„Ich hätte gerne weitergemacht“
Karin Ullingers Immunsystem ist nach einer schweren Krankheit angeschlagen. Deshalb verlässt sie den Friedrichsthaler Stadtrat. Der stimmte gegen eine Maskenpf licht in den Sitzungen – offenbar ohne zu wissen, dass davon Ullingers Verbleib im Rat abhängt.
FRIEDRICHSTHAL Eine schwere Krankheit hat Karin Ullinger mehr als ein Jahr lang außer Gefecht gesetzt. Aufgrund von aufwändigen Therapien und des schweren Krankheitsverlaufes war es der 65-jährigen Lokalpolitikerin ein Jahr lang nicht möglich, an Sitzungen des Friedrichsthaler Stadtrates teilzunehmen. Jetzt, wo sie wieder fit genug für die Sitzungen gewesen wäre, spielte der Stadtrat nicht mit – sagen die Grünen „Durch die vielen Medikamente ist mein Immunsystem praktisch komplett heruntergefahren. Meine Ärzte haben mir gesagt, dass ich mir aktuell keine Corona-Infektion leisten könne“, erklärt Karin Ullinger.
Horst-Hennig Jank, der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen in Friedrichsthal, reagierte und stellte bereits im Dezember einen Antrag. Damit Karin Ullinger wieder an Sitzungen des Stadtrates teilnehmen kann, forderten die Grünen eine regelmäßige 3G-Regelung im Rat und die Pflicht zum Tragen von medizinischen Schutzmasken. Sollte der Antrag abgelehnt werden, bat Horst-Hennig Jank schon im Vorfeld die Ratsmitglieder zum freiwilligen Tragen von Masken. Im Februar wurde der Punkt im Rat behandelt und der Antrag wurde mit sechs Stimmen dafür, vier Enthaltungen und 19 Gegenstimmen abgelehnt.
Die SPD sah in der Sitzung die Notwendigkeit einer Maskenpflicht nicht und begründete das damit, dass Ende März ohnehin viele Lockerungen eintreten sollen. Die CDU schloss sich den Ausführungen der SPD an. Auch die AfD sprach sich gegen die Verschärfungen aus. „Vor der Abstimmung war außerdem keine Rede davon, dass Frau Ullinger wieder an den Sitzungen teilnehmen würde, wenn wir weiter alle Maske tragen würden“, sagt Daniel Jung, der Fraktionsvorsitzende der CDU. Jörn Walter, der SPD-Fraktionsvorsitzende, bestätigt, es habe nicht zur Abstimmung gestanden, dass Ullinger weitermacht, wenn die Masken bleiben.
Friedrichtshals Bürgermeister Christian Jung (SPD) sagt: „Es war bei der Antragstellung kein Thema, dass es sich in erster Linie um Frau Ullinger handelt. Wenn wir gewusst hätten, dass es darum geht, dass Frau Ullinger an den Sitzungen teilnehmen kann, hätten wir sicher eine Lösung gefunden“, sagt Jung.
Ullinger war als parteiloses Mitglied für die Grünen im Friedrichsthaler Stadtrat. Nach der Abstimmung teilte sie Bürgermeister
Christian Jung (SPD) mit, dass sie sich nach Rücksprache mit den behandelnden Ärzten schweren Herzens zum Rücktritt entschlossen habe. Sie legte ihr Mandat nieder. „Es ist sehr schade, da ich gerne wieder weitergemacht hätte. Die Lokalpolitik hat mich schon immer sehr interessiert. Vielleicht hätte ich im Sommer schon wieder an Sitzungen ohne Masken teilnehmen können. So ist es jetzt aber vorbei“, sagt die 65-Jährige.
Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Horst-Henning Jank zollt der Entscheidung Respekt: „Wir sind alle tief betroffen davon, dass Karin Ullinger ihr Mandat niedergelegt hat. Wir haben aber jedwedes Verständnis dafür. Das Risiko einer Infektion ist für sie einfach nicht tragbar – zumal es der Stadtrat abgelehnt hat, sich auch nur auf Infektionsschutzmaßnahmen wie die 3G-Regel oder das Tragen von Masken zu verpflichten. Wir bedauern das umso mehr, als wir mit Karin Ullinger bisher vertrauensvoll und effektiv zusammengearbeitet haben. Ihre Ideen und Anregungen werden wir weiterhin gerne aufnehmen“, erklärt Jank.
Einen ähnlichen Fall gibt es im Kleinblittersdorfer Gemeinderat, bei dem ein Mitglied krankheitsbedingt und aufgrund einer Infektionsgefahr aktuell nicht an den Sitzungen teilnehmen kann. Die Fraktionen sind sich an der Oberen Saar aber einig, dass sie an diesem Zustand etwas ändern wollen. Es gibt sogar die Überlegungen, das Ratsmitglied in digitaler Form an den Sitzungen teilnehmen zu lassen. Der Rat hat den Kauf der Technik für alle Ratsmitglieder bereits beschlossen und nun sollen weitere Hürden, etwa auf der rechtlichen Seite, genommen werden. So gäbe es in Kleinblittersdorf in Zukunft die Möglichkeit, Sitzungen online abzuhalten, an denen auch Bürger beteiligt werden sollen.
Für Karin Ullinger in Friedrichsthal spielt das keine Rolle mehr. Das Mandat hat sie niedergelegt. Die Grünen mussten sich auch nach einem neuen Fraktionsmitglied umsehen – und wurden fündig. Das parteilose Ratsmitglied Nicole Hofmann (53) ist seit 2014 im Stadtrat. „Ich bin im Jahr 2020 aus der SPD ausgetreten. Mit der Arbeit und den Zielen der Grünen kann ich mich identifizieren, da ich selber im Umwelt- und Tierschutz aktiv bin. Also habe ich den Grünen zugesagt. Ich hätte es auch besser gefunden, wenn der Rat gemeinsam dafür gesorgt hätte, dass Karin Ullinger im Stadtrat bleiben kann“, sagt Nicole Hofmann.
Ausstellung:
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