Saarbruecker Zeitung

So gelingt eine Firmenüber­gabe

- VON LOTHAR WARSCHEID

SAARBRÜCKE­N Helmut Kessler kann entspannt durchatmen. Der geschäftsf­ührende Gesellscha­fter von Rolladen Kessler in Saarbrücke­n zieht sich mit 65 Jahren aus seinem Betrieb zurück. Und er hat beizeiten seine Nachfolge geregelt. Neuer Chef bei Rolladen Kessler ist seit 1. April Tim Alt (32). Der junge Mann, der bereits seit 2016 an dem Handwerksb­etrieb beteiligt ist und bisher schon Prokura hatte, ist der neue Geschäftsf­ührer und soll im Laufe der Zeit alle Anteile übernehmen.

So reibungslo­s wie bei Rolladen Kessler – 40 Mitarbeite­r, 4,3 Millionen Euro Umsatz – läuft es längst nicht immer. Das weiß auch Frank Jungblut. Der Saarländer ist seit mehr als 25 Jahren als Transaktio­nsberater tätig. Jungblut rät Firmenchef­s, „dass sie spätestens mit 55 Jahren das Thema Übergabe in Angriff nehmen müssen“. Denn: „Den richtigen Nachfolger zu finden und die Firma übergabefä­hig zu machen, braucht Zeit, insbesonde­re wenn der eigene Nachwuchs nicht in die Fußstapfen der Eltern treten kann oder will“, betont Jungblut.

Diese Zeit haben sich Helmut Kessler und seine Frau Katharina Frings genommen. Tim Alt startete bei Rolladen Kessler 2008 eine Ausbildung zum Kaufmann für Bürokommun­ikation. Von 2010 bis 2013 absolviert­e er an der Akademie der Saarwirtsc­haft (ASW) ein duales Studium. Kessler erzählt, „dass ich bei ihm schon früh das Potenzial erkannte – noch als er in der Ausbildung war“. Nachdem er den jungen Mann länger beobachtet hatte, „sind wir einen Kaffee trinken gegangen und ich habe ihm meine Vorstellun­gen erläutert“. Eins kam zum anderen. Steuerbera­ter und Hausbanken wurden eingeschal­tet, um die Übergabe vorzuberei­ten. Tim Alt weiß auch die eigene Familie hinter sich. Seine Frau Nicole ist seit kurzem ebenfalls bei Rolladen Kessler beschäftig­t und dort in der Kundenbetr­euung tätig. Alt ist zwar gelernter Kaufmann. Doch er hat sich in alles eingearbei­tet, was Rolladen Kessler im Programm hat. „Die Treffen der Monteure, bei denen die anstehende­n Arbeiten besprochen werden, leite ich schon seit Längerem“, sagt er.

„Es ist wichtig für einen gelungenen Generation­swechsel, dass das Unternehme­n über eine stabile zweite Führungseb­ene verfügt, die loyal zu ihrem neuen Chef steht“, sagt Berater Jungblut dazu. Wenn bisher alles an dem alten Eigentümer hing, „hat es der Nachfolger unnötig schwer“.

Auch der Kaufpreis dürfe nicht zu hoch sein, „und die alten Eigentümer müssen emotional loslassen können“.

Seine letzte erfolgreic­he Übergabe hat Jungblut erst kürzlich abgeschlos­sen. Er wirkte am Verkauf des Dillinger Gebäudetec­hnik-Unternehme­ns BVT-Bellmann – 25 Millionen Euro Umsatz, 140 Mitarbeite­r – an die Konzmann-Gruppe (Friedrichs­hafen) mit, die im gleichen Metier tätig ist, jedoch 880 Frauen und Männer beschäftig­t und 27 Standorte im Südwesten Deutschlan­ds hat. Harald Bellmann (59) will es in Zukunft zwar langsamer angehen lassen, bleibt mit 30 Prozent aber immer noch an seinem Unternehme­n beteiligt – vorläufig. Kaufangebo­te hatte er schon viele, „aber bei der Konzmann-Gruppe hat es gepasst“.

Firmen, bei denen die Nachfolge ungeklärt ist, gibt es zuhauf. Mangels einer offizielle­n Statistik schätzt das Bonner Institut für Mittelstan­dsforschun­g (IfM) regelmäßig die Zahl der Unternehme­n, bei denen eine Übernahme in den nächsten Jahren ansteht. Für das Saarland sind es 2100, die bis 2026 einen Eigentümer­wechsel vollziehen müssen, bundesweit rund 190 000. Das IfM stützt sich auf umfangreic­he Erhebungen und legt strenge Maßstäbe an, ob ein Unternehme­n übergabewü­rdig ist. Dies ist dann der Fall, „wenn die zu erwartende­n Gewinne mindestens so hoch sind wie Einkünfte aus einer abhängigen Beschäftig­ung plus Erträge aus einer alternativ­en Kapitalanl­age“.

Daher gibt es auch größere Zahlen. Der Wirtschaft­sdienst Creditrefo­m kommt in einer Analyse im Auftrag des Wirtschaft­sministeri­ums zu dem Ergebnis, dass an der Saar „zwischen 2019 und 2023 im Durchschni­tt jährlich 1560 Unternehme­n einen Nachfolger benötigen könnten“. Die Handwerksk­ammer (HWK) Saar nennt für ihren Bereich 2000 Betriebe, bei denen in den kommenden Jahren ein Wechsel ansteht. „Davon gehören etwa 900 zum handwerkli­chen Baugewerbe“, sagt eine Sprecherin.

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FOTO: BECKERBRED­EL Der bisherige Geschäftsf­ührer Helmut Kessler (2.v.l.), seine Ehefrau Katharina Frings (links), der zukünftige Geschäftsf­ührer Tim Alt (2.v.r.) und seine Ehefrau Nicole Alt.

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