Das „Weiße Haus“wich der Modernen Galerie
Nicht alles, was Saarbrücken an Schönheit verlor, ist dem Krieg geschuldet. Vieles wurde viel später abgerissen, überbaut und zerstört. Wir stellen einige der verloren gegangenen Schätze vor. Heute die Villa Rexroth, einst Wohnhaus, Bankhaus und sogar Amtssitz des Ministerpräsidenten. Ihre Geschichte gibt bis heute Rätsel auf.
ke-Perkams in ihrer Promotion „Saarländische Unternehmervillen zwischen 1830 und 1914 – unter besonderer Betrachtung der Region des Saarkohlenwaldes“, dass die Villa 1873 bis 1874 gebaut wurde und der Architekt unbekannt sei. Auch haben sich die Pläne der ursprünglichen Villa nicht erhalten, lediglich ein Übersichtsplan aus dem Jahr 1879 sei noch vorhanden, der ein Wohnhaus mit fast quadratischem Grundriss aufweist.
Über den Bauherrn der Villa, Jacob Schwarz, einen Kaufmann aus St. Johann, ist ebenfalls nichts bekannt. Auch nicht, warum er im Jahr 1898 die Villa an Friedrich Rexroth veräußerte. Friedrich Rexroth, geboren 1863, war ein Saarbrücker Ingenieur, der das „Hanns-Joachim-Haus“, eine wohltätige Einrichtung, stiftete, der aber insbesondere nicht vergessen wurde, da er im Jahr 1899 den Saarstädten Saarbrücken und St. Johann ein von dem Stuttgarter Bildhauer Professor Donndorf angefertigtes Reiterstandbild des Kaisers Wilhelm I. schenkte. Es wurde auf der Alten Brücke aufgestellt und am 14. Mai 1904 feierlich eingeweiht. Noch heute erinnert die Rexrothstraße in Kleinblittersdorf an ihn.
Rexroth lässt die Villa zwischen Dezember 1901 und Juni 1902 von dem Saarbrücker Architekten Karl Brugger grundlegend umbauen und erweitern, später auch den Bau einer neuen Terrassenanlage und eines Geräteschuppens durchführen. Auch den Wintergarten ließ er umbauen und erweitern.
Im Mai 1922 veräußert die Familie Rexroth den Besitz an das Bankhaus A. Levy & Co., die Villa wird nun zur Bank und damit erneut umgebaut, insbesondere in die Aufteilung im Inneren der Villa wurde nun massiv eingegriffen. Im Oktober 1935 wird die Villa abermals verkauft, diesmal an die Deutsche Bank & DiscontoGesellschaft in Berlin.
Ab 1949 nutzt die Regierung des Saarlandes das Anwesen als Präsidialkanzlei des saarländischen Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann. In dieser Zeit erhielt die weiß gestrichene Villa ihren Spitznamen „Weißes Haus“.
Das Äußere der Villa war herrschaftlich, sie wurde in spätklassizistischen Formen errichtet. Dem
Gebäude waren rundherum mehrere Anbauten vorgelagert, die durch verschiedene Pilaster und Säulen verziert waren. Die Geschosse wurden durch umlaufende Gesimse voneinander getrennt, hochrechteckige Fenster erhellten das Innere.
Auffällig waren die Eckanbauten zur Straße hin, sie wiesen in unterschiedlichen Ausführungen Rundbogenöffnungen auf, die seitlich von schmaleren und niedrigeren Rechtecköffnungen flankiert waren.
Miriam Bilke-Perkams schreibt in ihrer Promotion auch von einem Brief des Baurats Walter Knuspe an den Bürgermeister der Stadt Saarbrücken im Jahr 1926, in dem eine Umnutzung der Villa thematisiert wurde und der auch einige Anhaltspunkte über die Ausgestaltung des Inneren gab. So war dort durchweg von Parkettböden die Rede, von reichen Stuckdecken mit Ornamentierung und einer reich geschnitzten Haupttreppe.
Im Erdgeschoss befand sich eine durchgehende Mittelhalle mit Oberlicht. Außerdem wird ein Weinkeller erwähnt und zum Garten hin ein Wintergarten.
Schon kurz nach dem Zweiten Weltkrieg war die Villa Rexroth zuerst Sitz des Regierungspräsidiums Saar, danach der Verwaltungskommission und schließlich ab 1947 Amtssitz des Ministerpräsidenten Johannes Hoffmann und damit Sitz der Staatskanzlei. Auch das „Amt für europäische und auswärtige Angelegenheiten“war dort untergebracht.
Das herrschaftliche Wohngebäude erwies sich allerdings angesichts wachsender administrativer Aufgaben als unzureichend, und so begann das Staatliche Hochbauamt 1953 mit der Planung zum Bau eines neuen „Ministerpräsidiums und Präsidialkanzlei“am Ludwigsplatz. Im Oktober 1955 zog daher das Wirtschaftsministerium des Saarlandes in die Villa ein.
Anfang des Jahres 1962 schrieb die Regierung des Saarlandes einen Architekten-Wettbewerb für den Bau einer Modernen Galerie des Saarland-Museums aus. Als Bauplatz für die Moderne Galerie wurde das Gelände der Villa Rexroth gewählt. Im Jahr 1965 wurde daher die Villa abgerissen, trotz Protesten aus der Bevölkerung. Den Abriss begründete man mit der Baufälligkeit des Gebäudes.
Ganz verschwunden ist die Anlage der Villa Rexroth aber bis heute nicht. Denn der bereits vorhandene Park und dessen Baumbestand wurden in den Entwurf der Modernen Galerie einbezogen.
Auch die dem Fluss zugewandte Lage der Villa mag Schönecker, den Architekten der Modernen Galerie, dazu inspiriert haben, die Moderne Galerie ebenfalls zum Park und zur Saar auszurichten, mutmaßt Hanna Büdenbender sogar in einer Publikation anlässlich des 40. Jahrestags der Modernen Galerie im Jahr 2016.