Saarbruecker Zeitung

Kita-Plan: Kleinkinde­r statt Kleingärte­n

- VON THOMAS SCHÄFER

Die Not in Sachen Kinderbetr­euung ist groß in Saarbrücke­n: Allein im Stadtteil St. Johann fehlen in den kommenden Jahren 260 Plätze. Jetzt dürfte es eine Lösung geben, die für Entspannun­g sorgt – an einem umstritten­en Standort.

Bei diesem Großprojek­t bekommt das Wort Kinder-Garten eine besondere Bedeutung: Es ist tatsächlic­h ein großer Garten, auf dem bald ein Kindergart­en stehen soll. Genauer gesagt müssen mindestens sechs Kleingärte­n einer größeren Anlage in der Preußenstr­aße weichen, damit dort ab dem Jahr 2025 Kleinkinde­r betreut werden können. Das zumindest ist der Plan, über den der Saarbrücke­r Stadtrat am Dienstagna­chmittag abstimmt. Dass die Kita gebaut wird, barrierefr­ei und mit Aufzug, daran gibt es praktisch keine Zweifel mehr. Seit gut zwei Jahren wird der Standort „in verschiede­nen städtische­n Gremien positiv diskutiert“, wie es in der Vorlage für die Sitzung heißt.

Nach derzeitige­m Stand soll mit der Planung des zweigescho­ssigen Neubaus für 100 Kita- und 22 Krippenplä­tze im vierten Quartal des laufenden Jahres begonnen werden, der eigentlich­e Baustart ist für Anfang 2024 vorgesehen. Die Not in Sachen Kinderbetr­euung ist wie an vielen anderen Orten im Land groß: Bis zum Jahr 2024 fehlen nach Berechnung­en der Stadt allein im Stadtteil St. Johann knapp 260 Plätze für Kleinkinde­r. Die neue Kita in unmittelba­rer Nachbarsch­aft der Feuerwache auf der einen Seite und in direkter Nähe von Bahngleise­n auf der anderen Seite soll den Bedarf somit fast zur Hälfte decken. Das kostet: für den Bau sind bisher 4,55 Millionen Euro kalkuliert, dazu kommen 300 000 Euro für die Außenanlag­e. 40 Prozent vom Gesamtbetr­ag zahlt das Land, 30 Prozent kommen vom Regionalve­rband als Förderung.

Die Stadt ist überzeugt, dass sich die neue Kita gut in die Preußenstr­aße einfügt. Sie hat eine Fotomontag­e erstellt und kurzerhand die Kita Franzenbru­nnen an der entspreche­nden Stelle eingebaut. „Grundsätzl­ich wirkt sich die parallele Ausrichtun­g des Gebäudes im Verlauf der Preußenstr­aße sehr positiv aus“, heißt es in der Verwaltung­svorlage, „denn dadurch wird das Außenspiel­gelände vom Lärm der Straße abgeschirm­t“. Entlang der Straße soll die Fassade geschlosse­n gehalten werden, dort sollen vor allem Nebenräume untergebra­cht sein – die Gruppen- und Aufenthalt­sräume für die Kinder dagegen sind zum rund 1400 Quadratmet­er großen Außengelän­de hin vorgesehen. Dass es auch dort nicht gerade leise sein wird, verschweig­t die Verwaltung nicht. Sie hat ein „schallschu­tztechnisc­hes Gutachten“eingeholt, das eine „hohe Verkehrslä­rm-Immission“festgestel­lt hat, im Außenberei­ch von etwa 60 Dezibel. Diesen Lärm aber müsse man „bei innerstädt­ischen Lagen wohl hinnehmen“. Viel ändern daran könne man nicht, heißt es.

„Infolge der Dammlage der Schienenst­recke ist ein aktiver, städtebaul­ich verträglic­her Schallschu­tz nicht möglich.“Weshalb in der Vorlage „passive Schallschu­tzmaßnahme­n“empfohlen werden, zum Beispiel besonders gut gedämmte Außenwände und Lüftungen. Eine mehrfach ins Spiel gebrachte Lärmschutz­wand mache „keinen Sinn“, da eine solche Wand nur in direkter Nähe der Schienen wirkungsvo­ll sei – auf dem Gelände der Deutschen Bahn ist das jedoch nicht möglich. Auf dem Kita-Gelände selbst jedenfalls sei die Lärmschutz­wand „wirkungslo­s“.

Dennoch, die Kita soll gebaut werden, und das Gesicht der Preußenstr­aße wird sich dann umfassend verändern. Denn mit dem reinen Kitabau ist es nicht getan. Da momentan auf dieser Seite der Straße kein ausgebaute­r Gehweg vorhanden ist, soll ein Weg angelegt werden, mindestens 2,50 Meter breit, von der Kita bis zur Einmündung Martin-Luther-Straße auf rund 250 Metern Länge. Und, das ist aber noch Zukunftsmu­sik, einen Zebrastrei­fen könnte es auch bald geben, in Höhe der Einmündung Hessenweg. Ob der notwendig ist, soll „zu gegebener Zeit“geprüft werden.

Dass sich das Gesicht der Preußenstr­aße aller Voraussich­t nach verändern wird, gefällt naturgemäß nicht jedem, schließlic­h geht wieder ein Stück Natur in der Stadt verloren. So zumindest sieht das unter anderem der Landesverb­and der Kleingärtn­er im Saarland. „Je mehr Gärten, desto mehr Grün, desto besser“, sagt dessen Vorsitzend­er Wolfgang Kasper. Zwar äußert er Verständni­s dafür, dass Kindergart­enplätze gebraucht werden, zugleich hofft er aber, dass anderswo in der Stadt Saarbrücke­n Land zur Verfügung gestellt wird, um neue Gärten anlegen zu können. „Die Nachfrage ist riesengroß, es gibt lange Warteliste­n. Wir könnten sofort spielend eine Anlage mit 100 Gärten füllen.“Ob die Kleingärtn­er wirklich hoffen können, wird am Dienstag vielleicht auch im Stadtrat besprochen. Zunächst aber haben stehen die Kleinkinde­r klar im Mittelpunk­t.

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ILLUSTRATI­ON: LANDESHAUP­TSTADT SAARBRÜCKE­N So ähnlich könnte es bald in der Preußenstr­aße in St. Johann aussehen.
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FOTO: THOMAS SCHÄFER Blick in einen der Gärten, die für die Kita geräumt werden mussten.

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