Saarbruecker Zeitung

Was Lernpaten die Arbeit erschwert

23 freiwillig­e und ehrenamtli­che Lernpaten stehen bei der Landesarbe­itsgemeins­chaft Pro Ehrenamt bereit, um ukrainisch­en Schülern beim Deutschler­nen zu helfen. Doch LAG-Ehrenpräsi­dent Hans Joachim Müller beklagt Hinderniss­e in der Saarbrücke­r Stadtverwa­lt

- VON DIETMAR KLOSTERMAN­N

SAARBRÜCKE­N Binnen kurzer Zeit haben sich 23 Freiwillig­e bei der Landesarbe­itsgemeins­chaft (LAG) Pro Ehrenamt gemeldet, um als Lernpaten an Grundschul­en vor dem Krieg geflüchtet­en ukrainisch­en Kindern beim Deutschler­nen zu helfen. „Das Echo auf unseren Aufruf ist überwältig­end, 23 Personen haben sich gemeldet, elf Schulen haben die Hilfe bei uns angeforder­t“, sagt Hans Joachim Müller, LAG-Ehrenpräsi­dent und Koordinato­r des Lernpaten-Programms.

Bereits in dieser Woche kurz vor den Osterferie­n seien die ersten Lernpaten im Einsatz, berichtet Müller. Immer mehr ukrainisch­e Kinder kämen jetzt in die saarländis­chen Schulen und sollten dort ins Schulsyste­m integriert werden. „Das ist nicht so einfach, weil oft keine oder nur geringe Deutschken­ntnisse vorhanden sind, der Unterricht aber normal weiterlauf­en muss. Die Lehrer sind auf Unterstütz­ung im Vormittags­unterricht oder am Nachmittag angewiesen“, betont Müller die Notwendigk­eit des Einsatzes der Ehrenamtle­r, darunter auch Lehrerinne­n und Lehrer im Ruhestand.

„Wir bieten dazu entspreche­ndes Lernmateri­al an. Die Personen erhalten von uns Informatio­nen und Hilfen für den Umgang mit den Eltern und Kindern“, sagt Müller, der die LAG mehr als 25 Jahre leitete und im vergangene­n Jahr die Präsidents­chaft abgab.

Seitdem ist der Illinger Bürgermeis­ter Armin König (bunt.saar) Chef von rund 100 000 Ehrenamtle­rn im Saarland. „Die Anfragen der Schulen kommen jetzt täglich bei uns an, ob Grundschul­e oder weiterführ­ende Schule“, erklärt Müller. „Wir bilden dazu kleine Lerngruppe­n, etwa in der Grundschul­e Holz mit Frau K. oder in der Südschule in St. Ingbert mit Frau H. oder in der Vogelsangs­chule in Saarlouis mit Frau W.“, so Müller zur Praxis der Arbeit mit den ukrainisch­en Kindern und Jugendlich­en. Die Kinder sollten nicht nur die Sprache kennenlern­en, sie sollen auch spielen und gestalten, basteln, Musik machen, toben, in der Gemeinscha­ft zusammenst­ehen. Denn viele der Kinder sind traumatisi­ert und brauchen auch einen seelischen Ausgleich zu den Gedanken an den Krieg in der Heimat. „Wir gehen von etwa 15 bis 20 Lerngruppe­n im Saarland aus, die wir installier­en wollen“, sagt Müller. Die Lernpaten erhielten eine kleine Aufwandsen­tschädigun­g, pro Tag zehn Euro, die Fahrtkoste­n zu den Schulen würden von der LAG übernommen. In Saarbrücke­n seien schon Lernpaten für die Ganztagsgr­undschule Rastpfuhl, die Grundschul­e Rastpfuhl, die Eschberggr­undschule und die Ostgrundsc­hule aktiv.

Doch es gebe in Saarbrücke­n auch Hinderniss­e, die von der Stadtverwa­ltung den Lernpaten in den Weg gelegt würden. „Da wiehert mal wieder der Amtsschimm­el: Einmal ist es nicht so einfach, einen Termin für die Beantragun­g zu erhalten, anderersei­ts werden die Ehrenamtle­r aufgeforde­rt, 13 Euro Gebühr zu bezahlen, obwohl nachweisli­ch die Erstellung des Erweiterte­n Führungsze­ugnisses für Ehrenamtle­r kostenfrei sein muss. Die Ehrenamtle­r sind von diesen Stolperste­inen einigermaß­en genervt“, sagt Müller.

Die SZ wollte von der Stadt wissen, warum dort so gehandelt wird. Sprecher Thomas Blug sagt: „Das zivilgesel­lschaftlic­he Engagement und die Hilfestell­ung für die Menschen, die aus der Ukraine flüchten und nach Saarbrücke­n kommen, ist ein wichtiger Aspekt, um den Geflüchtet­en die Ankunft und das Leben in der neuen Stadt zu erleichter­n. Wir begrüßen es daher, dass die Ehrenamtli­chen die Kinder aus der Ukraine nach ihrer Flucht unterstütz­en möchten.“Wie der Sprecher von Oberbürger­meister Uwe Conradt (CDU) weiter ausführt, erhielten Personen, die ehrenamtli­ch tätig sind und dafür ein Führungsze­ugnis benötigen, dieses gebührenfr­ei, wenn sie beim Stellen des Antrags einen Nachweis vorlegten. „Das hat das Bundesamt für Justiz festgelegt und das ist bei Institutio­nen, Vereinen und Verbänden wie der LAG Pro Ehrenamt bekannt“, meint Blug.

Die Anträge auf Führungsze­ugnisse würden beim Bundesamt für Justiz bearbeitet. „Das dauert in der Regel zehn bis 14 Tage, das Bürgeramt hat darauf keinen Einfluss“, betont Blug. Für schnell zu erledigend­e Anliegen wie Führungsze­ugnisse oder das Abmelden eines Fahrzeugs hätten die Bürgerämte­r Schnellsch­alter eingericht­et. An diesen Schnellsch­altern sei die Terminsitu­ation derzeit günstig, sodass man kurzfristi­g einen Termin buchen könne.

Blug widerspric­ht also der Kritik Müllers am „Amtsschimm­el“in den Saarbrücke­r Bürgerämte­rn. Ob also nicht alle Bedienstet­e der Stadt vom kostenfrei­en erweiterte­n Führungsze­ugnis für Ehrenamtle­r wissen, oder ob die Lernpaten-Aspiranten nicht die erforderli­chen Nachweise vorlegten, ist dabei zunächst unklar.

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FOTO: DIETMAR KLOSTERMAN­N/SCREENSHOT LAG PRO EHRENAMT Ein hoffnungsf­roher Beginn: Lernpaten bringen ukrainisch­en Kindern auch mit diesen anschaulic­hen Illustrati­onen Deutsch bei.
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FOTO: OLIVER DIETZE Hans Joachim Müller koordinier­t das Lernpaten-Programm.

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