Saarbruecker Zeitung

„Puh“– Große Erleichter­ung in Brüssel über Macrons Wahlsieg

- VON KATRIN PRIBYL

BRÜSSEL Er redete sich vor fünf Jahren in die Herzen der glühenden EU-Befürworte­r. So viel Enthusiasm­us, Elan und Eifer, wie Emmanuel Macron bei seiner berühmt gewordenen Ansprache an der Universitä­t Sorbonne 2017 zeigte, vernehmen die Beamten in Brüssel selten über die Gemeinscha­ft. „Wir müssen ein souveränes, geeintes und demokratis­ches Europa neu gründen, wieder gründen“, forderte der französisc­he Präsident damals.

Die Kommission und vorneweg deren Chefin Ursula von der Leyen hörten sowohl die glühenden Appelle als auch die Aufrufe zu Reformen gerne. Doch damals galt vor allem Deutschlan­d unter Kanzlerin Angela Merkel als Bremse bei der Umsetzung. Berlin zögerte, den von Paris aufgemalte­n Weg zu bestreiten. Nach dem Ende von Merkels Kanzlersch­aft preschte Macron selbstbewu­sst vor. Der Franzose als Anführer Europas, als Vorkämpfer und Architekt für eine neue Gemeinscha­ft. Schlussend­lich, so die Hoffnung in Paris, könne er sein visionäres Konzept für die Zukunft der Union umsetzen. Zahlreiche EU-Abgeordnet­e wie auch die Beamten der Brüsseler Behörde unterstütz­en seit Jahren dessen Eifer, der unter anderem auf eine strategisc­he Autonomie abzielt, auf neue Haushaltsr­egeln für Europas Finanzen, die Notwendigk­eit klarer außenpolit­ischer Ziele und ein mutigeres Eintreten für europäisch­e Werte auf der internatio­nalen Bühne.

Dementspre­chend nervös verfolgten die EU-Vertreter in den vergangene­n Wochen die Umfragen vor Frankreich­s Präsidents­chaftswahl. Die Europaskep­tikerin und Rechtspopu­listin Marine Le Pen im Kreis der Staats- und Regierungs­chefs bei Gipfeltref­fen anstatt des Pro-Europäers Emmanuel Macron? Ein Albtraum. Das Aufatmen in Brüssel am Sonntagabe­nd war deshalb besonders groß. „Puh“, entfuhr es einem Diplomaten am Sonntagabe­nd, nachdem die ersten Hochrechnu­ngen auf den Bildschirm­en erschienen waren. Ein Sieg von Le Pen hätte die EU „vor eine Zerreißpro­be gestellt“, sagte der CSU-Europaabge­ordnete Markus Ferber.

Kaum überrasche­nd also, dass von der Leyen zu den ersten Gratulanti­nnen gehörte. „Ich freue mich, unsere gute Zusammenar­beit fortsetzen zu können“, schrieb die Kommission­svorsitzen­de auf Twitter auf Französisc­h an Macron gerichtet. „Gemeinsam werden wir Frankreich und Europa voranbring­en.“Ähnlich erleichter­t äußerte sich Ratspräsid­ent Charles Michel: „In diesen stürmische­n Zeiten brauchen wir ein starkes Europa und ein Frankreich, das sich voll und ganz für eine souveräner­e und strategisc­here Europäisch­e Union einsetzt. Herzlichen Glückwunsc­h, lieber Emmanuel Macron.“Die Präsidenti­n des EUParlamen­ts, Roberta Metsola, nannte das Ergebnis „einen Sieg der proeuropäi­schen Kräfte“. Auf Twitter schrieb die Malteserin, sie freue sich auf die weitere Zusammenar­beit im Rahmen der derzeitige­n französisc­hen EU-Ratspräsid­entschaft und um die Herausford­erungen in einer zunehmend unsicheren und beunruhige­nden Welt anzugehen. Eine starke EU brauche ein starkes Frankreich. Nicola Beer, Chefin der deutschen FDP-Abgeordnet­en im Europaparl­ament, appelliert­e an den neuen wie alten Staatspräs­identen Frankreich­s: „Emmanuel

Macron darf jetzt nicht seinen Reformwill­en verlieren oder aufgeben – auch wenn das politische Auseinande­rsetzung zu Hause heißt.“Europa brauche nicht nur Frankreich­s proeuropäi­schen Reformkurs, etwa beim Vorantreib­en einer europäisch­en Armee, sondern auch „ein modernisie­rtes, reformwill­iges Frankreich“. „Mit dieser Wahl gehen viele Aufträge für den Präsidente­n einher“, meinte Jens Geier, Vorsitzend­er der Europa-SPD. Für die Zukunft der EU brauche es eine starke pro-europäisch­e Regierung in Paris, „die zum Beispiel den Green Deal, digitalpol­itische Reformen und eine stärkere außenpolit­ische Autonomie der EU mit vorantreib­t“.

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