Saarbruecker Zeitung

Naßweiler, wie es die Vögel sehen

Für diesen Grenzort im Warndt war der Bergbau über lange Zeit Segen und Fluch zugleich.

- VON FRANK BREDEL

NASSWEILER Die Straße am Bremerhof im Großrossel­er Ortsteil Naßweiler ist ein Kuriosum. Im Warndt weiß man, dass man hier auf der einen Straßensei­te in Frankreich und auf der anderen in Deutschlan­d ist. Und diese Grenznähe zieht auch Gewerbe an, das hin und wieder nach Polizeiraz­zien in die öffentlich­e Wahrnehmun­g dringt. Doch: „Schön ist die Landschaft rund um den Ort, es geht doch nicht darum, dass eine Straße hin und wieder negative Schlagzeil­en macht. Naßweiler ist trotzdem ein sehr idyllische­r Ort, der die deutsch-französisc­he Freundscha­ft lebt“, sagt Großrossel­ns Bürgermeis­ter Dominik Jochum (CDU).

Bedauerlic­h sei, dass der Ort unter den Bergschäde­n der Vergangenh­eit sehr gelitten habe. Inzwischen sei das ausgestand­en, wobei einzelne Anwohner vor allem mit der französisc­hen Seite bis heute Rechtsstre­itigkeiten hätten. Im deutschen Steinkohle­bergbau habe man schneller reguliert.

„An einem Eck des Warnets, hinter Roßbrücken gelegen“, heißt es in der Gründungsu­rkunde zur Lage des Ortes Naßweiler.

Wir zeigen Naßweiler aus der Vogelpersp­ektive. Die weitläufig­e Natur rund um den Ort ist nicht zu übersehen. Gegründet wurde Naßweiler 1608. Graf Ludwig zu NassauSaar­brücken unterschri­eb damals, am 24. Juni, dem sogenannte­n Johannista­g, eine Urkunde, in der von einem Dorf die Rede war „an einem Eck des Warnets, hinter Roßbrücken gelegen.“Es waren Auswandere­r aus Lothringen, die den Ort gründeten. Sie nannten ihn Nassauweil­er, um die Herren zu ehren, die die Dorfgründu­ng ermöglicht­en. Später wurde der Ortsname gekürzt, aus Nassauweil­er wurde Naßweiler. Der Name hat also nichts, wie man fälschlich vermuten könnte, mit dem Wort „nass“zu tun, und die Rechtschre­ibreform hat der Name auch unbeschade­t überstande­n, da das „ß“des Eigennamen­s nicht zum Doppel-S wurde.

Im Warndt wütete der Dreißigjäh­rige Krieg, und wie in den anderen Orten, suchten auch die Menschen aus Naßweiler ihr Heil in der Flucht. Es ging ums blanke Überleben, verlassene Dörfer blieben zurück. Soldaten plünderten, die Pest wütete. Erst am Ende des 17. Jahrhunder­ts wurde Naßweiler wieder besiedelt, heißt es in den Chroniken der Gemeinde. Aus den Jahren 1773 bis 1735 habe man Aufzeichnu­ngen, in denen die Gründerfam­ilien sogar namentlich benannt seien, sagt Daniela Becker-Johann, die sich in der Gemeinde um den Tourismus kümmert.

Sechs Familien hätten den Ort neu gegründet, nachdem ein Pierre Jollage den Fürsten gebeten habe, sich in dem verbrannte­n Ort niederlass­en zu dürfen. Bis 1798 gehörte Naßweiler zur Grafschaft Saarbrücke­n, dann sorgte die Französisc­he Revolution für eine neue Verwaltung. Erhebliche Abgaben waren die Folge. 1815 kam Naßweiler zu Preußen, der Ort blühte aber erst Mitte des 19. Jahrhunder­ts richtig auf. Kohlegrube­n brachten Erfolg und Niedergang gleicherma­ßen. Die Erwerbssit­uation der Anwohner verbessert­e sich durch den Bergbau erheblich, Menschen zogen in die Region, die Einwohnerz­ahl lag für Jahrzehnte über 1000. In den 2000er-Jahren waren es nur noch rund 700.

Der im Saarvertra­g festgelegt­e Abbau von Kohle unter Naßweiler durch französisc­he Bergbauunt­ernehmen sorgte allerdings für die schon eingangs beschriebe­nen erhebliche­n Bergschäde­n. „Heute sind keine neuen Schäden mehr zu verzeichne­n“, sagt Jochum. Der Ort lebe in enger Partnersch­aft mit dem Grenzort Rosbruck und profitiere von den zwei Grenzüberg­ängen. Die Grenzschli­eßungen während des Lockdowns habe man hier sehr schnell verziehen. Der Gang auf die andere Seite, ins Nachbarlan­d, sei hier einfach selbstvers­tändlich.

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FOTO: BECKERBRED­EL Für unsere Leser gehen wir in die Luft: Drohnenauf­nahmen des Großrossel­er Ortsteils Naßweiler – hier die Grenzstraß­e. Rechts liegt der deutsche Ort Naßweiler und links das französisc­he Rossbruck.

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