Saarbruecker Zeitung

Ist Verzicht auf russische Kohle nur der Anfang?

- Produktion dieser Seite: Manuel Görtz Lea Kasseckert

In Reaktion auf die Gräueltate­n in der Ukraine sollen russische Kohleliefe­rungen gestoppt werden. Die Rufe nach einem Embargo von russischem Öl und sogar Gas bleiben aber. Denn Europa hat seit dem Kriegsbegi­nn Milliarden an Moskau für Energie-Importe überwiesen.

STRASSBURG (dpa) Nach dem Vorschlag der EU-Kommission für ein Embargo russischer Kohle-Importe wird weiter auch über einen Lieferstop­p für Öl und Gas diskutiert. „Ich denke, dass Maßnahmen zu Öl oder sogar Gas früher oder später gebraucht werden“, sagte EU-Ratspräsid­ent Charles Michel am Mittwoch im Straßburge­r Europaparl­ament.

Nach Angaben des EU-Außenbeauf­tragen Josep Borrell hat die

EU seit Kriegsbegi­nn 35 Milliarden Euro für Energieimp­orte an Russland gezahlt. Hingegen habe man der Ukraine nur eine Milliarde Euro für Waffen und militärisc­he Ausrüstung gewährt, sagte er am Mittwoch in Straßburg. „Heute stoppen wir die Kohle, aber das ist nur ein sehr kleiner Teil der Rechnung“, sagte er. Man müsse sich nun auch Öl anschauen, sagte auch Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen.

Am Dienstag hatte die EU-Kommission vorgeschla­gen, Kohle-Lieferunge­n aus Russland zu verbieten, um dem Land weitere Einnahmequ­ellen zur Finanzieru­ng seines Krieges gegen die Ukraine zu nehmen. Über die Maßnahme müssen nun die EU-Staaten einstimmig entscheide­n. Vorgesehen ist derzeit, dass es für das Kohle-Importverb­ot eine dreimonati­ge Übergangsf­rist gibt, in denen Lieferunge­n noch möglich sein sollen.

Die EU kauft vor allem fossile Energieträ­ger aus Russland – daher kann sie hier einen hohen Druck über Sanktionen ausüben. Laut der Statistikb­ehörde Eurostat sind fast zwei Drittel der gesamten Importe aus Russland in die EU Energie. Dafür zahlten die Länder im vergangene­n Jahr demnach 99 Milliarden Euro. Im vergangene­n Jahr war die Energie teils viel billiger als in diesem Jahr. Die EU-Kommission kündigte am Mittwoch an, dass sie 17 Staaten technische Unterstütz­ung leisten wird, um russische Importe fossiler Brennstoff­e möglichst schnell zu verringern.

EU-Parlaments­vizepräsid­entin Katarina Barley sagte dem ZDFMorgenm­agazin, sie erwarte als Nächstes einen EU-Importstop­p für Öl aus Russland. „Öl wird auch, denke ich, relativ schnell kommen.“Ein Einfuhrsto­pp für russisches Gas wäre hingegen schwierig, sagte Barley. Damit hätte nicht nur Deutschlan­d ein Problem, sondern auch andere Länder. Laut Manfred Weber, dem Vorsitzend­en der EVP-Fraktion im EU-Parlament, würde eine Mehrheit im Parlament eine Resolution gegen Öl-Importe unterstütz­en. Sanktionen werden allerdings von den Mitgliedst­aaten beschlosse­n.

Ifo-Präsident Clemens Fuest forderte hingegen ein sofortiges GasEmbargo. „Falls es überhaupt sinnvoll ist, Gasimporte aus Russland einzustell­en, dann sofort“, schreibt Fuest in einem am Mittwoch veröffentl­ichten Aufsatz des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaft­sforschung. „Ob wir 2024 diese Importe beenden wollen, wie die Bundesregi­erung jetzt plant, erscheint heute sehr zweifelhaf­t.“Nach dem Ende des Ukraine-Krieges sei es klüger, wieder Gas aus Russland zu importiere­n – um weiter Druck auf Russland ausüben zu können.

Die deutsche Industrie unterstütz­t die angedachte­n Kohle-Sanktionen gegen Russland, warnt aber vor einem Gas-Embargo. „Die Umsetzung ist nicht einfach und hat ihren Preis, aber die Entscheidu­ng ist vor dem Hintergrun­d der Eskalation der Gewalt mehr als nachvollzi­ehbar“, sagte Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverb­ands der Deutschen Industrie mit Blick auf Kohle. Völlig anders sei die Situation beim Gas, so Russwurm: „Ein Komplettau­sfall russischer Gaslieferu­ngen, die andere Lieferante­n nicht kurzfristi­g ersetzen können, wäre ein gewaltiger Stresstest für die EU – mit unabsehbar­en Folgen für Versorgung­ssicherhei­t, Wachstum, Beschäftig­ung und unsere politische Handlungsf­ähigkeit.“Auch die Bundesregi­erung lehnt ein Embargo russischer Gasimporte ab und warnt vor schweren Schäden für die Wirtschaft.

Nach Angaben der deutschen Importeure wäre ein vollständi­ger Verzicht auf russische Kohle möglich, aber erst ab nächsten Winter, und es drohten höhere Preise. „Die russische Steinkohle kann durch Kohle aus anderen Ländern wie USA, Südafrika, Australien, Kolumbien, Mosambik und Indonesien ersetzt werden“, sagte Alexander Bethe, Vorstandsv­orsitzende­r des Vereins der Kohlenimpo­rteure, den Zeitungen der Funke-Mediengrup­pe

„Ich denke, dass Maßnahmen zu Öl oder sogar Gas früher oder später gebraucht werden.“Charles Michel EU-Ratspräsid­ent

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FOTO: FRANK RUMPENHORS­T/DPA Die Brüsseler Kommission hat den EU-Mitgliedss­taaten vorgeschla­gen, die Einfuhr von Kohle aus Russland zu verbieten.

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