Die Nachbarn stehen kurz vor der Wahl
Am Wochenende findet die erste Runde der Präsidentschaftswahl in Frankreich statt. Wie läuft der Wahlkampf, welche Kandidaten haben die Nase vorne und was heißt das für die Grenzregion?
SAARBRÜCKEN Am Abend des 24. April wird feststehen, wer Frankreich für die nächsten fünf Jahre regiert. Doch der erste wichtige Termin ist schon an diesem Sonntag. Zwölf Kandidatinnen und Kandidaten treten dann im ersten Wahlgang an und hoffen, in die Stichwahl einzuziehen. Diesen zweiten Wahlgang können nur die zwei Kandidaten, die am Sonntag die meisten Stimmen bekommen haben, erreichen.
Wie läuft der Wahlkampf
Lange gab es hinter der Grenze von Wahlkampf keine Spur. Während der Corona-Pandemie war zunächst nicht klar, ob größere Wahlkampfauftritte möglich sein würden. Danach kamen einige Kandidaten ins Département Moselle. Die konservative Kandidatin Valérie Pécresse (LR) und der Rechtsradikale Eric Zemmour (Reconquête) traten im März in Metz auf. Diese Woche will der linke Kandidat Jean-Luc Mélenchon (FI) dort als Hologramm auftreten. Marine Le Pen von der rechtsextremen Partei Rassemblement National (RN) kam vergangene Woche nach Stiring-Wendel, direkt hinter der Grenze zum Saarland (wir berichteten). Der amtierende Präsident Emmanuel Macron (LREM) hingegen entschied sich für ein einziges Wahlkampfmeeting in Paris. Denn zusätzlich zur CoronaKrise beherrschte der Krieg in der Ukraine in jüngster Zeit die Schlagzeilen. Durch seine Rolle als Krisenmanager verschob zum Beispiel Macron die Bekanntgabe seiner Kandidatur auf Anfang März, den letztmöglichen Zeitpunkt, um eine Bewerbung offiziell einzureichen. Erst ab diesem Moment begann tatsächlich der Wahlkampf. Dieser allerdings wird von der Bevölkerung mit relativer Gleichgültigkeit wahrgenommen. Laut einer Umfrage des Instituts Ipsos betrachteten vergangene Woche nur 55 Prozent der Befragten den Wahlkampf als ein „wichtiges Ereignis“. Beim Thema hohe Benzinpreise waren es 83 Prozent.
Welche Kandidaten haben eine Chance auf die Stichwahl
Zwölf Kandidatinnen und Kandidaten treten bei der Wahl an. Die Meinungsumfragen sind in den vergangenen Monaten relativ stabil geblieben. Alle sehen in der Stichwahl ein Duell zwischen Macron und Marine Le Pen. Die jüngste Umfrage von Opinion Way (vom 4. April) sieht Macron am Sonntagabend bei 27
Prozent, Le Pen bei 22 Prozent und als Drittplatzierten Mélenchon bei 14 Prozent. Der Ausgang des ersten Wahlgangs scheint also relativ wenig Spielraum für Überraschungen lassen. Entscheidend wird aber auch die Wahlbeteiligung sein. Sie ist in Frankreich bei Präsidentschaftswahl traditionell höher als bei anderen Abstimmungen. Enger sind die bisherigen Prognosen, was die Stichwahl angeht. Je nach Institut variiert der Abstand zwischen Le Pen und Macron von fünf bis sechs Prozentpunkten. Dabei gilt bei Meinungsumfragen ein Fehlerbereich von bis zu drei Prozentpunkten.
Wie stehen die Kandidaten zu Deutschland und Europa
Zum Thema Europa haben Macron und Le Pen sehr unterschiedliche Auffassungen. Während Macron die EU von Anfang an in den Mittelpunkt seiner Politik stellte, vertritt Le Pen nationalistische Positionen. Zwar wirbt sie nicht mehr, wie vor einigen Jahren, offen für einen Austritt Frankreichs aus der EU, sie stellt sich aber klar gegen Grundprinzipien der europäischen Zusammenarbeit.
Le Pen befürwortet zum Beispiel die Rückkehr von Grenzkontrollen, um eine Einwanderung nach Frankreich zu verhindern. Im Gegensatz zu Macron, der zusammen mit der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Wiederaufbaufonds aufgrund der CoronaKrise anstieß, hält Le Pen nichts von einer gemeinsamen Finanzpolitik. Genauso wie der linke Kandidat Mélenchon bedient Le Pen das Narrativ eines übermächtigen Deutschlands, das der Eigenständigkeit Frankreichs im Wege steht.
Wie haben die Wähler in Grand Est 2017 abgestimmt
Beim ersten Wahlgang der vorigen Präsidentschaftswahl 2017 stimmten die meisten Menschen in Grand Est für Marine Le Pen ab. Mit 27 Prozent der Stimmen lag sie in dieser Region vor Emmanuel Macron (20 Prozent). Damit setzte sich Grand Est vom landesweiten Trend ab. Frankreichweit zog Macron als Erster in die Stichwahl, wenn auch nur knapp – mit 24 Prozent gegen 21 Prozent für Le Pen. Bei der Stichwahl holte Macron auch in unserer Nachbarregion die meisten Stimmen. Dennoch war sein Vorsprung auf Le Pen (57 zu 42 Prozent) nicht so groß wie im Rest des Landes. Frankreichweit wurde Macron mit 66 Prozent der Stimmen zum Präsidenten gewählt, Le Pen kam auf 33 Prozent.