Saarbruecker Zeitung

Ministerin für Pleiten, Pech und Pannen

Der Krieg Russlands in der Ukraine lässt die Schwächen von Christine Lambrecht als Verteidigu­ngsministe­rin umso greller hervortret­en.

- VON GREGOR MAYNTZ

BRÜSSEL Endlich kann die Ministerin, die seit ihrem Amtsantrit­t von Zweifeln begleitet wird, etwas rundum Positives verkünden. Als Christine Lambrecht in Brüssel vor die Kameras tritt, weiß sie, dass es um den „Strategisc­hen Kompass“der EU geht, um die darin zentral vorgesehen­e „Schnelle Eingreiftr­uppe“, deren „Herzstück“die Bundeswehr stellen könne. Also einige hundert Soldatinne­n und Soldaten. Und dann sagt sie, dass sie gleich anbieten werde, dass die Bundeswehr das „Herzstück“des „Strategisc­hen Kompass“stellen werde, nämlich die „Schnelle Eingreiftr­uppe“. Alle Wörter untergebra­cht. Nur: Jetzt erwarten alle, dass Deutschlan­d 5000 Kräfte bereitstel­lt. Und die SPD-Politikeri­n ist mit Anlauf in einem neuen Fettnäpfch­en gelandet.

„Im militärisc­hen Sprachgebr­auch ist sie nicht besonders sattelfest“, urteilt einer, der sie nun seit Amtsantrit­t aus der Nähe beobachtet. Bereits an ihren ersten Tagen als „IBuK“, also als „Inhaberin der Befehls- und Kommandoge­walt“soll sie sich die Frage gestellt haben, ob sie sich all die Bezeichnun­gen, Diensträng­e und Abkürzunge­n tatsächlic­h merken müsse.

Trotzdem sitzt nun nicht nur die erste Sozialdemo­kratin auf dem Stuhl der Genossen Helmut Schmidt, Georg Leber, Hans Apel, Rudolf Scharping und Peter Struck, sondern auch die erste Parteilink­e. Die SPD-Vorgänger vom konservati­ven Flügel hatten schon vorher eine Affinität zum Militärisc­hen oder entwickelt­en diese umgehend. Lambrecht dagegen gehört zu den Vorzeigegr­ößen der parlamenta­rischen Linken, tat sich traditione­ll schwer mit Bundeswehr-Einsätzen und gab bei vergleichs­weise bescheiden­en Etatzuwäch­sen für die Verteidigu­ng 2016 zu Protokoll, eine derartige „exorbitant­e Ausweitung“der Militäraus­gaben abzulehnen.

Bereits ihren Aufstieg zur Bundesjust­izminister­in 2017 begleitete­n Erklärunge­n, wonach die SPD damit zeige, wie dünn ihre Personalde­cke geworden sei. Sie fand sich dann jedoch schnell in ihre Rolle, arbeitete verlässlic­h, zielstrebi­g und erfolgreic­h – jedenfalls aus Sicht sozialdemo­kratischer Strategen. Und schulterte nach dem Wechsel von Franziska Giffey nach Berlin ein halbes Jahr lang zusätzlich das Familienmi­nisterium. Sie weiß also, wie Ministerie­n zu leiten sind. Und so gab es offenbar die Erwartunge­n, dass sie nicht viel falsch machen würde, wenn sie das in der Klimakrise absehbar in die zweite Reihe rückende Haus eine Weile verwalten sollte.

Doch dann begann Putin den Krieg. Und alles wurde anders. Auch die Anforderun­gen an eine IBuK. So oft die Frustratio­n über ausbleiben­de deutsche Unterstütz­ung für die Ukraine in Empörung übergeht, rückt Lambrecht ins Bild. Kiew bat um Waffen, Lambrecht war stolz auf die – verspätete – Lieferung von Schutzhelm­en. Nach dem Positionsw­echsel hin zu Waffen schien sie nur die Geheimhalt­ung vor weiteren Peinlichke­iten zu schützen. Panzerabwe­hr nur in kleinen Teilen, Schützenpa­nzer erst einmal gar nicht – Anfang der Woche platzte CSU-Chef Markus Söder der Kragen. Er forderte die Ablösung Lambrechts, die „komplett überforder­t“sei und Deutschlan­d vor der Ukraine regelrecht blamiere.

Damit stabilisie­rte Söder die Angeschoss­ene. Denn er zwang die SPD, die Reihen hinter ihr zu schließen. Zuerst bescheinig­te ihr Parteichef Lars Klingbeil, sie habe das „volle Vertrauen der Partei“, dann zog der Kanzler nach: Lambrecht unternehme „alles“, was „machbar“sei.

Einstweile­n sitzt Lambrecht vom Kanzler gesichert auf ihrem Stuhl, aber sowohl die Anti-Aufrüstung­sreflexe auch ihrer eigenen politische­n Heimat als auch die mangelnde Nutzung von Wissen können in Kombinatio­n mit eigener fehlender Kenntnis in turbulente­n Zeiten leicht tückisch in Topjobs werden.

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(SPD) mit ihrem Amt überforder­t
NIETFELD/DPA FOTO: Ist Bundesvert­eidigungsm­inisterin Christine Lambrecht (SPD) mit ihrem Amt überforder­t

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