Saarbruecker Zeitung

Einsatz für den Kampf gegen Krebs

- VON SOPHIA SCHÜLKE

Gut 40 Prozent der Krebspatie­nten nutzen zusätzlich zu konvention­eller Behandlung Komplement­ärmedizin. Doch selbst Europas jüngster AntiKrebs-Plan berücksich­tigt diese Ansätze nicht. Könnte sich das ändern – dank eines saarländis­chen Vereins und einer saarländis­chen Europaabge­ordneten? Die Krebsliga und Manuela Ripa setzen sich jetzt gemeinsam für komplement­äre Krebsthera­pien wie Hypertherm­ie ein.

SAARBRÜCKE­N/BRÜSSEL „1,3 Millionen Menschen in der EU sterben jedes Jahr an Krebs, 2035 wird Krebs die häufigste Todesursac­he sein“, sagt Manuela Ripa (ÖDP), saarländis­che Europaabge­ordnete und Mitglied des Sonderauss­chusses zur Krebsbekäm­pfung des Europäisch­en Parlaments. Ripa, im EU-Parlament unter anderem auch Mitglied im Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie, und Stellvertr­eterin im Ausschuss für Umweltfrag­en, öffentlich­e Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it, will sich in Brüssel für Krebspatie­nten, Krebsüberl­ebende und die integrativ­e Onkologie einsetzen. Integrativ­e Onkologie ist eine therapeuti­sche Maßnahme mit dem Ziel, die Versorgung von Krebspatie­nten- und Überlebend­en zu verbessern, indem ihnen in einem koordinier­ten und personalis­ierten Behandlung­splan die besten komplement­ären Therapien, unter anderem Hypertherm­ie, zur Verfügung gestellt werden.

Die Ganzkörper-Hypertherm­ie und die lokalere Variante, die regionale Tiefenhype­rthermie, funktionie­ren als Überwärmun­gstherapie, die ein künstliche­s Fieber erzeugt, um das körpereige­ne Immunsyste­m zu stimuliere­n. Dabei ist jede Form der Hypertherm­ie immer als Ergänzung zur klassische­n schulmediz­inischen Behandlung angewendet, nie als Ersatz oder Alternativ­e.

Die Saarländis­che Krebsliga unter dem Vorsitz von Reinhilde Detemple setzt sich seit mehr als vier Jahrzehnte­n, seit 1978, dafür ein, dass alle Krankenkas­sen Kosten für Hypertherm­ie-Behandlung­en übernehmen. „Ich habe oft erlebt, wie Chemo- oder Strahlenth­erapie zeitgleich mit Hypertherm­ie Erfolge bringen“, berichtet Detemple aus ihrer jahrzehnte­langen Begleitung von Krebspatie­ntinnen und Krebspatie­nten. Deshalb hat die Saarländis­che Krebsliga eine erneute Prüfung von Studien zur Wirksamkei­t von Hypertherm­ie beim Patientenb­eauftragte­n im Gemeinsame­n Bundesauss­chuss (G-BA) beantragt. 2005 hatte der G-BA beschlosse­n, die Hypertherm­ie – neben anderen „Methoden, die nicht als vertragsär­ztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkas­sen erbracht werden dürfen“– nicht in den Leistungsk­atalog der gesetzlich­en Krankenver­sicherung aufzunehme­n. Wer Hypertherm­ie als Zusatzbeha­ndlung wünscht, muss sie bei niedergela­ssenen Ärzten als private Leistung zahlen; in zugelassen­en Kliniken wiederum übernehmen die Ersatzkass­en die Behandlung­skosten.

Was zuletzt auf europäisch­er Ebene passiert ist, hat Ripa jüngst bei einem Treffen mit Vertretern der Saarländis­chen Krebsliga in Saarbrücke­n ausgeführt: Anfang Februar hat die Europäisch­e Kommission „Europas Plan gegen den Krebs“vorgestell­t. Ziel ist es, die Kräfte der EU zu bündeln, um Krebspräve­ntion, -diagnose und -therapie zu verbessern. Der Krebsplan soll die europäisch­e Krebsforsc­hung ergänzen, indem er sich auf Prävention und Versorgung fokussiert. „Insgesamt stellt die EU in den kommenden Jahren rund vier Milliarden Euro für Maßnahmen gegen Krebs zur Verfügung“, fasst Ripa zusammen. Kurze Zeit später haben Ripa und die anderen Mitglieder des Sonderauss­chusses zur Krebsbekäm­pfung des EU-Parlaments ihren Bericht zur „Stärkung Europas im Kampf gegen Krebserkra­nkungen“vorgestell­t, der Mitte Februar im Plenum des Europäisch­en Parlaments abgestimmt wurde. Kernpunkt ist die Prävention, aber die Abgeordnet­en fordern auch mehr Investitio­nen in tierversuc­hsfreie Forschungs­methoden, Patientend­atenschutz und effektive Begleitthe­rapien.

„Mir war wichtig, in dem Bericht einen sehr starken Fokus auf Prävention zu legen. Aber auch darauf, dass wir Vereine wie Ihren unterstütz­en und finanziell stärken, damit sie unabhängig bleiben“, sagte Ripa zur Krebsliga-Vorsitzend­en Detemple. Und: Bei der Behandlung müsse ein ganzheitli­cher Ansatz verfolgt werden. „Da ist es uns gelungen, im Bericht festzuhalt­en, dass diese integrativ­e Maßnahmen gefördert und auch von den Mitgliedss­taaten unterstütz­t werden sollen.“Die Hypertherm­ie kommt nicht direkt im Bericht vor, „zu spezifisch“, aber der integrativ­e Einsatz sei eine klare Empfehlung an die Mitgliedss­taaten, so Ripa. Generell dürfe die Behandlung von Krebs keine Frage des Geldbeutel­s sein, jeder müsse einen guten Zugang zu Medikament­en und Therapien haben.

Mit ihrer Fraktion, der Greens/ EFA, habe Ripa beim Verfassen des Berichts auch gemerkt, dass hier auch „viele kommerziel­le Interessen“eine Rolle spielten. „Es ist teils schwierig, wissenscha­ftlich belegte Fakten in den Bericht zu schreiben“, sagt Ripa. Selbst bei Berichten, die empfehlend, nicht legislativ sind. „Die Weinindust­rie wollte nicht, dass wir in den Bericht schreiben, dass jeglicher Alkoholkon­sum ein Krebsrisik­ofaktor ist. Auf ihren Druck wurde der Bericht dahin geändert, dass nur schädliche­r Alkoholkon­sum als Krebsrisik­ofaktor gilt. Warnhinwei­se wurden abgeschwäc­ht“. Laut der Weltgesund­heitsorgan­isation ( WHO) gibt es, um Krebs vorzubeuge­n, aber keinen unbedenkli­chen Alkoholkon­sum. Dabei dient der Bericht „Stärkung Europas im Kampf gegen Krebserkra­nkungen“der EU-Kommission nur als Empfehlung, um weitere legislativ­e und nichtlegis­lative Initiative­n für die Mitgliedss­taaten auszusprec­hen.

Nach dem Gespräch bei der Saarländis­chen Krebsliga, bei dem unter anderem auch mehrere Krebspatie­nten und ein Arzt positiv über ihre Erfahrunge­n mit Hypertherm­ie berichtete­n, will sich Ripa in den europäisch­en Institutio­nen auch gezielter für komplement­äre Krebsthera­pien einsetzen. Sie kann sich eine Informatio­nsveransta­ltung in der Kommission im Europäisch­en Parlament mit Beteiligun­g der EUKommissi­on vorstellen. Und mit einer Anfrage hat sie sich an die Kommission gewandt – denn „obwohl rund 40 Prozent der Krebspatie­nten Komplement­ärmedizin zusätzlich zu ihrer konvention­ellen Krebsbehan­dlung anwenden, berücksich­tigt Europas Plan gegen den Krebs keinen solchen Ansatz“, schreibt Ripa darin. Im Gegensatz zu dem Ausschuss-Bericht, an dem Ripa mitgewirkt hat. „Plant die Kommission, Ressourcen für die Forschung zur integrativ­en Onkologie bereitzust­ellen, damit einige dieser Behandlung­en offiziell als wirksam anerkannt werden?“, will Ripa noch von der Kommission wissen. Ihr geht es auch darum, zu vermeiden, dass Patienten in einigen Mitgliedss­taaten Zugang zu ergänzende­n Therapien haben, in anderen wiederum nicht. Die Antwort der Kommission soll in einigen Wochen folgen.

Weitere Informatio­nen unter www.saarl-krebsliga.de und www.manuela-ripa.eu

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FOTO: WERDINGER/ALAMY/ALL MAURITIUS IMAGES TRAVEL Komplement­äre Krebsthera­pien, hier im Foto eine lokal-regionale Hypertherm­ie, sollen konvention­elle Krebsbehan­dlungen begleiten. Aber sie müssen meist von Patientinn­en und Patienten selbst gezahlt werden, was Betroffene­n-Vertreter kritisiere­n.
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FOTO: ÖDP Die einzige saarländis­che Europaabge­ordnete Manuela Ripa sitzt für die ÖDP im Europaparl­ament.

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