Ein beeindruckendes Vierer-Ensemble
Wer mit dem Wagen auf der Autobahn A 623 zwischen Saarbrücken und Friedrichsthal fährt, dem bietet sich an manchen Stellen ein Blick auf eine geballte Ladung saarländischer Geschichte.
QUIERSCHIED Kurz nachdem auf der A 623 der ADAC-Verkehrsübungsplatz passiert ist und die Ausfahrt Sulzbach naht, sieht man links am Horizont vier beeindruckende Gebäude nebeneinander. In dieser Jahreszeit, in der die Natur gerade erst zu blühen beginnt, sieht man den Kühlturm des Kraftwerkes Weiher III in Quierschied, die RauchgasEntschwefelungsanlage des Kraftwerkes Weiher III, den Kamin des Kraftwerkes und das Fördergerüst Göttelborn IV des Bergwerks Göttelborn (später: Verbundbergwerk Göttelborn/Reden) besonders gut.
Vier Bauwerke, die es mit Blick auf die saarländische Geschichte in sich haben. Eine Geschichte, die im Übrigen so einzigartig ist wie der Blick.
Denn das Vierer-Ensemble genau so sehen zu können, funktioniert nur von der Autobahn aus oder genau in der Flucht Richtung Ensemble. Fährt man auf der Autobahn nur wenige hundert Meter weiter, verschiebt sich die Ansicht so sehr, dass das Fördergerüst in Göttelborn, der sogenannte weiße Riese, kaum noch zu sehen ist. Auf der Suche nach dem perfekten Fotoplatz für die vier Kameraden in Quierschied und Göttelborn muss man sich also genau entlang der Fluchtlinie bewegen. Und siehe da, es gibt den perfekten Ort – beziehungsweise gleich drei Orte: am Ende der Sackgassen in Quierschied, im Akazienweg, im Platanenweg und im Erlenweg.
Während es für die Anwohner das Normalste der Welt ist, sind Menschen von außerhalb begeistert von der Kulisse. Von dort aus hat es aufgrund der Perspektive den Eindruck, als stünde der weiße Riese in Göttelborn direkt neben dem
Kraftwerk Weiher in Quierschied, was natürlich nicht so ist. Der 87 Meter hohe Förderturm der Grube Göttelborn gilt als der mächtigste seiner Art und ist mittlerweile sogar eine Touristenattraktion geworden. Von April bis Oktober besteht die Möglichkeit, auf die dortige Aussichtsplattform hinauf zu fahren, um dann aus einer Höhe von 74 Metern über die gesamte Umgebung blicken zu können. Unmittelbar neben dem Weißen Riesen ist die Halde der Grube Göttelborn. Auch die Halde ist mittlerweile ein sehr beliebtes Ziel für Spaziergänger, Freizeitsportler und Fotografen.
Das frühere Bergwerk Göttelborn war eine der wichtigsten Steinkohlegruben im Saarland. Ihre Eröffnung erfolgte im Jahr 1887. Bis zu ihrer Stilllegung im September 2000 wurde die Mine um mehrere Stollen ausgebaut. Noch heute gilt sie als ein einzigartiges Zeugnis aus der Zeit des Steinkohleabbaus. Das Areal ist für die Allgemeinheit zugänglich.
Ebenso einzigartig ist die Geschichte der anderen drei Bauwerke am Kraftwerk Weiher. Die Informationen wurden vom saarländischen Bergbau-Experten Delf Slotta beigesteuert. Im Jahr 1914 wurde von der Königlich-Preußischen Verwaltung beschlossen, neben der Gas-Maschinenzentrale in Heinitz und dem Dampfkraftwerk in Luisenthal ein weiteres Kraftwerk zu errichten. Der Erste Weltkrieg verzögerte aber den Bau, obwohl schon eine Baustelle eingerichtet wurde. Im Januar 1918 nahm das Kraftwerk, das sich in unmittelbarer Nähe zur Grube Göttelborn befand, seinen Betrieb auf. Zu dieser Zeit betrug die Leistung fünf Megawatt, erst 1922 konnte die Leistung auf 22 Megawatt erhöht werden. In den 1930er Jahren sollte Weiher I errichtet werden, doch auch hier kam es zu Verzögerungen, diesmal durch den Zweiten Weltkrieg. Durch zahlreiche Einberufungen und Lieferstopps konnte erst am 15. August 1944 die Leistung um 25 Megawatt erhöht werden. Als das Saarland unter französische Verwaltung fiel, war das Kraftwerk erst zur Hälfte fertiggestellt. Im Januar 1951 wurde Weiher I in Betrieb genommen und lieferte ab März 114 Megawatt. 1963 und 1964 wurde Weiher II in Betrieb genommen. Das Kraftwerk hatte zwei Blockeinheiten (A und B), die je 150 Megawatt lieferten. Es war mit einem Elektrofilter und mit Schmelzkammerkesseln ausgestattet. Das Kraftwerk erreichte einen Entschwefelungsgrad von 95 Prozent. Die Rauchgas-Entschwefelungsanlage war bei Inbetriebnahme die größte in ganz Europa. Weiher III wurde 1976 nach dreijähriger Bauzeit in Betrieb genommen und war das größte Bauvorhaben der Saarbergwerke AG. Nachdem das Kraftwerk im Jahr 2020 insgesamt 21 Mal zur Stabilisierung des Stromnetzes angefordert worden war, meldete der Betreiber STEAG GmbH am 2. Februar 2021 die endgültige Stilllegung des Kraftwerks bei der Bundesnetzagentur an.
Das frühere Bergwerk Göttelborn war eine der wichtigsten Steinkohlegruben im Saarland.