Franz Kafka, wie ihn kaum jemand kennt
Franz Kafka, so denkt man, kennt doch jeder. Aber auch mancher Kenner hat womöglich noch nie von „Der Gruftwächter“gehört. Denn eigentlich hat Kafka keine Dramen geschrieben. Wer die neue Produktion von Ralf Peter besucht, wird womöglich noch andere überraschende Dinge über den großen Dichter erfahren.
SAARBRÜCKEN Da hat er wieder was ausgegraben. Ralf Peter, eigentlich Tenor, aber auch mal als Schauspieler oder Regisseur unterwegs, brachte schon manches interessante Fundstück auf Saarbrücker Bühnen. Aber das Projekt, das nun in Theater im Viertel Premiere haben wird, ist doch etwas Besonderes. Nämlich ein Drama von Franz Kafka.
„Der Gruftwächter“ist eines jener vielen Werke von Kafka, die nur deshalb erhalten sind, weil sein Freund Max Brod sich über den ausdrücklichen Wunsch des Künstlers hinwegsetzte und die Texte nach dessen Tod nicht vernichtete, sondern veröffentlichte. Vor allem aber ist „Der Gruftwächter“das einzige Drama, das der weltberühmte Schriftsteller je verfasste. Und nur wenige kennen es.
Auch Ralf Peter, der auch noch studierter Germanist ist, wusste nichts davon. „Kaum jemand weiß, dass es überhaupt ein Drama von Kafka gibt“, sagt er. Ein Bekannter erzählte eines Tages davon. Aber als er mal davon gehört hatte, ließ es ihn nicht mehr los. Und dann kamen ein paar Faktoren zusammen, die letztlich dazu führen, dass der Tenor Ralf
Peter einen Kafka spielt.
Ein Faktor war die zeitweise etwas problematische Vergabe von Fördermitteln beim Land. „Anfangs konnte man Musik nicht einreichen“, erzählt Ralf Peter beim Besuch in der Redaktion. Das ist mittlerweile anders, aber es führte dazu, dass der Musiker sich darauf besann, „dass ich früher an der Uni Sprechtheater inszeniert habe“.
Der zweite Grund war natürlich Corona. „Mit der Singerei ist das da ja so eine Sache, man hatte Angst, ob man überhaupt noch auf die Bühne kann“. Also beschloss der Tenor, zum Sprecher zu werden und den Saarbrückern einen seltenen Kafka zu bieten.
Dabei ist er nicht allein. Und es wird auch keine Schauspiel-Aufführung im herkömmlichen Sinne werden. Zum einen ist der Zeichner Klaus Harth dabei. Er wird in einer
„Mit der Singerei ist das da ja so eine Sache, man hatte Angst, ob man überhaupt noch auf die Bühne kann.“Ralf Peter besann sich wegen der Corona-Pandemie darauf, dass er früher auch Schauspiel gemacht hat.
Art Mischung aus Bühnenbild und Graphic Novel die Geschichte in Bildern erzählen. Dabei, das ist Ralf Peter wichtig, werden sich die Skizzen eng an den Text halten. „Da das Stück ja kaum bekannt ist, wollen wir, dass das Stück sich darstellt“. Die Bilder „hangeln sich am Text entlang“, wie er es ausdrückt.
Und noch einer muss sich hangeln: der Komponist Daniel Osorio. Den hat Ralf Peter dafür gewonnen, die Bühnenmusik zu komponieren. Osorio, der Kulturpreisträger der Stadt Saarbrücken ist und hier auch das Evimus-Festival organisiert, illustriert Kafka mit Klängen. „Mal sehen, was er daraus macht“, sagt Ralf Peter. Noch hat er nichts gehört, was der Kollege komponiert, aber eines ist klar: „Der Text muss deutlich vernehmbar bleiben“.
Dafür ist auch Ralf Peter selbst zuständig. Das Kafka-Stück erzählt von einem Fürsten, der neu und etwas schwach in Amt und Würden ist und vom alten Gruftwächter Beängstigendes erfährt. Dass der nämlich allnächtlich in der Gruft mit des Fürsten Ahnen kämpfen müsse. Es geht um undurchsichtige Machtverhältnisse und mögliche Rebellion, das Ganze ist real und surreal zugleich. Im Stück treten mehrere Figuren auf, auch ein Kammerherr und der Oberhofmeister gehören zum Personal.
Aber auf der TiV-Bühne – „schwarz und ohne Brimborium“– wird man die nur als Skizzen sehen. „Ich spreche den Text, und zwar alle Rollen“, sagt Ralf Peter. Dabei wird er den Haupt-Text als eine Art Hörspiel einsprechen, der wird dann vom Band kommen. Live bringt Peter dazu ergänzende Text-Fragmente, und er liest auch die Regie-Anweisungen mit. Der Gedanke dabei: „Es findet alles im Kopf von Kafka statt.“
Eben diese Idee, stellte Ralf Peter erst kürzlich halb geschmeichelt, halb verärgert fest, hatte auch der große, just verstorbene Theatermann Hans Neuenfels. In einem Hörspiel von „Der Gruftwächter“lässt er ebenfalls Kafkas Regie-Anweisungen mitlesen.
Aber Neuenfels hat keinen Zeichner und keinen Daniel Osorio dabei. Und gerade das Zeichnen ist bei Kafka wichtiger, als man denken könnte. Denn, auch das wissen gar nicht mal so viele Leute: Kafka war passionierter Zeichner, bevor er Schriftsteller wurde. Erst im letzten Jahr erschien im C.H. Beck Verlag ein dicker Band, in dem Kafkas wiederentdeckte Bilder publiziert wurden.
Premiere von „Der Gruftwächter – Kafka-Projekt“ist am Freitag, 25. März. Weitere Vorstellungen sind am 26.,
30. und 31. März, jeweils um 19.30 Uhr. Karten über www.dastiv.de