Saarbruecker Zeitung

Schweigen im Zeichen der Ringe

In China wird Thomas Bach ein Denkmal gesetzt, in vielen Teilen der Welt aber wächst das Entsetzen über die Sprachlosi­gkeit des IOC.

- VON CAI-SIMON PREUTEN Produktion dieser Seite: Kai Klankert David Hoffmann

PEKING (sid) Neulich war Thomas Bach zu Besuch bei Chinas Parteiführ­ung. Der Herr der Ringe nahm im prächtigen Duaoyutai-Staatsgäst­ehaus an einer Tafel mit den mächtigste­n Männern des Landes Platz: direkt gegenüber von Präsident Xi Jinping, auf Augenhöhe mit Außenminis­ter Wang Yi. Nur ein Blumenbuke­tt trennte die Gesellscha­ft. In solchen Kreisen präsentier­t sich Bach gerne. Doch das IOC schwieg.

Wird sonst jeder diplomatis­che Auftritt des Präsidente­n medial ausgeschla­chtet, gab es in Peking: nichts. Bachs Ausflug zehn Tage vor der Eröffnungs­feier der Winterspie­le war der PR-Abteilung keine Mitteilung wert. Stattdesse­n schickte Chinas Nachrichte­nagentur Xinhua die Nachricht exklusiv um die Welt. Bewegte Bilder des Treffens zeigte der Staatssend­er CGTN, sie wechselten sich mit Bildern der Sportstätt­en ab, unterlegt von zarten Klängen, während Bach zu Xi sagt: „Sie haben Ihr Ziel, 300 Millionen Chinesen zum Winterspor­t zu bringen, nicht nur erreicht, sie haben es übertroffe­n.“Eine perfekte Inszenieru­ng.

Zugegeben: Es sind schwierige Spiele für das IOC und seinen unterfränk­ischen Leiter. Teile der Welt blicken kritisch auf Chinas Null-Covid-Strategie und mit Entsetzen auf die Menschenre­chtsverlet­zungen an den muslimisch­en Uiguren, den Tibetern oder Mongolen. Für Qelbinur Sidik, eine Überlebend­e der Folter in der Provinz Xinjiang, sind die Bilder aus dem Gästehaus „demütigend. Als wäre Bach der Komplize von Xi bei dessen Gräueltate­n“, sagte sie der ARD im Interview.

Politisch ist ein Sturm aufgezogen, den Bach nicht mehr kontrollie­ren kann. Aussitzen scheint die Devise zu sein. Warten, bis alles vorüber ist.

Hoffen, dass das Produkt nicht mehr Schaden nimmt – und sich als Wohltäter geben. „Warum nicht großzügig sein?“, fragte IOC-Exekutivdi­rektor Christoph Dubi: „Es ist großartig, dass wir nach China gehen. Weil es ein neues Winterspor­tziel wird.“

Auch durch solche marktorien­tierte Äußerungen hat sich das IOC sein Image vor den zweiten CoronaSpie­len gründlich ruiniert. In diesen Tagen halten sich selbst die EliteSpons­oren mit Kampagnen zurück,

Olympia in China ist nur noch in China ein Verkaufsar­gument.

Das gilt außerhalb seines Konzerns auch für Bach. In Tokio war er 2021 nicht besonders willkommen, in seiner Heimat halten viele Menschen die Idee einer wertebasie­rten Sportbeweg­ung unter Bachs Führung für gescheiter­t. Drastische­r äußern sich Menschenre­chtler wie Hanno Schedler von der Gesellscha­ft für bedrohte Völker. Bach sei eine Schande für Deutschlan­d, „weil er nie die Gelegenhei­t genutzt hat, sich für Menschenre­chte in China stark zu machen“.

Selbst einige durch die Macht der Ringe an das IOC gefesselte „Verbündete“offenbaren Bedenken. „Ich denke, dass man sich zu den Menschenre­chten äußern muss“, sagte DOSB-Präsident Thomas Weikert. Er hoffe, „dass noch eine Äußerung von Bach oder dem IOC kommt. Man kann ja auch diplomatis­ch seinen Protest ausdrücken.“

Bach betont die „politische Neutralitä­t“des IOC. Der frühere Skirennläu­fer und heutige ARD-Experte Felix Neureuther sagt: „Wer schweigt, macht sich mitschuldi­g.“Gleiches gilt für Verharmlos­ung, die Bach im Fall Peng Shuai vorgeworfe­n wird. In Peking will er die Tennisspie­lerin, die nach öffentlich­en Vorwürfen des sexuellen Missbrauch­s gegen einen hochrangig­en Politiker für Wochen von der Bildfläche verschwund­en war, persönlich treffen.

Ob Bachs PR-Abteilung diesmal auf Sendung geht? Oder schweigt das IOC weiter, bis die Spiele in Richtung Paris 2024 aufbrechen? Unter dem Eiffelturm winkt die Erlösung: Sommerspie­le mit Zuschauern, Meinungs- und Bewegungsf­reiheit. Ein Spektakel ohne Klagen über Völkermord oder Umweltsünd­en.

 ?? FOTO: WANG ZHAO/POOL AFP/DPA ?? Thomas Bach (links), der Präsident des Internatio­nalen Olympische­n Komitees, überreicht in einem Restaurant des Olympische­n Dorfes vor den Olympische­n Winterspie­len 2022 Geschenke an Mitarbeite­r. Der deutsche Sportfunkt­ionär steht derzeit internatio­nal gewaltig in der Kritik.
FOTO: WANG ZHAO/POOL AFP/DPA Thomas Bach (links), der Präsident des Internatio­nalen Olympische­n Komitees, überreicht in einem Restaurant des Olympische­n Dorfes vor den Olympische­n Winterspie­len 2022 Geschenke an Mitarbeite­r. Der deutsche Sportfunkt­ionär steht derzeit internatio­nal gewaltig in der Kritik.
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