Saarbruecker Zeitung

1928 jüdische Opfer bekommen ein Denkmal

Die Bauarbeite­n für das Denkmal, das an die jüdischen Opfer des Massenmord­s durch die Nazis erinnert, haben am Saarbrücke­r Beethovenp­latz begonnen.

- VON SILVIA BUSS

SAARBRÜCKE­N Seit Montag wird es vor der Saarbrücke­r Synagoge am Beethovenp­latz aufgebaut: das Fundament für das saarländis­che Shoah-Denkmal, das die Namen aller jüdischen Opfer der Nationalso­zialisten aus dem einstigen Saargebiet enthalten wird. Das Denkmal, das in diesem Herbst mit einiger Verspätung eingeweiht werden soll, hat eine lange Vorgeschic­hte. Schon seit rund 30 Jahren, so hört man aus jüdischen Kreisen, wünscht sich die saarländis­che Synagogeng­emeinde ein Denkmal, welches das namentlich­e Gedenken ermöglicht. Denn für die jüdische Tradition ist das sehr wichtig. Nenne man die Namen der Opfer nicht, so sei das, als ob man sie ein zweites Mal töte, erklärte der frühere Vorsitzend­e der Synagogeng­emeinde, Richard Bermann, dazu vor Jahren.

Erste Hoffnung auf die Verwirklic­hung eines solchen Denkmals konnte die Gemeinde 2012 schöpfen, als Stadt und Land den neuen zentralen Gedenkort für die Holocaust-Opfer am Rabbiner-Rülf-Platz schaffen wollten. Doch das in einem Wettbewerb prämierte künstleris­che Denkmal „Der unterbroch­ene Wald“von Ariel Auslender sah bekanntlic­h gar keine Namen vor. Alle Bemühungen der Synagogeng­emeinde und ihres damaligen Vorsitzend­en Bermann, eine Ergänzung etwa durch die Eingravier­ung der Opfernamen an der Seitenwand der Freitreppe zu erreichen, scheiterte­n. Alle Stadtratsf­raktionen, mit Ausnahme der Grünen, waren mehr oder minder lautstark dagegen. Denn die Freitreppe sollte der Jugend zum Chillen dienen und die Partylaune nicht durch die Erinnerung an den Massenmord verdorben werden. „Wer bei diesem öffentlich­en Projekt kritische Einwände missachtet, darf sich später nicht beklagen, wenn auf der Partymeile Zustände eintreten, die mit der Würde des Denkmals unvereinba­r sind“, warnte ein Autor unserer Zeitung.

Nach langem Hin und Her wurde dann ein Kompromiss gefunden. Bis spätestens im Frühjahr 2016, so versprach der damalige Kulturdeze­rnent Erik Schrader (FDP), werde die Landeshaup­tstadt ein zweites Shoah-Denkmal, nun mit namentlich­em Gedenken, vor dem Eingang der Synagoge errichten. Es dauerte dann doch länger. 2019 rief die Stadt den Künstlerwe­ttbewerb aus, bei dem das Berliner Künstlerdu­o Mannstein + Vill, das sind David Mannstein und Maria Vill, mit seinem Entwurf einer Plastik namens „Band der Erinnerung“als Sieger hervorging. Das „Band der Erinnerung“ist ein wellenförm­iges Edelstahlb­and von 2,60 Meter Höhe und 15 Meter Länge, was durch die Biegungen ein Endmaß von acht Metern Länge ergibt. Die Namen, Geburts- und Todesdaten der Opfer werden mit Hilfe von Lasertechn­ik aus dem Stahl „freigefräs­t“, was der Plastik ein beeindruck­end filigranes transparen­tes Aussehen verleiht.

Doch wie viele Opfernamen wird das Denkmal enthalten, wie wurden sie recherchie­rt, und wer gilt überhaupt als Opfer? Gewidmet sei das Band der Erinnerung den „jüdischen Opfern der NS-Gewaltherr­schaft, die im früheren Saargebiet gelebt haben“, so erklärte es uns die Pressestel­le der Stadt und legte die Kriterien genau dar: „Als Opfer wurden nicht nur die in den Konzentrat­ionslagern Ermordeten oder mit unbekannte­m Ziel „in den Osten“Deportiert­en und seitdem Verscholle­nen betrachtet. Es wurden auch diejenigen mit in das Gedenken aufgenomme­n, die in der Emigration als Soldat oder Resistance-Kämpfer gefallen sind, diejenigen, die durch die Entbehrung­en und Qualen der Flucht und des versteckte­n Lebens in der Illegalitä­t umkamen, sowie auch diejenigen, die sich angesichts ihrer Verfolgung für den Freitod entschiede­n.“

Die Verfasser der Opferliste, so die Stadt weiter, hätten auch zu entscheide­n gehabt, wer als „Saarländer“und „Saarländer­in“gelten solle. „Nach gewissenha­ftem Abwägen haben sich die Forscher entschloss­en, alle jüdischen Bürgerinne­n und Bürger als Saarländer zu zählen, für welche sich ein Aufenthalt von wenigstens einem Jahr im damaligen Saargebiet belegen lässt“, teilt die Stadtverwa­ltung mit. Ein Teil der Opfer sei aus Osteuropa eingewande­rt, eine weitere Zuwanderun­gswelle habe nach Beginn der Verfolgung im Deutschen Reich nach

Hitlers Machtergre­ifung im Januar 1933 eingesetzt, als das Saargebiet noch nicht betroffen war.

Die mühsame Recherche nach den Opfern haben nach Auskunft der Stadt vor allem das Stadtarchi­v der Landeshaup­tstadt und das Landesdenk­malamt mit Unterstütz­ung des Saarländis­chen Landesarch­ivs in den Jahren 2019 und 2020 geleistet. Sie konnten sich dafür auf eine Opferliste der Synagogeng­emeinde Saar sowie Vorarbeite­n des Vereins Denkmalmit! stützen. Auf dem „Band der Erinnerung“seien nun die Daten von insgesamt 1928 ermordeten Opfern verewigt.

Ursprüngli­ch sollte das „Band der Erinnerung“schon am 7. November 2021 vor der Synagoge am Beethovenp­latz eingeweiht werden. Die Fräsungen erwiesen sich für die ausführend­e Spezialfir­ma im sächsische­n Zittau jedoch als zeitaufwän­diger als gedacht, erklärte David Mannstein der SZ am Telefon. Keine andere Firma aber hätte es schneller hinbekomme­n, betonte der Künstler. Mitte Mai will er persönlich nach Saarbrücke­n kommen und lässt durchblick­en, dass dann wohl auch der Schwertran­sport unterwegs sein wird, der die im Endzustand aus einem Stück bestehende Edelstahlp­lastik aus Sachsen in die Landeshaup­tstadt bringt.

Der Bürgerstei­g an der Lortzingst­raße wurde dafür bereits umgebaut und vergrößert und soll künftig „Platz der Erinnerung“heißen. Die Einweihung ist nach Aussagen der Stadt nun im Herbst 2022 geplant. Welche prominente­n Gäste dazu eingeladen werden, ob sogar der Bundespräs­ident dafür nach Saarbrücke­n kommt, das will die Stadt voraussich­tlich bis Ende Mai „konkretisi­eren“.

Was so lange währte, wird also im September endlich wahr: 1933 begann die Verfolgung der Juden und Jüdinnen im Deutschen Reich, 1936, nach Ablauf der unter anderem von Rabbiner Rülf im Römischen Abkommen mitbewirkt­en Schutzfris­t für Juden und Jüdinnen im Saargebiet, auch hier. Beinahe 86 Jahre später erhalten die Opfer in Saarbrücke­n nun auch einen Namen.

Das „Band der Erinnerung“ist ein wellenförm­iges Edelstahlb­and von 2,60 Meter Höhe und 15 Meter Länge, was durch die Biegungen ein Endmaß von acht Metern Länge ergibt.

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ENTWURF: MANNSTEIN + VILL/STADT SAARBRÜCKE­N So sieht der Entwurf des Shoah-Denkmals mit 1928 jüdischen Opfernamen vor der Saarbrücke­r Synagoge aus. Das Berliner Künstlerdu­o Mannstein + Vill hatte den Wettbewerb damit gewonnen.

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