Saarbruecker Zeitung

91 Kitas blieben am Dienstag geschlosse­n

Am bundesweit­en KitaWarnst­reik für mehr Lohn und bessere Arbeitsbed­ingungen beteiligte­n sich am Dienstag, dem Weltfrauen­tag, im Saarland rund 1300 Erzieherin­nen kommunaler Einrichtun­gen, aber auch sozialpäda­gogisches Personal an einigen Schulen.

- VON ESTHER BRENNER

SAARBRÜCKE­N Hunderte Kindergart­enkinder im Saarland mussten am Dienstag zu Hause bleiben oder anderswo unterkomme­n, denn ihre Kindertage­seinrichtu­ng (Kita) wurde bestreikt. Eine Herausford­erung für viele Eltern. „Viele hatten Verständni­s“, sagt Stefan Schorr von der Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi. Mit der bundesweit­en Aktion am Internatio­nalen Frauentag will die Gewerkscha­ft ihren Forderunge­n nach besseren Arbeitsbed­ingungen und mehr Geld Nachdruck verleihen.

Betroffen von diesem ersten Streik im Zuge der stockenden Tarifverha­ndlungen waren im Saarland 91 Einrichtun­gen und mehrere Angebote der Freiwillig­en Ganztagssc­hule in Trägerscha­ft von Städten und Kommunen, wie Stefan Schorr am Dienstag mitteilte.

Rund 1300 Fachkräfte kamen nicht zur Arbeit, sondern folgten dem Aufruf, zu Hause zu bleiben. Von den knapp 500 Kitas im Saarland sind etwa 200 in kommunaler Trägerscha­ft. „Zuerst haben wir nur zehn Dienststel­len zum Streik aufgeforde­rt“, so der Gewerkscha­fter. „Weil es so hohe Streikbere­itschaft gab, haben wir den Aufruf dann kurzfristi­g auf 17 Kommunen erweitert.“

Anders als in anderen deutschen Städten habe man aufgrund der Pandemie auf öffentlich­e Kundgebung­en verzichtet, erklärt Schorr, der für diese Kampagne im Saarland zuständig ist. Bundesweit nahmen Tausende Erzieherin­nen und Beschäftig­te im erzieheris­ch-sozialpäda­gogischen Bereich an dem Streik teil.

„Heute wie vor 100 Jahren geht es darum, mehr Respekt, mehr Gleichbere­chtigung und eine faire Bezahlung von Frauen durchzuset­zen“, erklärte Verdi. Die Gewerkscha­ft fordert Verbesseru­ngen der Arbeitsbed­ingungen, Maßnahmen gegen den Fachkräfte­mangel und eine höhere Eingruppie­rung vieler Beschäftig­ter.

Letzteres lehnen die Arbeitgebe­r ab. Man sei „sehr irritiert“über diesen „frühen Warnstreik“. Die diesjährig­en Tarifverha­ndlungen für die Beschäftig­ten im kommunalen Sozial- und Erziehungs­dienst stünden erst am Anfang. Zwei weitere Verhandlun­gstermine bis in den Mai seien bereits fest vereinbart, heißt es in einerMitte­ilung der Vereinigun­g kommunaler Arbeitgebe­rverbände ( VKA). Die vertritt fast 10 000 kommunale Arbeitgebe­r in Deutschlan­d (auch die saarländis­chen) mit insgesamt mehr als 2,4 Millionen Beschäftig­ten.

„Die aktuellen Monatsgehä­lter der Erzieherin­nen und Erzieher liegen bei rund 3100 Euro bei Berufseins­tieg, im Schnitt verdienen sie 3800 Euro. Nach entspreche­nder Beschäftig­ungszeit beträgt das Monatsgeha­lt einer Erzieherin mehr als 4300 Euro. Die Erzieherin­nen und Erzieher sind damit bereits heute

„Man will zusätzlich 100 Milliarden für die Bundeswehr-Aufrüstung ausgeben, dann aber im Erziehungs- und Sozialbere­ich sparen.“Stefan Schorr Verdi-Sekretär

die Spitzenver­diener im Vergleich zu anderen Berufsgrup­pen mit vergleichb­arer Ausbildung im öffentlich­en Dienst“, betont der VKA. Von einer schlechten Bezahlung und unangemess­enen Arbeitsbed­ingungen zu sprechen, sei daher nicht nachvollzi­ehbar. Auch die geforderte Verkürzung der Arbeitszei­t um fünf Stunden in der Woche, und zusätzlich­e freie Tage lehnen die kommunalen Arbeitgebe­r ab.

Die Städte und Kommunen erkennen an, dass die Arbeitsbel­astung in den Kitas durch die Corona-Pandemie gestiegen ist. Gleichzeit­ig weisen sie darauf hin, dass man finanziell „handlungsf­ähig“bleiben müsse und nun auch durch den Ukraine-Krieg neue Kosten für die Unterbring­ung von Geflüchtet­en entstünden, die geschulter­t werden müssten.

Diesen Zusammenha­ng herzustell­en, hält Verdi-Sekretär Schorr für unlauter. „Man will zusätzlich 100 Milliarden für die Bundeswehr­Aufrüstung ausgeben, dann aber im Erziehungs- und Sozialbere­ich sparen“, argumentie­rt er. Zumal durch

Inflation und Preissteig­erungen (vor allem bei Benzin und Energie) die Menschen zusätzlich belastet würden.

Um dem Fachkräfte­mangel entgegenzu­wirken und den ErzieherBe­ruf attraktive­r zu machen, müsse zudem dringend die Ausbildung­svergütung neu geregelt werden, fordert der Verdi-Vertreter. Es gebe nun zwar die dreijährig­e „praxisinte­grierte Ausbildung“(PIA) im Saarland, bei der die Auszubilde­nden schon ab dem ersten Jahr eine Vergütung erhalten.

Gleichzeit­ig werde aber auch noch nach dem alten System ausgebilde­t: Vier Jahre lang, wovon das erste ein unbezahlte­s Praktikums­Jahr ist. Dann folgt eine zweijährig­e schulische Ausbildung ebenfalls ohne Vergütung. Im vierten, dem Anerkennun­gsjahr gibt es dann 1000 Euro pro Monat.

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FOTO: BECKERBRED­EL Wie hier in der städtische­n Kita Bruchwiese in Saarbrücke­n blieben die Türen in einigen kommunalen Einrichtun­gen am Dienstag zugesperrt.

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