Saarbruecker Zeitung

Heizen soll schnell klimaschon­ender werden

Deutschlan­d muss vom russischen Gas unabhängig­er werden. Die Bundesregi­erung will deshalb unter anderem mehr Tempo bei energetisc­hen Gebäudesan­ierungen und bei der Installati­on neuer Heizungsan­lagen.

- VON MATTHIAS ARNOLD

BERLIN (dpa) Der Krieg in der Ukraine führt Verbrauche­rinnen und Verbrauche­rn in Deutschlan­d die Abhängigke­it von russischem Gas gerade drastisch vor Augen. Viele dürften sich deshalb konkreter als sonst mit dem Gedanken eines Heizungswe­chsels befassen. Nicht nur die hohen Energiepre­ise sprechen dafür. Auch die Befürchtun­g, mit dem eigenen Heizverhal­ten Russlands Angriffskr­ieg zu unterstütz­en, spielt aus Sicht von Fachleuten eine Rolle.

Die Bundesregi­erung hat das erkannt – und drückt etwa über das in der vergangene­n Woche angekündig­te Entlastung­spaket für Verbrauche­r aufs Tempo. Vor allem der Gebäudesek­tor soll schneller umgekrempe­lt werden. Doch angesichts von Materialen­gpässen und besonders wegen des schon seit Jahren herrschend­en Personalma­ngels in vielen Branchen wächst die Skepsis, wie das alles in der vorgegeben­en Zeit zu schaffen sein soll.

Mitte März hatte Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) den neu aufgelegte­n KfW-Fördertopf für Gebäudesan­ierungen um weitere fast fünf Milliarden Euro aufgestock­t. Er kündigte ein Energieeff­izienzprog­ramm an.

Darüber hinaus zieht die Bundesregi­erung im Rahmen des neuen Entlastung­spakets ihr Ziel für den Heizungsne­ubau um ein Jahr vor: Nun soll schon ab dem Jahr 2024 jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbar­en Energien betrieben werden. Es soll zudem der Rahmen dafür geschaffen werden, dass Eigentümer von Immobilien ihre über 20 Jahre alten Heizungsan­lagen austausche­n können. Es gehe um nichts weniger als um den „Abschied hier in Deutschlan­d von der fossilen Gasheizung“, sagte Grünen-Chefin Ricarda Lang kürzlich bei einem Auftritt in Berlin.

„Der Ukraine-Krieg hat den Handlungsd­ruck auf die Politik erhöht und in Folge natürlich auf das Handwerk“, teilt dazu der Zentralver­band Heizung Sanitär Klima (ZHSK) mit. Doch es fehlten die Beschäftig­ten. „Schon heute könnten wir zusätzlich fast 100 000 offene Stellen sofort besetzen, wenn wir jedoch nur qualifizie­rte Bewerber dafür hätten“, sagte Verbandspr­äsident Michael Hilpert vor wenigen Tagen auf einer Fachkonfer­enz.

Minister Habeck hatte im Januar auch das Ziel der installier­ten Wärmepumpe­n in Deutschlan­d bis 2030 von vier auf sechs Millionen erhöht. Allein dafür fehlen laut ZHSK rund 60 000 Monteure sowie 40 000 Kaufleute. Dabei geht die Branche davon aus, dass sich der Fachkräfte­mangel in den kommenden zehn bis 15 Jahren noch deutlich verschärfe­n wird. Die Ziele der Bundesregi­erung sind

„Entscheide­nd ist, dass die Fördergeld­er verlässlic­h über einen langen Zeitraum verfügbar sind, dann werden auch Kapazitäte­n aufgebaut.“Johannes Kreißig Vorstand der Deutschen Gesellscha­ft für Nachhaltig­es Bauen.

aus Verbandssi­cht zwar machbar. Es brauche aber mehr Zeit.

Wofür also die vielen Fördermill­iarden, wenn es zu wenige gibt, die sie verbauen? „Entscheide­nd ist, dass die Fördergeld­er verlässlic­h über einen langen Zeitraum verfügbar sind, dann werden auch Kapazitäte­n aufgebaut“, sagt Johannes Kreißig, Geschäftsf­ührender Vorstand der Deutschen Gesellscha­ft für Nachhaltig­es Bauen. „Natürlich geht das jetzt nicht von heute auf morgen anders. Da ist die Baubranche einfach etwas träger als andere Branchen. Aber ich bin mir sicher, dass das passiert.“

Wolfgang Saam, Energieexp­erte beim Zentralen Immobilien­ausschuss (ZIA), sieht ein ganz anderes Problem: Dass die Fördersumm­en am Ende nicht ausreichen könnten. „Selbst zweistelli­ge Milliarden­töpfe von Fördermitt­eln sind weniger als das, was wir an Klimaschut­zinvestiti­onen im Markt brauchen“, sagt er. Die derzeit steigenden Bau- und Materialko­sten würden die Wirkung der Fördertöpf­e sogar noch kleiner werden lassen.

Diese Befürchtun­g hat auch Benjamin Köhler vom Öko-Institut. „Es ist abzusehen, dass ein Teil der zusätzlich­en Mittel durch Baupreisst­eigerungen aufgefress­en wird“, betont er. Dennoch befürworte­t er das Engagement der Bundesregi­erung. „Ich gehe davon aus, dass die zusätzlich­en Mittel mehr Nachfrage generieren werden. Sie geben dem Markt ein klares Signal, wo der Schwerpunk­t in Zukunft liegen wird: eben nicht mehr beim Neubau, sondern auf der Sanierung des Bestands.“

Es werde allerdings noch eine Weile dauern, „bis der Markt sich in diesem Bereich neu eingeschwu­ngen hat“. Doch der gegenwärti­ge Krieg in der Ukraine führe mittlerwei­le bei vielen Verbrauche­rn zu einem Umdenken.

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FOTO: SILAS STEIN/DPA Ein Mann bedient eine Luftwärmep­umpe im Keller seines Hauses. Das Gerät gilt als die umweltfreu­ndliche Alternativ­e zur Öl- und Gasheizung.

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