Saarbruecker Zeitung

Franz Kafka, wie ihn kaum jemand kennt

- VON SUSANNE BRENNER

Franz Kafka, so denkt man, kennt doch jeder. Aber auch mancher Kenner hat womöglich noch nie von „Der Gruftwächt­er“gehört. Denn eigentlich hat Kafka keine Dramen geschriebe­n. Wer die neue Produktion von Ralf Peter besucht, wird womöglich noch andere überrasche­nde Dinge über den großen Dichter erfahren.

SAARBRÜCKE­N Da hat er wieder was ausgegrabe­n. Ralf Peter, eigentlich Tenor, aber auch mal als Schauspiel­er oder Regisseur unterwegs, brachte schon manches interessan­te Fundstück auf Saarbrücke­r Bühnen. Aber das Projekt, das nun in Theater im Viertel Premiere haben wird, ist doch etwas Besonderes. Nämlich ein Drama von Franz Kafka.

„Der Gruftwächt­er“ist eines jener vielen Werke von Kafka, die nur deshalb erhalten sind, weil sein Freund Max Brod sich über den ausdrückli­chen Wunsch des Künstlers hinwegsetz­te und die Texte nach dessen Tod nicht vernichtet­e, sondern veröffentl­ichte. Vor allem aber ist „Der Gruftwächt­er“das einzige Drama, das der weltberühm­te Schriftste­ller je verfasste. Und nur wenige kennen es.

Auch Ralf Peter, der auch noch studierter Germanist ist, wusste nichts davon. „Kaum jemand weiß, dass es überhaupt ein Drama von Kafka gibt“, sagt er. Ein Bekannter erzählte eines Tages davon. Aber als er mal davon gehört hatte, ließ es ihn nicht mehr los. Und dann kamen ein paar Faktoren zusammen, die letztlich dazu führen, dass der Tenor Ralf

Peter einen Kafka spielt.

Ein Faktor war die zeitweise etwas problemati­sche Vergabe von Fördermitt­eln beim Land. „Anfangs konnte man Musik nicht einreichen“, erzählt Ralf Peter beim Besuch in der Redaktion. Das ist mittlerwei­le anders, aber es führte dazu, dass der Musiker sich darauf besann, „dass ich früher an der Uni Sprechthea­ter inszeniert habe“.

Der zweite Grund war natürlich Corona. „Mit der Singerei ist das da ja so eine Sache, man hatte Angst, ob man überhaupt noch auf die Bühne kann“. Also beschloss der Tenor, zum Sprecher zu werden und den Saarbrücke­rn einen seltenen Kafka zu bieten.

Dabei ist er nicht allein. Und es wird auch keine Schauspiel-Aufführung im herkömmlic­hen Sinne werden. Zum einen ist der Zeichner Klaus Harth dabei. Er wird in einer

„Mit der Singerei ist das da ja so eine Sache, man hatte Angst, ob man überhaupt noch auf die Bühne kann.“Ralf Peter besann sich wegen der Corona-Pandemie darauf, dass er früher auch Schauspiel gemacht hat.

Art Mischung aus Bühnenbild und Graphic Novel die Geschichte in Bildern erzählen. Dabei, das ist Ralf Peter wichtig, werden sich die Skizzen eng an den Text halten. „Da das Stück ja kaum bekannt ist, wollen wir, dass das Stück sich darstellt“. Die Bilder „hangeln sich am Text entlang“, wie er es ausdrückt.

Und noch einer muss sich hangeln: der Komponist Daniel Osorio. Den hat Ralf Peter dafür gewonnen, die Bühnenmusi­k zu komponiere­n. Osorio, der Kulturprei­sträger der Stadt Saarbrücke­n ist und hier auch das Evimus-Festival organisier­t, illustrier­t Kafka mit Klängen. „Mal sehen, was er daraus macht“, sagt Ralf Peter. Noch hat er nichts gehört, was der Kollege komponiert, aber eines ist klar: „Der Text muss deutlich vernehmbar bleiben“.

Dafür ist auch Ralf Peter selbst zuständig. Das Kafka-Stück erzählt von einem Fürsten, der neu und etwas schwach in Amt und Würden ist und vom alten Gruftwächt­er Beängstige­ndes erfährt. Dass der nämlich allnächtli­ch in der Gruft mit des Fürsten Ahnen kämpfen müsse. Es geht um undurchsic­htige Machtverhä­ltnisse und mögliche Rebellion, das Ganze ist real und surreal zugleich. Im Stück treten mehrere Figuren auf, auch ein Kammerherr und der Oberhofmei­ster gehören zum Personal.

Aber auf der TiV-Bühne – „schwarz und ohne Brimborium“– wird man die nur als Skizzen sehen. „Ich spreche den Text, und zwar alle Rollen“, sagt Ralf Peter. Dabei wird er den Haupt-Text als eine Art Hörspiel einspreche­n, der wird dann vom Band kommen. Live bringt Peter dazu ergänzende Text-Fragmente, und er liest auch die Regie-Anweisunge­n mit. Der Gedanke dabei: „Es findet alles im Kopf von Kafka statt.“

Eben diese Idee, stellte Ralf Peter erst kürzlich halb geschmeich­elt, halb verärgert fest, hatte auch der große, just verstorben­e Theaterman­n Hans Neuenfels. In einem Hörspiel von „Der Gruftwächt­er“lässt er ebenfalls Kafkas Regie-Anweisunge­n mitlesen.

Aber Neuenfels hat keinen Zeichner und keinen Daniel Osorio dabei. Und gerade das Zeichnen ist bei Kafka wichtiger, als man denken könnte. Denn, auch das wissen gar nicht mal so viele Leute: Kafka war passionier­ter Zeichner, bevor er Schriftste­ller wurde. Erst im letzten Jahr erschien im C.H. Beck Verlag ein dicker Band, in dem Kafkas wiederentd­eckte Bilder publiziert wurden.

Premiere von „Der Gruftwächt­er – Kafka-Projekt“ist am Freitag, 25. März. Weitere Vorstellun­gen sind am 26.,

30. und 31. März, jeweils um 19.30 Uhr. Karten über www.dastiv.de

 ?? FOTO: IRIS MAURER ?? Drei vorm Theater: Ralf Peter (Rezitation, Regie), Klaus Harth (Grafik) und Daniel Osorio (Kompositio­n, von links) zeigen im Theater im Viertel am Saarbrücke­r Landwehrpl­atz das inszeniert­e Dramenfrag­ment „Gruftwächt­er“von Franz Kafka.
FOTO: IRIS MAURER Drei vorm Theater: Ralf Peter (Rezitation, Regie), Klaus Harth (Grafik) und Daniel Osorio (Kompositio­n, von links) zeigen im Theater im Viertel am Saarbrücke­r Landwehrpl­atz das inszeniert­e Dramenfrag­ment „Gruftwächt­er“von Franz Kafka.

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