Ein Türke wird zum Sympathieträger
Entgegen allen anderslautenden Lippenbekenntnissen herrschte zwischen der Stadt Völklingen und dem Weltkulturerbe Völklinger Hütte lange Zeit ein Wackelkontakt. Gemeinsame Kultur- oder Werbe-Projekte waren rar, und 2018 scheiterte sogar eine wahrlich elektrisierende Idee, die im Zuge des Festivals Urban Art aufgekommen war: An einer Völklinger Hauswand sollte das RiesenGraffito eines Arbeiters entstehen. Passgenauer zu Profil und Identität einer Stadt geht‘s kaum, doch die SPD-Rathaus-Spitze fiel letztlich nur durch Nichtstun und Schweigen auf. Wird nun alles anders?
Auf einer Fabrikhallen-Fassade entsteht gerade das Gesicht eines ehemaligen Saarstahl-Arbeiters. Das ist emotional berührende, Bildungsbarrieren-freie Kunst für alle, die Besucher vor die Tore des Weltkulturerbes locken könnte. Voraussetzung: Sie erfahren davon und die Stadt baut das Angebot aus. Ob das wohl klappt?
Unabhängig davon könnte das Kunstwerk einen Diskurs in Gang bringen, der in Völklingen nie offensiv geführt wurde: die massive Prägung durch zugewanderte Bürger. Denn es ist ein Türke, der hier als Symbolfigur für die Saar-Arbeiterschaft auftritt, als Sympathieträger. Das wird nicht jedem gefallen. Genau deshalb ist dieses Projekt so wichtig. Es stellt sich nur auf den ersten Blick pflichtschuldig in den Dienst politischer IntegrationsKorrektheit, doch zu allererst steht dieses Motiv für Wahrhaftigkeit. Völklingen wurde einst nur durch Mithilfe türkischer und italienischer Arbeiter ökonomisch stark – und es ist heute eben ihre Stadt.
Klar wird auch, dass unsere Vorstellung von der „saarländischen“Arbeiter-Kultur noch aus den Nachkriegsjahren datiert, mitunter Folklore und Verklärung ist. Wer das bisher übersehen wollte, hat nun was zu kauen. Denn das Gesicht von Kaya Urhan formuliert einen Appell: Schaut hin, redet darüber.