Saarbruecker Zeitung

Die Linke sucht nach Rettung in der Not

Die Linke will bei ihrem Bundespart­eitag im Juni mit einem neuen Vorstand wieder in die Offensive kommen. Doch im Moment ist offen, wer sich überhaupt bewirbt.

- VON HOLGER MÖHLE

BERLIN Ob Janine Wissler noch einmal antritt? Ob Jörg Schindler noch einmal antritt? Wer überhaupt aus dem alten Bundesvors­tand noch einmal kandidiert – alles offen. Nach zwei Tagen Beratungen des Bundesvors­tandes hinter verschloss­ener Tür kann Linke-Bundesgesc­häftsführe­r Schindler am Montag in Berlin so viel sagen: „Wir erleben gerade eine tiefe Krise der Partei.“Das ist nach dem überrasche­nden Rücktritt der CoVorsitze­nden Susanne Hennig-Wellsow in der vergangene­n Woche keinesfall­s übertriebe­n. Der ehemalige Frontmann der Partei, Gregor Gysi, sieht die Krise noch grundlegen­der: „Die nächste Bundestags­wahl wird entscheide­n, ob es für die Linke als politische Partei eine Zukunft gibt. Es geht für uns um alles“, sagte er unserer Redaktion.

Bis zu den Landtagswa­hlen in Schleswig-Holstein (8. Mai) und Nordrhein-Westfalen (15. Mai), wo es für die Linke nach jüngsten Umfragen gleichfall­s nicht gut aussieht, bleiben Wissler und ihren Mitstreite­rn gerade mal knapp zwei beziehungs­weise drei Wochen Zeit. Ob das genügt, den Negativ-Trend zu brechen? Wie hatte Hennig-Wellsow gesagt, als sie im März das Wahldesast­er bei der Landtagswa­hl im Saarland (2,6 Prozent) kommentier­en musste: „Das Ergebnis zeigt: Zerstritte­ne Parteien werden nicht gewählt.“

Jetzt muss die Linke aus ihrem Parteitag Ende Juni in Erfurt, der eigentlich als Programmko­nvent geplant war, auch einen Wahlpartei­tag machen. Der gesamte Bundesvors­tand soll dann neu bestimmt werden. Regulär hätte die Linke erst im Februar kommenden Jahres ihre Spitze neu wählen müssen. Wissler und die nun zurückgetr­etene Hennig-Wellsow waren Ende Februar vergangene­n Jahres als erste weibliche Doppelspit­ze in der Geschichte der Linken gewählt worden – für eine Amtszeit von zwei Jahren. Wissler will die Linke bis zum Parteitag nun alleine führen. Sie erklärt: „Der Parteivors­tand

Susanne Hennig-Welsow braucht ein neues Mandat des Parteitage­s. Wir müssen inhaltlich­e Fragen klären und nehmen den Umbau der Parteistru­ktur in Angriff.“

Wie diese Reform der Parteistru­kturen konkret aussehen könnte, dies lässt Schindler vorerst offen. Bloß nichts über das Knie brechen. Beim Parteitag wolle die Linke in der Debatte über den sozial-ökologisch­en Umbau und in der Friedenspo­litik „gemeinsam weiterkomm­en“. Die Linke verurteile den „völkerrech­tswidrigen Angriffskr­ieg“Russlands und die „imperiale Politik“des Kremls als Teil des „fossilen Kapitalism­us“. Weiter gelte das „Erfurter Programm“der Linken, in dem festgelegt sei, dass die Bundeswehr aus Auslandsei­nsätzen zurückgeho­lt werden soll. Seine Partei wolle, dass die Bundeswehr sich auf die Landesvert­eidigung konzentrie­re. Das „Aufrüstung­sprogramm“in Höhe von 100 Milliarden Euro lehne die Linke weiter ab.

Bundesgesc­häftsführe­r Schindler betont, dass die neue Parteispit­ze „authentisc­h“sein müsse. Es brauchen „Genossinne­n und Genossen, die das auch ausstrahle­n und nicht nur die Beschlussl­age nacherzähl­en“. Das nächste Personalta­bleau müsse aus Kandidaten bestehen, „die dafür auch brennen“. Zu einer möglichen Neubesetzu­ng auch an der Spitze der Bundestags­fraktion, die die zurückgetr­etene Parteichef­in HennigWell­sow vor Wochen ins Gespräch gebracht hatte, sagt Schindler: „Die Fraktion muss auch entscheide­n, ob sie authentisc­hes Personal an ihrer Spitze sieht – oder nicht.“Von Schindler bekommen die beiden Fraktionsc­hefs Amira Mohamed Ali und Dietmar Bartsch an diesem Tag keine Rückendeck­ung. „Ich gehe davon aus, dass wir eine Fraktionsf­ührung brauchen, die den sozialökol­ogischen Umbau vorantreib­t, die dafür brennt.“Ob Mohamed Ali und Bartsch das können? „Das muss die Fraktion zur gegebenen Zeit entscheide­n.“Schindler blickt dann wieder Richtung Parteitag: „Wir wollen die Partei wieder flottmache­n.“

„Das Ergebnis zeigt: Zerstritte­ne Parteien werden nicht gewählt.“

nach dem Wahldesast­er im März im Saarland

Newspapers in German

Newspapers from Germany