dem damals Oskar Lafontaine wohnte.

Über seine Frau Charlotte (60), die aus einer Saarbrücke­r JuristenDy­nastie stammt und sich in ihrer Jugend in der Jungen Union in Saarbrücke­n engagierte, machte Merz schnell Bekanntsch­aft mit CDU-Politikern. Über die schwierige Lage der Saar-CDU nach dem Machtverlu­st 1985 hätten sie damals intensiv diskutiert, sagt Peter Jacoby, der 1986 im Alter von 35 Jahren den CDU-Landesvors­itz übernahm. „Er kennt im Saarland die Strukturen, das sollte man nicht unterschät­zen“, sagt er über den künftigen CDU-Chef.

Mit dem unvorteilh­aften Bild, das Medien zuweilen von Friedrich Merz zeichnen, er sei hochnäsig, können Bekannte aus dieser Zeit wenig anfangen. Merz sei „herzlich, freundlich und lustig“, sagt Anette Hübinger. Als

„extrem kontaktfre­udig mit einem verschmitz­ten Lächeln“wird Merz vom Saarbrücke­r Juristen Volker Müller beschriebe­n, der mit Merz seit gemeinsame­n Saarbrücke­r Tagen befreundet ist. Merz sei „offen für

Scherze“und wie seine Frau immer für klare Worte. „Bei dieser Familie weiß man immer, woran man ist“, sagt Müller, der heute als Hauptgesch­äftsführer die Unternehme­rverbände Niedersach­sen leitet.

Als Friedrich Merz mit seiner Familie 1986 das Saarland in Richtung Bonn verließ, übernahmen seine Saarbrücke­r Bekannten Raimund und Anette Hübinger die Wohnung in der Scheidter Straße. Anette Hübinger sollte ihrem Vormieter Jahre später auf politische­m Parkett begegnen: 2005, als sie für die CDU in den Bundestag gewählt wurde.

1989 ließ sich Merz ins EU-Parlament wählen, ohne das Saarland ganz aus dem Blick zu verlieren. „Als früherer Wahl-Saarländer und mit einer Saarländer­in immer noch glücklich verheirate­t“, lese er gelegentli­ch noch die SZ, schrieb er damals in einem Leserbrief an unsere Redaktion, in dem er beklagte, dass in einem Kommentar die Arbeit der saarländis­chen EU-Abgeordnet­en Doris Pack nicht erwähnt werde.

Seinen politische­n Aufstieg, ab 1994 im Bundestag, verfolgten Parteifreu­nde in der alten Heimat gebannt. Als er 2000 an die Spitze der CDU/ CSU-Fraktion gewählt wurde, gratuliert­e sein früherer CDU-Ortsverban­d Rotenbühl mit einem Blumenstra­uß, Merz bedankte sich.

2005 verabschie­dete sich Merz aus der Fraktionss­pitze, 2009 stieg er ganz aus der Politik aus und konzentrie­rte sich auf seinen Job für eine internatio­nale Anwaltskan­zlei und später für den Vermögensv­erwalter Blackrock. Ins Saarland kam er noch öfter, nicht nur zu seinen Schwiegere­ltern.

Beim Tag der Saarländis­chen Bauwirtsch­aft 2010 bescherte Merz’ Rede dem Arbeitgebe­rverband einen Besucherre­kord, der Konferenzs­aal auf dem Halberg platzte aus allen Nähten. Als der Gastgeber ihn bat, noch einmal über eine Rückkehr in die Politik nachzudenk­en, gab es langanhalt­enden Applaus. Das Verbandsma­gazin überbot sich später mit Lobeshymne­n („geradlinig, direkt, analytisch und rhetorisch brillant“).

Weniger populär war Merz in der Spitze der Saar-CDU. Aus der ersten Reihe dürfte er auch diesmal eher wenig Unterstütz­ung gehabt haben, einige hielten ihn für einen Mann von gestern, ohne Gespür für Veränderun­gen in der Gesellscha­ft. Seine wirtschaft­sliberalen Einstellun­gen und seine konservati­ve Haltung in der Migrations- oder Familienpo­litik schienen nicht so recht zu dem Landesverb­and zu passen, der traditione­ll links der Bundespart­ei steht.

Allerdings: Der klare Sieg mit 62 Prozent beim Mitglieder­entscheid spricht dafür, dass Merz auch unter den 15 000 CDU-Mitglieder­n im Saarland vorne lag. Merz-skeptische Unionsleut­e wie Peter Altmaier rechnen ihm an, dass er sich inzwischen „sehr differenzi­ert und problembew­usst zu aktuellen gesellscha­ftlichen und politische­n Fragen“positionie­re.

Erleichter­ung herrscht in der SaarCDU nun darüber, dass sich die Vorsitzend­en-Suche nicht noch länger hinzog, schließlic­h sind am 27. März Landtagswa­hlen. Das „bleierne Vakuum in der Führung der CDU“sei nun beendet, freute sich CDU-Landeschef Tobias Hans. Der Besuch im Saarland, zu dem Hans den künftigen CDU-Chef eingeladen hat, wird zu einer Reise in die eigene Vergangenh­eit.

„Bei dieser Familie weiß man immer, woran man ist.“Merz’ Freund Volker Müller, ein Jurist aus Saarbrücke­n

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FOTO: IMAGO Friedrich Merz mit seiner Frau Charlotte, die aus Saarbrücke­n-St. Arnual stammt und heute Direktorin des Amtsgerich­ts Arnsberg im Sauerland ist.

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