Ein Milliardengeschäft mit Steuerberatern
Das Saarbrücker Software-Haus Eurodata wächst in einem Markt, der Unternehmen bei Buchhaltungsdienstleistungen unterstützt. Dabei hilft Künstliche Intelligenz.
SAARBRÜCKEN „Der Fachkräftemangel hat auch die Zunft der Steuerberater erreicht und sie müssen darauf mit automatisierten Prozessen reagieren.“Davon ist Dirk Goldner überzeugt, Vorstand des Saarbrücker Software-Hauses Eurodata. Das Unternehmen gehört der ETL-Gruppe, nach eigenen Angaben Deutschlands größte Steuerberatungsgruppe. „Daher wissen wir, wo bei den Fachleuten rund um Lohnabrechnung und Finanzbuchhaltung der Schuh drückt.“Gemeinsam strebe man an, dass Maschinen in Zukunft stupide Arbeiten wie das Überprüfen von Rechnungen, das Archivieren von Belegen oder das Erfassen von abzurechnenden Arbeitsstunden erledigten, sagte Goldner der SZ. Um dies zu erreichen, bedient sich Eurodata der OCR-Technologie, wobei OCR für „Optical Character Recognition (Optische Zeichenerkennung)“steht. Eine Software erfasst hierbei gedruckte oder geschriebene Texte, die zuvor eingescannt wurden, kann ihren Sinn verstehen und entsprechend einordnen. Weil Eurodata für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Lohnbüros und Anbieter von Buchhaltungs-Dienstleistungen arbeitet, wo Buchungsfehler fatale Folgen haben können, „haben wir ein engmaschiges Kontrollsystem eingebaut, das die Ergebnisse des maschinellen Lesens in einem mehrstufigen Prozess überprüft, bevor die Dokumente zur Buchung durch den Steuerberater freigegeben werden. Die letzte Kontrolle hat der Mensch“, erklärte der EurodataChef. Um hierbei immer besser zu werden, arbeitet das Unternehmen mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken zusammen. Ziel sei, „die Fehlerquote mithilfe der KI zu minimieren“.
Akzeptabel seien statistisch fünf Fehler bei 1000 Dokumenten. Angestrebt ist eine automatische Verbuchung von 13 000 Rechnungen pro Tag. Das Ganze wird in die SoftwarePakete von Eurodata implementiert, mit denen das Unternehmen seit Jahren am Start ist. Allein beim Lohn werden über die Lösung „edlohn“rund fünf Millionen Abrechnungen pro Jahr abgewickelt. „Wir sind Deutschlands Nummer eins für Cloud-Lösungen auf diesem Gebiet“, so Goldner. Darüber hinaus würden zwölf Millionen Rechnungen mithilfe des Eurodata-Pakets „edrewe“bearbeitet, das auch das Buchen der Belege, den Jahresabschluss und die betriebliche Steuererklärung miterledige. Ein weiteres Feld ist die Arbeitszeit-Erfassung mit der Software „edtime“und die Schicht-Planung mit „edpep“. Denn die 870 Steuerberater-Büros, an denen ETL in Deutschland die Mehrheit hält, haben neben Einzelhändlern und Handwerkern auch viele Gastronomen unter ihren 270 000 Mandanten. „Hier spielt das Planen von Schichten oder das Erfassen von Arbeitszeiten und Pausen beziehungsweise die Dokumentation darüber, dass der Mindestlohn eingehalten wird, eine große Rolle“, sagt Goldner.
Eurodata ist auch seinen Wurzeln treu geblieben. 1965 wurde das Software-Haus mit dem Ziel gegründet, eine Daten-Erfassung und -Verarbeitung für das Tankstellen-Gewerbe zu entwickeln. Heute heißt diese „edtas“und sorgt dafür, dass der Tankstellen-Pächter „seine betriebswirtschaftlichen Größen wie Betriebskapital oder Liquidität jederzeit im Blick hat“, so Goldner. Das Abrechnungs- und ControllingSystem „ist Teil eines vollständigen Beratungskonzepts, das exakt auf die Tankstellenbranche zugeschnitten ist“. Diese müsse mit zwei Lieferanten-Gruppen klarkommen, die sehr unterschiedlich ticken: mit den Lebensmittel-Großhändlern für den Tankstellen-Shop und der Mineralölwirtschaft für Treibstoff und Öle.
Die Daten aller Kundengruppen hinterlegt Eurodata in seinem eigenen Rechenzentrum in Saarbrücken. Damit seien die Unsummen an elektronischen Informationen „in Deutschland gespeichert und unterliegen damit deutschem Recht und Datenschutz“, sagte Goldner.
Die Corona-Pandemie hat auch Eurodata einiges abverlangt. Zum einen mussten das Rechenzentrum und die IT am Laufen gehalten werden, „um den Informationsfluss zwischen den Steuerberatern und ihren Mandanten nicht abbrechen zu lassen“, so Goldner. Auf der anderen Seite mussten ständig neue Verordnungen wie das Corona-Kurzarbeitergeld oder die Hilfspakete für einzelne Branchen „zeitnah in die
Software eingepflegt werden“. Außerdem habe Eurodata sicherstellen müssen, dass sowohl die eigenen Leute als auch die Mitarbeiter der Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer „stets auf sichere Datenleitungen zugreifen konnten, wenn sie von zu Hause aus arbeiteten“. Die Eurodata-Gruppe beschäftigt an ihren Standorten im In- und Ausland rund 550 Mitarbeiter, davon 300 in der Saarbrücker Firmenzentrale. Goldner rechnet für die Zukunft mit einem Wachstum von 15 Prozent pro Jahr. Zusammen mit den Steuerberatern der ETL-Gruppe wird allein in Deutschland ein Umsatz von knapp einer Milliarde Euro erwirtschaftet.