Naßweiler, wie es die Vögel sehen
Für diesen Grenzort im Warndt war der Bergbau über lange Zeit Segen und Fluch zugleich.
NASSWEILER Die Straße am Bremerhof im Großrosseler Ortsteil Naßweiler ist ein Kuriosum. Im Warndt weiß man, dass man hier auf der einen Straßenseite in Frankreich und auf der anderen in Deutschland ist. Und diese Grenznähe zieht auch Gewerbe an, das hin und wieder nach Polizeirazzien in die öffentliche Wahrnehmung dringt. Doch: „Schön ist die Landschaft rund um den Ort, es geht doch nicht darum, dass eine Straße hin und wieder negative Schlagzeilen macht. Naßweiler ist trotzdem ein sehr idyllischer Ort, der die deutsch-französische Freundschaft lebt“, sagt Großrosselns Bürgermeister Dominik Jochum (CDU).
Bedauerlich sei, dass der Ort unter den Bergschäden der Vergangenheit sehr gelitten habe. Inzwischen sei das ausgestanden, wobei einzelne Anwohner vor allem mit der französischen Seite bis heute Rechtsstreitigkeiten hätten. Im deutschen Steinkohlebergbau habe man schneller reguliert.
„An einem Eck des Warnets, hinter Roßbrücken gelegen“, heißt es in der Gründungsurkunde zur Lage des Ortes Naßweiler.
Wir zeigen Naßweiler aus der Vogelperspektive. Die weitläufige Natur rund um den Ort ist nicht zu übersehen. Gegründet wurde Naßweiler 1608. Graf Ludwig zu NassauSaarbrücken unterschrieb damals, am 24. Juni, dem sogenannten Johannistag, eine Urkunde, in der von einem Dorf die Rede war „an einem Eck des Warnets, hinter Roßbrücken gelegen.“Es waren Auswanderer aus Lothringen, die den Ort gründeten. Sie nannten ihn Nassauweiler, um die Herren zu ehren, die die Dorfgründung ermöglichten. Später wurde der Ortsname gekürzt, aus Nassauweiler wurde Naßweiler. Der Name hat also nichts, wie man fälschlich vermuten könnte, mit dem Wort „nass“zu tun, und die Rechtschreibreform hat der Name auch unbeschadet überstanden, da das „ß“des Eigennamens nicht zum Doppel-S wurde.
Im Warndt wütete der Dreißigjährige Krieg, und wie in den anderen Orten, suchten auch die Menschen aus Naßweiler ihr Heil in der Flucht. Es ging ums blanke Überleben, verlassene Dörfer blieben zurück. Soldaten plünderten, die Pest wütete. Erst am Ende des 17. Jahrhunderts wurde Naßweiler wieder besiedelt, heißt es in den Chroniken der Gemeinde. Aus den Jahren 1773 bis 1735 habe man Aufzeichnungen, in denen die Gründerfamilien sogar namentlich benannt seien, sagt Daniela Becker-Johann, die sich in der Gemeinde um den Tourismus kümmert.
Sechs Familien hätten den Ort neu gegründet, nachdem ein Pierre Jollage den Fürsten gebeten habe, sich in dem verbrannten Ort niederlassen zu dürfen. Bis 1798 gehörte Naßweiler zur Grafschaft Saarbrücken, dann sorgte die Französische Revolution für eine neue Verwaltung. Erhebliche Abgaben waren die Folge. 1815 kam Naßweiler zu Preußen, der Ort blühte aber erst Mitte des 19. Jahrhunderts richtig auf. Kohlegruben brachten Erfolg und Niedergang gleichermaßen. Die Erwerbssituation der Anwohner verbesserte sich durch den Bergbau erheblich, Menschen zogen in die Region, die Einwohnerzahl lag für Jahrzehnte über 1000. In den 2000er-Jahren waren es nur noch rund 700.
Der im Saarvertrag festgelegte Abbau von Kohle unter Naßweiler durch französische Bergbauunternehmen sorgte allerdings für die schon eingangs beschriebenen erheblichen Bergschäden. „Heute sind keine neuen Schäden mehr zu verzeichnen“, sagt Jochum. Der Ort lebe in enger Partnerschaft mit dem Grenzort Rosbruck und profitiere von den zwei Grenzübergängen. Die Grenzschließungen während des Lockdowns habe man hier sehr schnell verziehen. Der Gang auf die andere Seite, ins Nachbarland, sei hier einfach selbstverständlich.