Saarbruecker Zeitung

Der Ukraine-Krieg belastet die Wirtschaft

Die Stimmung in den deutschen Chefetagen hat sich zwar etwas aufgehellt, bleibt aber gedämpft. Vor allem die Baubranche blickt pessimisti­sch in die Zukunft.

- VON CHRISTOF RÜHRMAIR UND ANDREAS HOENIG

MÜNCHEN (dpa) Die deutsche Wirtschaft leidet unter dem UkraineKri­eg, stemmt sich aber gegen die Folgen des Schocks. So hat sich die Stimmung im April überrasche­nd leicht verbessert, wie das Münchner Ifo-Institut am Montag mitteilte. Das von den Wirtschaft­sforschern erhobene Geschäftsk­lima stieg gegenüber März um einen Punkt auf 91,8 Zähler. Analysten hatten mit einer weiteren Eintrübung nach dem Einbruch im März gerechnet.

„Nach dem ersten Schock über den russischen Angriff zeigt die deutsche Wirtschaft sich widerstand­sfähig“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Historisch betrachtet ist das Geschäftsk­lima allerdings schlecht: Lässt man das Corona-Tief und den März außer Acht, ist es auf dem niedrigste­n Stand seit Februar 2010.

Auch die Bundesregi­erung schätzt die Situation skeptisch ein. Sie wird ihre Konjunktur­prognose für das laufende Jahr auf 2,2 Prozent senken, wie am Montag aus Regierungs­kreisen verlautet wurde. Noch im Januar hatte sie mit 3,6 Prozent gerechnet. Damit wurden Medienberi­chte bestätigt.

Die Unsicherhe­iten durch den Krieg seien hoch, hieß es aus den Regierungs­kreisen. Nach zwei Jahren Corona-Pandemie komme durch den Krieg Russlands eine neue Belastung mit „substanzie­llen Risiken“hinzu – insbesonde­re, was Preisdruck und Lieferkett­en betreffe. Eine Verschlech­terung der aktuellen Lage, vor allem mit Blick auf die Energiever­sorgung, könnte die Konjunktur­erwartunge­n noch einmal dämpfen. Für 2023 werde in der Frühjahrsp­rojektion mit einem Wachstum von 2,5 Prozent gerechnet.

Auch Wirtschaft­sforschung­sinstitute haben ihre Wachstumse­rwartungen zuletzt herunterge­schraubt. Im ersten Corona-Jahr 2020 war das Bruttoinla­ndsprodukt in Deutschlan­d um 4,6 Prozent eingebroch­en. Im vergangene­n Jahr wuchs die deutsche Wirtschaft um 2,9 Prozent.

Dass das Ifo-Geschäftsk­lima im April zulegen konnte, verdankt es vorwiegend dem Dienstleis­tungssekto­r und verarbeite­nden Gewerbe. Die Industrie zehre von noch gut gefüllten Auftragsbü­chern, sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe. Im Dienstleis­tungssekto­r profitiert­en unter anderem das

Gastgewerb­e und der Tourismus vom Nachholbed­arf nach Corona.

Der Handel leidet dem Experten zufolge dagegen unter der Inflations­diskussion und Preiserhöh­ungen. Das konterkari­ere die

Hoffnungen, die die Branche in die Lockerunge­n der Corona-Auflagen gesetzt habe.

Besonders schlecht ist die Stimmung am Bau: Nachdem dieser sich in den vergangene­n Jahren recht krisenresi­stent gezeigt hatte, geht es nun stark bergab. „Die schlechten Nachrichte­n für den Bau werden immer mehr“, sagte Wohlrabe. Die Aussichten würden dort so ungünstig eingeschät­zt wie noch nie seit Einführung gesamtdeut­scher Zahlen im Jahr 1991. Unter anderem belasteten der Mangel an Material, hohe Preise, teure Energie und Sorgen vor einem Zinsanstie­g die Branche.

Am Montag meldete das Statistisc­he Bundesamt zwar für den Februar noch kräftiges Wachstum im Bauhauptge­werbe. Dies spiegle aber noch nicht die Schwierigk­eiten durch den Ukraine-Krieg wider, sagte der Hauptgesch­äftsführer der Bauindustr­ie, Tim-Oliver Müller. In einer Umfrage seines Verbands berichtete 70 Prozent der Unternehme­n von Verzögerun­gen, 30 Prozent von Stornierun­gen und 40 Prozent von durch die Auftraggeb­er zurückgest­ellten Projekten. „Für die kommenden Monate ist dies bedenklich“, sagte Müller. „Wir stellen uns darauf ein, dass Unternehme­n bald Kurzarbeit anmelden müssen.“

Auch eine Umfrage des Ifo-Instituts im Auftrag der Stiftung Familienun­ternehmen weist auf eine ungünstige­re Entwicklun­g der Wirtschaft: Demnach wollen 46 Prozent angesichts der hohen Energiepre­ise Investitio­nen verringern. 14 Prozent erwägen einen Arbeitspla­tzabbau in Deutschlan­d.

Das Ifo-Geschäftsk­lima basiert auf monatliche­n Meldungen von Unternehme­n des verarbeite­nden Gewerbes, des Bauhauptge­werbes, des Groß- und des Einzelhand­els. Die circa 9000 Unternehme­n beurteilen ihre gegenwärti­ge Geschäftsl­age und ihre Erwartunge­n für die nächsten sechs Monate.

„Wir stellen uns darauf ein, dass Unternehme­n bald Kurzarbeit anmelden müssen.“Tim-Oliver Müller Hauptgesch­äftsführer der Bauindustr­ie

 ?? FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA ?? In weiten Teilen der Industrie sind die Auftragsbü­cher prall gefüllt, der Materialma­ngel lastet dennoch schwer auf der Branche.
FOTO: KARL-JOSEF HILDENBRAN­D/DPA In weiten Teilen der Industrie sind die Auftragsbü­cher prall gefüllt, der Materialma­ngel lastet dennoch schwer auf der Branche.

Newspapers in German

Newspapers from Germany