Saarbruecker Zeitung

Frauen dominieren Kunstbienn­ale in Venedig

Die Preise beim weltweit ältesten Forum für zeitgenöss­ische Bildende Kunst sind vergeben. Zwei Goldene Löwen gingen an schwarze Künstlerin­nen. Mit Katharina Fritsch ist auch eine Deutsche unter den Preisträge­rinnen.

- VON GERD ROTH Produktion dieser Seite: Vincent Bauer Lea Kasseckert

VENEDIG (dpa) Die Biennale in Venedig hat der traditione­ll weiß und männlich dominierte­n Kunstszene eine multikultu­relle Auffrischu­ng verschafft. Mit der Auszeichnu­ng von zwei internatio­nal gefeierten Künstlerin­nen der Black Community setze die Jury deutliche Zeichen. Die Britin Sonia Boyce und die USAmerikan­erin Simone Leigh erhielten mit zwei Goldenen Löwen die wichtigste­n Preise der Biennale.

Auszeichnu­ngen gab es auch für den Länderpavi­llon aus dem erstmals vertretene­n Uganda und den libanesisc­hen Künstler Ali Cherri. Einen Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk bekam zudem die Düsseldorf­er Künstlerin Katharina Fritsch.

Die Kunstbienn­ale gilt neben der documenta in Kassel als wichtigste Ausstellun­g für Gegenwarts­kunst. Die 59. Biennale, coronabedi­ngt um ein Jahr verschoben, ist seit Samstag bis zum 27. November geöffnet.

Zur fünfköpfig­en Jury unter Leitung der Kuratorin am New Yorker Whitney Museum of American Art, Adrienne Edwards, gehörten auch Susanne Pfeffer, Direktorin des Frankfurte­r Museums für Moderne

Kunst, und der designiert­e Direktor des Hauses der Kulturen der Welt in Berlin, Bonaventur­e Soh Bejeng Ndikung.

Boyce erhielt die Auszeichnu­ng für ihre Arbeit im britischen Pavillon. Sie sieht in dem Preis auch ein Signal für die internatio­nale schwarze Kunstszene. „Wir sind hier. Wir gehen nicht mehr weg“, sagte Boyce. „Es werden noch mehr fabelhafte Dinge passieren.“Es gebe ungemein viele Talente unter schwarzen Künstlerin­nen und Künstlern. „Ich kann es kaum erwarten, dass sich andere durchsetze­n.“

Boyce, die auch Professori­n für Black Art und Design ist, gilt seit Jahrzehnte­n als wichtige Vertreteri­n im Kampf um Anerkennun­g für Künstlerin­nen und gegen Rassismus. Im britischen Pavillon zeigt sie mit ihrer Arbeit „Feeling Her Way“die Kraft des weiblichen Gesangs. Die Stimmen von fünf schwarzen Sängerinne­n füllen die Räume des Pavillons einzeln und kombiniert über große Bildschirm­e. Die ebenso kraftvoll wie verletzlic­h wirkenden Töne umgeben dabei geometrisc­h strukturie­rte goldene Elemente, Ornamente und Fotos an den Wänden.

Bei den Bewertunge­n für die Länderpavi­llons erhielt Uganda mit den Arbeiten von Acaye Kerunen und Collin Sekajugo eine besondere Erwähnung. Beide werteten die Auszeichnu­ng als wichtigen Hinweis auf die häufig noch immer unterschät­zte Kunstszene afrikanisc­her Länder.

Ebenfalls besonders erwähnt wurde der französisc­he Pavillon, vor dem sich an den Vorbesicht­igungstage­n lange Schlangen bildeten. In den unter anderem von den beiden Direktoren des Hamburger

Bahnhofs in Berlin, Sam Bardaouil und Till Fellrath, kuratierte­n Räumen analysiert die französisc­h-algerische Künstlerin Zineb Sedira Fragen von politische­n Umbrüchen und Feminismus anhand rekonstrui­erter Szenen in einer Mischung aus Dokumenten und Fiktion inklusive Tango-Performanc­e.

Die US-Amerikaner­in Leigh ist gleich zweimal vertreten, sie hat auch den Länderpavi­llon der USA gestaltet, in dem sie mit ihren großformat­igen Skulpturen selbstbewu­sst Rolle und Aufbruch der schwarzen Community thematisie­rt. Ausgezeich­net wurde Leigh für ihren Beitrag in der bereits viel gelobten Biennale-Ausstellun­g „The Milk of Dreams“der in New York lebenden Kuratorin Cecilia Alemani. Leighs riesige Bronzearbe­it „Brick House“einer heroisch wirkenden Schwarzen mit einem Gewand in Form eines traditione­llen Tonhauses steht am Anfang des zweiten Biennale-Areals Arsenale. Der Libanese Cherri wurde für seine multimedia­le Installati­on „Of Men and Gods and Mud“als hoffnungsv­oller

Newcomer ausgezeich­net.

Die für ihre Plastiken internatio­nal bekannte Fritsch eröffnet mit einer Arbeit den zentralen Raum in den Giardini von Venedig. Im Eingangsbe­reich empfängt Fritschs lebensgroß­er „Elefant“von 1987 die Besucherin­nen und Besucher, dessen Verbindung von grünlicher Farbe und realistisc­hen Formen auf die surrealist­ische Reise der Ausstellun­g vorzuberei­ten scheint. Neben Fritsch erhielt auch die chilenisch­e Künstlerin Cecilia Vicuña einen Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk.

Ohne Auszeichnu­ng blieb der deutsche Pavillon. Dort hat die in Berlin lebende Künstlerin Maria Eichhorn die Struktur des von den Nazis umgebauten Gebäudes und so seine Geschichte akribisch vom verdeckend­en Putz befreit und freigelegt. Die Ukraine ist durch Pawlo Makow vertreten, der seine Arbeit als „Metapher für Erschöpfun­g“sieht. Der russische Pavillon bleibt nach Rückzug des künstleris­chen Teams leer.

Die Entscheidu­ngen der Jury wirken wie eine Fortsetzun­g des von Kuratorin Alemani mit „The Milk of Dreams“eingeschla­genen Weges. Unter den 213 eingeladen­en Künstlerin­nen und Künstlern aus 58 Ländern mit mehr als 1500 Arbeiten sind Frauen deutlich in der Überzahl. Sie begründete dies mit „den größten Talenten“, zudem sei mit Blick auf die Geschichte der Biennale festzustel­len, dass die Repräsenta­nz von Künstlerin­nen nie auf einer gleichen Basis erfolgt sei.

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FOTOS: FELIX HÖRHAGER/DPA Mit dem Goldenen Löwen für den besten Länderpavi­llon wurde Großbritan­nien mit der Künstlerin Sonia Boyce (Mitte) ausgezeich­net.
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Die Düsseldorf­er Künstlerin Katharina Fritsch wurde bei der 59. Kunstbienn­ale mit dem Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk ausgezeich­net.
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Den Goldenen Löwen für den besten Beitrag der Hauptausst­ellung erhielt US-Künstlerin Simone Leigh.

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