„Puh“– Große Erleichterung in Brüssel über Macrons Wahlsieg
BRÜSSEL Er redete sich vor fünf Jahren in die Herzen der glühenden EU-Befürworter. So viel Enthusiasmus, Elan und Eifer, wie Emmanuel Macron bei seiner berühmt gewordenen Ansprache an der Universität Sorbonne 2017 zeigte, vernehmen die Beamten in Brüssel selten über die Gemeinschaft. „Wir müssen ein souveränes, geeintes und demokratisches Europa neu gründen, wieder gründen“, forderte der französische Präsident damals.
Die Kommission und vorneweg deren Chefin Ursula von der Leyen hörten sowohl die glühenden Appelle als auch die Aufrufe zu Reformen gerne. Doch damals galt vor allem Deutschland unter Kanzlerin Angela Merkel als Bremse bei der Umsetzung. Berlin zögerte, den von Paris aufgemalten Weg zu bestreiten. Nach dem Ende von Merkels Kanzlerschaft preschte Macron selbstbewusst vor. Der Franzose als Anführer Europas, als Vorkämpfer und Architekt für eine neue Gemeinschaft. Schlussendlich, so die Hoffnung in Paris, könne er sein visionäres Konzept für die Zukunft der Union umsetzen. Zahlreiche EU-Abgeordnete wie auch die Beamten der Brüsseler Behörde unterstützen seit Jahren dessen Eifer, der unter anderem auf eine strategische Autonomie abzielt, auf neue Haushaltsregeln für Europas Finanzen, die Notwendigkeit klarer außenpolitischer Ziele und ein mutigeres Eintreten für europäische Werte auf der internationalen Bühne.
Dementsprechend nervös verfolgten die EU-Vertreter in den vergangenen Wochen die Umfragen vor Frankreichs Präsidentschaftswahl. Die Europaskeptikerin und Rechtspopulistin Marine Le Pen im Kreis der Staats- und Regierungschefs bei Gipfeltreffen anstatt des Pro-Europäers Emmanuel Macron? Ein Albtraum. Das Aufatmen in Brüssel am Sonntagabend war deshalb besonders groß. „Puh“, entfuhr es einem Diplomaten am Sonntagabend, nachdem die ersten Hochrechnungen auf den Bildschirmen erschienen waren. Ein Sieg von Le Pen hätte die EU „vor eine Zerreißprobe gestellt“, sagte der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber.
Kaum überraschend also, dass von der Leyen zu den ersten Gratulantinnen gehörte. „Ich freue mich, unsere gute Zusammenarbeit fortsetzen zu können“, schrieb die Kommissionsvorsitzende auf Twitter auf Französisch an Macron gerichtet. „Gemeinsam werden wir Frankreich und Europa voranbringen.“Ähnlich erleichtert äußerte sich Ratspräsident Charles Michel: „In diesen stürmischen Zeiten brauchen wir ein starkes Europa und ein Frankreich, das sich voll und ganz für eine souveränere und strategischere Europäische Union einsetzt. Herzlichen Glückwunsch, lieber Emmanuel Macron.“Die Präsidentin des EUParlaments, Roberta Metsola, nannte das Ergebnis „einen Sieg der proeuropäischen Kräfte“. Auf Twitter schrieb die Malteserin, sie freue sich auf die weitere Zusammenarbeit im Rahmen der derzeitigen französischen EU-Ratspräsidentschaft und um die Herausforderungen in einer zunehmend unsicheren und beunruhigenden Welt anzugehen. Eine starke EU brauche ein starkes Frankreich. Nicola Beer, Chefin der deutschen FDP-Abgeordneten im Europaparlament, appellierte an den neuen wie alten Staatspräsidenten Frankreichs: „Emmanuel
Macron darf jetzt nicht seinen Reformwillen verlieren oder aufgeben – auch wenn das politische Auseinandersetzung zu Hause heißt.“Europa brauche nicht nur Frankreichs proeuropäischen Reformkurs, etwa beim Vorantreiben einer europäischen Armee, sondern auch „ein modernisiertes, reformwilliges Frankreich“. „Mit dieser Wahl gehen viele Aufträge für den Präsidenten einher“, meinte Jens Geier, Vorsitzender der Europa-SPD. Für die Zukunft der EU brauche es eine starke pro-europäische Regierung in Paris, „die zum Beispiel den Green Deal, digitalpolitische Reformen und eine stärkere außenpolitische Autonomie der EU mit vorantreibt“.