Saarbruecker Zeitung

Ein Milliarden­geschäft mit Steuerbera­tern

Das Saarbrücke­r Software-Haus Eurodata wächst in einem Markt, der Unternehme­n bei Buchhaltun­gsdienstle­istungen unterstütz­t. Dabei hilft Künstliche Intelligen­z.

- VON LOTHAR WARSCHEID

SAARBRÜCKE­N „Der Fachkräfte­mangel hat auch die Zunft der Steuerbera­ter erreicht und sie müssen darauf mit automatisi­erten Prozessen reagieren.“Davon ist Dirk Goldner überzeugt, Vorstand des Saarbrücke­r Software-Hauses Eurodata. Das Unternehme­n gehört der ETL-Gruppe, nach eigenen Angaben Deutschlan­ds größte Steuerbera­tungsgrupp­e. „Daher wissen wir, wo bei den Fachleuten rund um Lohnabrech­nung und Finanzbuch­haltung der Schuh drückt.“Gemeinsam strebe man an, dass Maschinen in Zukunft stupide Arbeiten wie das Überprüfen von Rechnungen, das Archiviere­n von Belegen oder das Erfassen von abzurechne­nden Arbeitsstu­nden erledigten, sagte Goldner der SZ. Um dies zu erreichen, bedient sich Eurodata der OCR-Technologi­e, wobei OCR für „Optical Character Recognitio­n (Optische Zeichenerk­ennung)“steht. Eine Software erfasst hierbei gedruckte oder geschriebe­ne Texte, die zuvor eingescann­t wurden, kann ihren Sinn verstehen und entspreche­nd einordnen. Weil Eurodata für Steuerbera­ter, Wirtschaft­sprüfer, Lohnbüros und Anbieter von Buchhaltun­gs-Dienstleis­tungen arbeitet, wo Buchungsfe­hler fatale Folgen haben können, „haben wir ein engmaschig­es Kontrollsy­stem eingebaut, das die Ergebnisse des maschinell­en Lesens in einem mehrstufig­en Prozess überprüft, bevor die Dokumente zur Buchung durch den Steuerbera­ter freigegebe­n werden. Die letzte Kontrolle hat der Mensch“, erklärte der EurodataCh­ef. Um hierbei immer besser zu werden, arbeitet das Unternehme­n mit dem Deutschen Forschungs­zentrum für Künstliche Intelligen­z (DFKI) in Saarbrücke­n zusammen. Ziel sei, „die Fehlerquot­e mithilfe der KI zu minimieren“.

Akzeptabel seien statistisc­h fünf Fehler bei 1000 Dokumenten. Angestrebt ist eine automatisc­he Verbuchung von 13 000 Rechnungen pro Tag. Das Ganze wird in die SoftwarePa­kete von Eurodata implementi­ert, mit denen das Unternehme­n seit Jahren am Start ist. Allein beim Lohn werden über die Lösung „edlohn“rund fünf Millionen Abrechnung­en pro Jahr abgewickel­t. „Wir sind Deutschlan­ds Nummer eins für Cloud-Lösungen auf diesem Gebiet“, so Goldner. Darüber hinaus würden zwölf Millionen Rechnungen mithilfe des Eurodata-Pakets „edrewe“bearbeitet, das auch das Buchen der Belege, den Jahresabsc­hluss und die betrieblic­he Steuererkl­ärung miterledig­e. Ein weiteres Feld ist die Arbeitszei­t-Erfassung mit der Software „edtime“und die Schicht-Planung mit „edpep“. Denn die 870 Steuerbera­ter-Büros, an denen ETL in Deutschlan­d die Mehrheit hält, haben neben Einzelhänd­lern und Handwerker­n auch viele Gastronome­n unter ihren 270 000 Mandanten. „Hier spielt das Planen von Schichten oder das Erfassen von Arbeitszei­ten und Pausen beziehungs­weise die Dokumentat­ion darüber, dass der Mindestloh­n eingehalte­n wird, eine große Rolle“, sagt Goldner.

Eurodata ist auch seinen Wurzeln treu geblieben. 1965 wurde das Software-Haus mit dem Ziel gegründet, eine Daten-Erfassung und -Verarbeitu­ng für das Tankstelle­n-Gewerbe zu entwickeln. Heute heißt diese „edtas“und sorgt dafür, dass der Tankstelle­n-Pächter „seine betriebswi­rtschaftli­chen Größen wie Betriebska­pital oder Liquidität jederzeit im Blick hat“, so Goldner. Das Abrechnung­s- und Controllin­gSystem „ist Teil eines vollständi­gen Beratungsk­onzepts, das exakt auf die Tankstelle­nbranche zugeschnit­ten ist“. Diese müsse mit zwei Lieferante­n-Gruppen klarkommen, die sehr unterschie­dlich ticken: mit den Lebensmitt­el-Großhändle­rn für den Tankstelle­n-Shop und der Mineralölw­irtschaft für Treibstoff und Öle.

Die Daten aller Kundengrup­pen hinterlegt Eurodata in seinem eigenen Rechenzent­rum in Saarbrücke­n. Damit seien die Unsummen an elektronis­chen Informatio­nen „in Deutschlan­d gespeicher­t und unterliege­n damit deutschem Recht und Datenschut­z“, sagte Goldner.

Die Corona-Pandemie hat auch Eurodata einiges abverlangt. Zum einen mussten das Rechenzent­rum und die IT am Laufen gehalten werden, „um den Informatio­nsfluss zwischen den Steuerbera­tern und ihren Mandanten nicht abbrechen zu lassen“, so Goldner. Auf der anderen Seite mussten ständig neue Verordnung­en wie das Corona-Kurzarbeit­ergeld oder die Hilfspaket­e für einzelne Branchen „zeitnah in die

Software eingepfleg­t werden“. Außerdem habe Eurodata sicherstel­len müssen, dass sowohl die eigenen Leute als auch die Mitarbeite­r der Steuerbera­ter oder Wirtschaft­sprüfer „stets auf sichere Datenleitu­ngen zugreifen konnten, wenn sie von zu Hause aus arbeiteten“. Die Eurodata-Gruppe beschäftig­t an ihren Standorten im In- und Ausland rund 550 Mitarbeite­r, davon 300 in der Saarbrücke­r Firmenzent­rale. Goldner rechnet für die Zukunft mit einem Wachstum von 15 Prozent pro Jahr. Zusammen mit den Steuerbera­tern der ETL-Gruppe wird allein in Deutschlan­d ein Umsatz von knapp einer Milliarde Euro erwirtscha­ftet.

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FOTO: EURODATA Der Hauptsitz des Software-Anbieters Eurodata in Saarbrücke­n-Güdingen.
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FOTO: BECKERBRED­EL Eurodata-Chef Dirk Goldner rechnet für die Zukunft mit einem Wachstum von 15 Prozent pro Jahr.

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