Mexikos Präsident lässt sich im Amt bestätigen
Weniger als jeder fünfte wahlberechtigte Mexikaner hat sich die Mühe gemacht, über eine Amtsenthebung von Andrés Manuel López Obrador abzustimmen.
MEXIKO-STADT Am Ende kam es genau so, wie es Freund und Feind vermutet hatten. Andrés Manuel López Obrador, Mexikos populärer Präsident, entschied am Sonntag ein hochumstrittenes Abberufungsreferendum für sich, das er selbst inszeniert und gefordert hatte. Während die Opposition die Abstimmung boykottierte, machten die Regierungspartei Morena, der links-autokratische Präsident selbst und Unterstützergruppen aus der Zivilgesellschaft massiv Werbung für die Volksbefragung. Dabei wurden auch ohne Scham politische Ämter für parteipolitische Zwecke missbraucht.
Am Ende stimmten knapp 18 Millionen Mexikaner ab, was rund 18 Prozent Wahlbeteiligung entspricht. 15,5 Millionen – also rund 90 Prozent – votierten dafür, dass der „AMLO“genannte Präsident auch noch die zweite Hälfte seines sechsjährigen Mandats amtieren darf. 1,3 Millionen stimmten dagegen. Allerdings entfaltet das Referendum keinerlei bindende Wirkung. Dafür wäre eine mehr als doppelt so hohe Wahlbeteiligung vonnöten gewesen.
Während sich der 68-jährige Präsident so einen „Popularitäts-Booster“sicherte, sind die Institutionen wie der Wahlrat INE und die Opposition noch zerstrittener mit ihm und seiner Partei. Tatsächlich muss man sich fragen, wofür das Referendum gut war. Es hat umgerechnet viele Millionen Euro gekostet, die wesentlich besser in Themen wie Armutsbekämpfung oder Sozialprogramme hätten gesteckt werden können.
So ein Referendum sollte ein Mechanismus zur Kontrolle der Macht durch die Bürger sein, sagt der Analyst Carlos Bravo Regidor. „Aber AMLO hat es zu einem Propaganda-Instrument gemacht.“Die Regierungspartei hätte die 2019 in die Verfassung geschriebene Befragung zu einer „Demonstration von Stärke, Kraft und Mobilisierungskapazität“genutzt.
Edgardo Buscaglia von der New Yorker Columbia-Universität hält die Volksbefragung für einen weiteren Schritt hin zur Autokratie in Mexiko. „Es ging nur um den Präsidenten und seine Person, aber nicht um eine umfassende Evaluierung seiner Regierungsarbeit“, kritisiert der Mexiko-Kenner und Experte für Organisierte Kriminalität. Dieses Referendum habe noch einmal bestätigt, dass López Obrador ein „autoritärer Demagoge“sei.
Claudia Sheinbaum, Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt und treue Parteigängerin des Präsidenten, feierte das Referendum hingegen als „Triumph der partizipativen Demokratie und der Unterstützung des Volkes für den Staatschef“. An Mexikos Demokratie „soll sich die Welt ein Beispiel nehmen“, forderte die Politikerin.
Das Referendum hat am Sonntag zwei Dinge bestätigt. Zum einen, dass der Linkspräsident auch nach der Wahl vom Sommer 2018 noch seine Wähler in der gleichen Weise mobilisieren kann. Zum anderen lässt es ahnen, dass die demokratischen Spielräume in dem zweitgrößten Land Lateinamerikas noch kleiner werden. Staatliche Institutionen und politische Widersacher hatte der Autokrat schon bisher als angebliche „Feinde der Demokratie“ausgemacht.
Die Volksbefragung und der Streit darüber haben in den Schatten gestellt, dass López Obrador bisher die meisten Versprechen aus dem Wahlkampf noch nicht eingelöst hat. Die steigende Gewalt hat er ebenso wenig reduzieren können, wie er die Macht der Drogenkartelle brechen konnte. Die versprochenen Millionen neuen Arbeitsplätze sind ebenso eine Utopie wie das Wirtschaftswachstum von jährlich vier Prozent.
Weder ist die Korruption spürbar bekämpft, noch die Organisierte Kriminalität annähernd eingehegt. Zudem werden die Zivilgesellschaft und Menschenrechtsorganisationen drangsaliert, und in den ersten drei Monaten des Jahres wurden so viele Journalisten ermordet wie nie.