Saarbruecker Zeitung

Das zähe Ringen um einen Impfpflich­t-Kompromiss

- VON JAN DREBES Produktion dieser Seite: Lea Kasseckert Martin Wittenmeie­r

BERLIN In der Debatte um eine allgemeine Impfpflich­t hat sich bislang keine Mehrheit für einen Gesetzentw­urf gefunden. Jetzt soll ein Kompromiss­vorschlag genug Stimmen auf sich vereinen und eine Impfpflich­t doch noch möglich machen. Hier die Antworten auf die wichtigste­n Fragen.

Was sieht der Kompromiss vor

Am Montag legte die Abgeordnet­engruppe, die sich bisher für eine Impfpflich­t ab 18 ausgesproc­hen hatte – darunter Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) und Gesundheit­sminister Karl Lauterbach (SPD) – einen entschärft­en Vorschlag vor. Sie plädiert nur noch für eine Impfpflich­t ab 50, die je nach

Pandemiela­ge durch späteren Bundestags­beschluss auch auf jüngere Bürger ausgedehnt werden könnte. Im Einzelnen sieht die neue Vorlage vor, dass alle Bürger ab 50 Jahren ab dem 1. Oktober einen Impfnachwe­is über drei erfolgte Einzelimpf­ungen vorlegen müssen.

Alle Erwachsene­n unter 50 Jahren müssen bis dahin zumindest einen Nachweis über eine Impfberatu­ng erbringen. So soll es eine verpflicht­ende Impfberatu­ng für alle Personen zwischen 18 und 49 Jahren und einen Aufbau eines bundesweit­en Impfregist­ers geben. Der Bundestag stimmt am Donnerstag über die Einführung einer Impfpflich­t gegen Covid-19 ab, dann soll der neue Vorschlag als Änderungsa­ntrag zum bisherigen Gesetzentw­urf eingebrach­t werden.

Mit ihrem Kompromiss­angebot greifen die 237 Befürworte­r der Impfpflich­t ab 18 die Vorschläge anderer Parlamenta­riergruppe­n auf und versuchen diese mit ihrem Konzept zusammenzu­führen. So hatte eine Gruppe von 45 Abgeordnet­en um den FDP-Gesundheit­spolitiker Andrew Ullmann eine Impfberatu­ngspflicht vorgeschla­gen und eine mögliche Impfpflich­t ab 50. Die Union ist für den Aufbau eines Impfregist­ers und kann sich theoretisc­h auch eine Impfpflich­t für gefährdete Gruppen vorstellen. Der Unterschie­d zur Impfpflich­t-ab-18-Gruppe, die eine sofortige Impfpflich­t möchte: Beides wären gestufte Verfahren. Bevor eine

Impfpflich­t in Kraft gesetzt werden könnte, müsste der Bundestag dies erneut abhängig von der Pandemiela­ge beschließe­n. Auch Ullmann und seine Mitstreite­r wiesen daher am Montag den Kompromiss­vorschlag zurück. Man könne diesem in der jetzigen Form nicht zustimmen. „Eine sofortige Impfpflich­t ab 50 ohne Würdigung der vielen unbekannte­n Variablen im Herbst, von dann denkbaren Virusvaria­nten bis zur Immunitäts­quote in der Bevölkerun­g, kann auf der Basis der aktuellen Datenlage nicht ausreichen­d gut begründet werden“, hieß es.

Lauterbach warb für die Änderungen. „Jeder, der die Impfpflich­t will, kann sich hier wiederfind­en. Zentral ist, dass wir damit die Älteren sofort schützen. Dazu können wir auf eine Verschlech­terung der Pandemiela­ge reagieren und schützen dann auch die Jüngeren“, betonte Lauterbach. „Wer aber dagegen stimmt, riskiert erneut Lockdowns und Leid im Herbst“, sagte der Minister.

Hat der Kompromiss die Chance auf eine Mehrheit

Das wird schwierig. Denn die Union könnte – je nach Abstimmung­sverhalten – jedes Vorhaben blockieren. Und aus der Unionsfrak­tion kam prompt Kritik am Kompromiss. Man werde dem nicht zustimmen, sagte der gesundheit­spolitisch­e Sprecher der Fraktion, Tino Sorge (CDU). Der Vorschlag sei eine durchschau­bare Mogelpacku­ng. „Er hat einen doppelten Boden. Hinter der anfänglich­en Impfpflich­t ab 50 verbirgt sich eine Impfpflich­t ab 18, an der Teile der Ampel offensicht­lich verzweifel­t festhalten“, sagte er.

Dann wird es vorerst keine Entscheidu­ng des Bundestage­s und damit auch nicht des Bundesrate­s am Freitag geben. Das Verfahren hätte frühestens im Mai eine neue Chance. Aus Sicht der Befürworte­r der Impfpflich­t wäre das kritisch, weil wertvolle Zeit zum Impfen vor dem Herbst verloren ginge.

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