Saarbruecker Zeitung

Georges Christen: Der Mann, der Pfannen zusammenro­llt

Der Luxemburge­r ist einer der stärksten Männer der Welt. In wenigen Sekunden zerreißt der überzeugte Vegetarier Telefonbüc­her oder verbiegt dicke Nägel.

- VON BIRGIT REICHERT

LUXEMBURG (dpa) Zum Auftakt nimmt Georges Christen eine Bratpfanne. Er packt sie mit beiden Händen am Rand und rollt sie Stück für Stück nach innen zusammen. Keine zehn Sekunden dauert das, dann hält er strahlend die silberne Pfannen-Rolle am schwarzen Griff in die Höhe. Dann greift er einen sieben Millimeter dicken Nagel und verbiegt ihn zu einem großen V. Und schließlic­h zerreißt er ein Telefonbuc­h aus 1250 Seiten: erst in zwei, dann in vier Teile.

„Das sind meine Lieblingsü­bungen“, sagt Christen in seiner Trainingss­cheune zwischen Hanteln, Steinkugel­n, verbogenen Flacheisen und einem Koffer mit Medaillen und Guinnessbü­chern der Rekorde. 26 Eintragung­en hat der 59-Jährige geschafft – wegen seiner Weltrekord­e gilt der Luxemburge­r auch als einer der stärksten Männer der Welt.

Er sieht sich aber nicht als Bodybuilde­r oder Gewichtheb­er. Sondern vielmehr als Kraftathle­t alter Tradition, der seine Powermuske­ln für Varieté-Auftritte zur Unterhaltu­ng einsetzt. Diese „Strongmen“seien Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunder­ts sehr populär gewesen. „Ich habe dieses alte Varieté-Genre wieder aufleben lassen. Ich denke, auf mich passt am besten die Bezeichnun­g „Old Time Strongman“.“

Zu dem Genre – und somit zu Christen – gehört Spektakulä­res. „Ich liebe kuriose und verrückte Sachen“, sagt er. Auch mit seinen Zähnen, die er seit Jahren kräftig trainiert. Er hat Biss: „Ich habe einen Eisenbahnw­aggon von mehr als 20 Tonnen 200 Meter weit mit den Zähnen gezogen“, erzählt er. Oder Cessna-Leichtflug­zeuge (110 PS) bei Vollgas mit den Zähnen festgehalt­en. „Und dann auch sonst noch alles Mögliche mit den Zähnen gezogen: Autobusse, Schiffe, Traktoren.“

Wie das geht? Er hat ein spezielles Mundstück aus Gummi, das er an Seile festmacht, die mit den Fahrzeugen verbunden sind. „Mir hat das Heben von Gewichten mit den Zähnen schon immer Spaß gemacht“, sagt er. Was er heute immer noch gerne mache, sei: Mit den Zähnen einen Tisch zu halten, auf dem eine Frau aus dem Publikum sitzt. Damit sei er auch schon mal in China beim dortigen „Wetten, dass..?“aufgetrete­n. „Und Wettkönig geworden.“

Christen war als Kind nicht stärker als andere. „Ich würde sogar sagen, dass ich vielleicht eher ein bisschen ängstliche­r war als andere Kinder.“Er sei aber von Kraft fasziniert gewesen – und von dem luxemburgi­schen Athleten John Grün (18681912), der zu seiner Zeit als stärkster Mann der Welt bezeichnet wurde. Christen begann zu trainieren, mit selbstgeba­stelten Hanteln aus Eisen vom Schrottpla­tz. „Und dann wollte ich unbedingt einmal ins Guinnessbu­ch der Rekorde kommen. Das war damals so was wie heute die Show „Supertalen­t“.“

Ende 1982 war es so weit. Er verbog 250 Zimmermann­snägel in knapp 73 Minuten – und landete im Buch der Rekorde. Die Kraft liege bei ihm zu einem großen Teil im Bereich der Unterarme. Eigentlich hat er Versicheru­ngskaufman­n gelernt. Aber irgendwann habe er gedacht: „Ich mache das zu meinem Beruf.“Es kamen immer mehr Anfragen, immer mehr Auftritte. Von Theatern, Festivals, Betrieben oder

Banken. Vor Corona seien es jedes Jahr so um die 100 Auftritte gewesen.

Christen ist niemand, der nach hartem Training Steaks isst. Er ist seit 36 Jahren Vegetarier. „Kraftsport geht auch als Vegetarier“, sagt er. Er habe sich „aus ethischen Gründen“dazu entschloss­en, weil er gegen die Massentier­haltung ist. Er esse aber Milchprodu­kte und Eier – nur keine Tiere. „Damit komme ich gut zurecht. Falls mir etwas gefehlt hat, habe ich es nicht gemerkt.“

Fünfmal in der Woche trainiert Christen für sich, meist jeweils zwei Stunden – mit Hanteln, Gewichten und Übungen. Außerdem gibt er seine Begeisteru­ng für den Sport in einem Caritas-Projekt in Luxemburg an Obdachlose weiter – in zehn Stunden pro Woche. „Da geht es nicht um Rekorde, sondern um

Ausdauer und Disziplin.“

Seine Lebensgefä­hrtin hat Christen auch seinem Beruf zu verdanken. „Sie ist überhaupt keine Athletin“, erzählt er. Aber sie habe im Publikum gesessen und sei als Freiwillig­e für seine Einlage mit dem Tisch zwischen den Zähnen auf die Bühne gekommen. „Dann saß sie auf dem Tisch. Und jetzt sind wir seit 27 Jahren zusammen.“

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FOTO: H. TITTEL/DPA Bratpfanne­n zählen zu den Lieblingsg­egnern von Georges Christen.

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