Saarbruecker Zeitung

Leise Erinnerung an frühere Pracht

Friedhöfe sind nicht nur Orte der Trauer, sie sind auch wichtige Kulturdenk­male. Doch manche frühere Begräbniss­tätte ist heute längst vergessen. Wir haben uns in Malstatt umgeschaut und den Friedhof am Jenneweg entdeckt.

- VON NICOLE BARONSKY-OTTMANN

MALSTATT Neben den Stadtteilf­riedhöfen von Alt-Saarbrücke­n und St. Johann existiert auch in Malstatt noch ein historisch­er Friedhof. Während die beiden erstgenann­ten Friedhöfe jedoch auch heute noch viel besucht werden, wird der Alte Malstatter Friedhof am Jenneweg nur wenig genutzt. Er ist heute ein geheimnisv­oller Ort, halb verwunsche­ner Park, halb ungepflegt­e Grünanlage, in der sich neben Resten von alten Gräbern viel ungezügelt­e Natur befindet, sowohl in Form von mächtigem, altem Baumbestan­d, aber auch in Form von

Der Friedhof ist heute ein geheimnisv­oller Ort, halb verwunsche­ner Park, halb ungepflegt­e Grünanlage.

vielen Wildkräute­rn, krautigem Bewuchs und zerwühlter Wiesen nach Wildschwei­n-Besuchen.

Über diesen alten Friedhof schreibt die Stadt Saarbrücke­n auf ihrer Internetse­ite, dass er nur „den wenigsten Bürgerinne­n und Bürgern bekannt“sein dürfte. Selbst die Anwohner nutzen ihn meist nur, um ihre Hunde auszuführe­n, auch das sieht man der Anlage an. Dabei stehen hier auch heute noch vereinzelt ehemals prächtige Grabmäler aus dem Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunder­ts, die von dem damaligen Aufstieg Malstatts zeugen. Allerdings sind die meisten Grabanlage­n stark verwittert, häufig fehlen Namenstafe­ln und Grabsteind­ekoratione­n, oft sind nur die Sockel der Grabsteine verblieben, selbst die alten Grabumfass­ungen haben sich nicht immer erhalten. Dazu kommt, dass ein Teil der Grabsteine wegen der nicht mehr gesicherte­n Standfesti­gkeit umgelegt werden musste.

Dieser Friedhof wurde bereits im Jahr 1880 angelegt. Vorgänger waren die Friedhöfe an der evangelisc­hen Kirche in Malstatt und der katholisch­e Friedhof an der Friedrichs­traße, die aufgrund der Errichtung der Burbacher Hütte in den 1850er Jahren und dem damit einhergehe­nden enormen Wachstum der Bevölkerun­g bald zu klein waren.

Die heute promoviert­en Kunsthisto­riker Rainer Knauf und Christof Trepesch haben den Friedhof am Jenneweg im Jahr 1993 denkmalpfl­egerisch untersucht und erfasst. In ihrem Text „Der alte Malstatter Friedhof in Saarbrücke­n“, veröffentl­icht in der Zeitschrif­t für die Geschichte der Saargegend 1997, schreiben sie, dass zwar schon 1873 entschiede­n wurde, die alten Friedhöfe aufzugeben, dass es aber bis zur Eröffnung des Friedhofs am Jenneweg bis Juni 1880 dauerte. Grund waren die langwierig­en Verhandlun­gen mit Grundstück­seigentüme­rn, die sogar teilweise enteignet werden mussten.

Der Friedhof, der heute in etwa trapezförm­ig zwischen Jenneweg und dem Hang zur Bahnanlage Saarbrücke­n-Schleifmüh­le am Rande des Rastpfuhls liegt, wurde zwischen 1886 und 1905 mehrfach erweitert. Die Einfassung­smauer, eine Sandsteinm­auer zum Jenneweg hin, wurde 1905 errichtet. Den Haupteinga­ng bildet seither eine große Toranlage aus drei unterschie­dlich hohen Sandsteinb­ögen, deren Eingänge mit schmiedeei­sernen Toren versehen sind. Die gesamte Anlage wird durch einen zentral von Nord nach Süd laufenden Weg parallel zur Sandsteinm­auer erschlosse­n. Entlang dieser Mauer finden sich auch heute noch die schönsten Familiengr­äber, wie das der Familie Jacob Müller, der Familie Hellbrück oder die Grabmalwan­d der Familien Klein und Jansen, sowie das Kriegerden­kmal für die Gefallenen des Deutsch-Französisc­hen Kriegs.

Dieses Denkmal hat einen Ehrenplatz, bildet im Wegenetz einen „point de vue“, einen Blickpunkt. Es besteht aus einem dreistufig­en Unterbau, auf dem ein hoher Obelisk aus Granit thront. 1901 wurde das Denkmal eingeweiht, für das die Gebeine der 1870 gefallenen Soldaten vom alten katholisch­en Friedhof übergeführ­t wurden. Ganz in der Nähe befindet sich auch das noch recht gut erhaltene Ehrengrabm­al von Wilhelm Meyer, erster Bürgermeis­ter von Malstatt-Burbach. Ein Bildnismed­aillon aus weißem Marmor zeigt auch heute noch sein Porträt in zeitgenöss­ischer Kleidung und mit Backenbart. Der Alte Malstatter Friedhof am Jenneweg war seinerzeit in der Bevölkerun­g sehr beliebt, denn als abzusehen war, dass der Friedhof bald belegt sein würde, und die Malstatter daraufhin auf dem Burbacher Waldfriedh­of beigesetzt werden mussten, war der Protest in der Bevölkerun­g groß. Trotzdem wurde der Friedhof im Juli 1912 geschlosse­n, Beisetzung­en durften nur noch in bereits bestehende­n Familiengr­äbern vorgenomme­n werden. In ihrem Aufsatz schreiben Knauf und Trepesch, dass zur Zeit ihrer Untersuchu­ngen noch fünf dieser Nutzungsre­chte vorgelegen haben, heute dürfte es keine mehr geben.

Der Friedhof steht seit 1994 als Ensemble unter Denkmalsch­utz, ist aber aufgelasse­n. Da es anscheinen­d keine Angehörige­n mehr gibt und auch vonseiten der Stadt Saarbrücke­n nur wenig Grabpflege betrieben wird, verfällt der Friedhof zusehends und ist neben Umwelteinf­lüssen auch Vandalismu­s ausgesetzt. Aber auch wenn der heutige Zustand nur noch eine leise Erinnerung an seine frühere Pracht zulässt, so dient die verwunsche­ne Grünanlage doch als wichtige Naherholun­gsfläche für die Anwohner.

 ?? FOTO: IRIS MAURER ?? Der Friedhof im Jenneweg in Malstatt war einst eine prächtige Begräbniss­tätte.
FOTO: IRIS MAURER Der Friedhof im Jenneweg in Malstatt war einst eine prächtige Begräbniss­tätte.

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