Leise Erinnerung an frühere Pracht
Friedhöfe sind nicht nur Orte der Trauer, sie sind auch wichtige Kulturdenkmale. Doch manche frühere Begräbnisstätte ist heute längst vergessen. Wir haben uns in Malstatt umgeschaut und den Friedhof am Jenneweg entdeckt.
MALSTATT Neben den Stadtteilfriedhöfen von Alt-Saarbrücken und St. Johann existiert auch in Malstatt noch ein historischer Friedhof. Während die beiden erstgenannten Friedhöfe jedoch auch heute noch viel besucht werden, wird der Alte Malstatter Friedhof am Jenneweg nur wenig genutzt. Er ist heute ein geheimnisvoller Ort, halb verwunschener Park, halb ungepflegte Grünanlage, in der sich neben Resten von alten Gräbern viel ungezügelte Natur befindet, sowohl in Form von mächtigem, altem Baumbestand, aber auch in Form von
Der Friedhof ist heute ein geheimnisvoller Ort, halb verwunschener Park, halb ungepflegte Grünanlage.
vielen Wildkräutern, krautigem Bewuchs und zerwühlter Wiesen nach Wildschwein-Besuchen.
Über diesen alten Friedhof schreibt die Stadt Saarbrücken auf ihrer Internetseite, dass er nur „den wenigsten Bürgerinnen und Bürgern bekannt“sein dürfte. Selbst die Anwohner nutzen ihn meist nur, um ihre Hunde auszuführen, auch das sieht man der Anlage an. Dabei stehen hier auch heute noch vereinzelt ehemals prächtige Grabmäler aus dem Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts, die von dem damaligen Aufstieg Malstatts zeugen. Allerdings sind die meisten Grabanlagen stark verwittert, häufig fehlen Namenstafeln und Grabsteindekorationen, oft sind nur die Sockel der Grabsteine verblieben, selbst die alten Grabumfassungen haben sich nicht immer erhalten. Dazu kommt, dass ein Teil der Grabsteine wegen der nicht mehr gesicherten Standfestigkeit umgelegt werden musste.
Dieser Friedhof wurde bereits im Jahr 1880 angelegt. Vorgänger waren die Friedhöfe an der evangelischen Kirche in Malstatt und der katholische Friedhof an der Friedrichstraße, die aufgrund der Errichtung der Burbacher Hütte in den 1850er Jahren und dem damit einhergehenden enormen Wachstum der Bevölkerung bald zu klein waren.
Die heute promovierten Kunsthistoriker Rainer Knauf und Christof Trepesch haben den Friedhof am Jenneweg im Jahr 1993 denkmalpflegerisch untersucht und erfasst. In ihrem Text „Der alte Malstatter Friedhof in Saarbrücken“, veröffentlicht in der Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend 1997, schreiben sie, dass zwar schon 1873 entschieden wurde, die alten Friedhöfe aufzugeben, dass es aber bis zur Eröffnung des Friedhofs am Jenneweg bis Juni 1880 dauerte. Grund waren die langwierigen Verhandlungen mit Grundstückseigentümern, die sogar teilweise enteignet werden mussten.
Der Friedhof, der heute in etwa trapezförmig zwischen Jenneweg und dem Hang zur Bahnanlage Saarbrücken-Schleifmühle am Rande des Rastpfuhls liegt, wurde zwischen 1886 und 1905 mehrfach erweitert. Die Einfassungsmauer, eine Sandsteinmauer zum Jenneweg hin, wurde 1905 errichtet. Den Haupteingang bildet seither eine große Toranlage aus drei unterschiedlich hohen Sandsteinbögen, deren Eingänge mit schmiedeeisernen Toren versehen sind. Die gesamte Anlage wird durch einen zentral von Nord nach Süd laufenden Weg parallel zur Sandsteinmauer erschlossen. Entlang dieser Mauer finden sich auch heute noch die schönsten Familiengräber, wie das der Familie Jacob Müller, der Familie Hellbrück oder die Grabmalwand der Familien Klein und Jansen, sowie das Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Deutsch-Französischen Kriegs.
Dieses Denkmal hat einen Ehrenplatz, bildet im Wegenetz einen „point de vue“, einen Blickpunkt. Es besteht aus einem dreistufigen Unterbau, auf dem ein hoher Obelisk aus Granit thront. 1901 wurde das Denkmal eingeweiht, für das die Gebeine der 1870 gefallenen Soldaten vom alten katholischen Friedhof übergeführt wurden. Ganz in der Nähe befindet sich auch das noch recht gut erhaltene Ehrengrabmal von Wilhelm Meyer, erster Bürgermeister von Malstatt-Burbach. Ein Bildnismedaillon aus weißem Marmor zeigt auch heute noch sein Porträt in zeitgenössischer Kleidung und mit Backenbart. Der Alte Malstatter Friedhof am Jenneweg war seinerzeit in der Bevölkerung sehr beliebt, denn als abzusehen war, dass der Friedhof bald belegt sein würde, und die Malstatter daraufhin auf dem Burbacher Waldfriedhof beigesetzt werden mussten, war der Protest in der Bevölkerung groß. Trotzdem wurde der Friedhof im Juli 1912 geschlossen, Beisetzungen durften nur noch in bereits bestehenden Familiengräbern vorgenommen werden. In ihrem Aufsatz schreiben Knauf und Trepesch, dass zur Zeit ihrer Untersuchungen noch fünf dieser Nutzungsrechte vorgelegen haben, heute dürfte es keine mehr geben.
Der Friedhof steht seit 1994 als Ensemble unter Denkmalschutz, ist aber aufgelassen. Da es anscheinend keine Angehörigen mehr gibt und auch vonseiten der Stadt Saarbrücken nur wenig Grabpflege betrieben wird, verfällt der Friedhof zusehends und ist neben Umwelteinflüssen auch Vandalismus ausgesetzt. Aber auch wenn der heutige Zustand nur noch eine leise Erinnerung an seine frühere Pracht zulässt, so dient die verwunschene Grünanlage doch als wichtige Naherholungsfläche für die Anwohner.