Saarbruecker Zeitung

Der Bestimmer mit der heiseren Stimme

Kulttraine­r Ulli Wegner, der viele Boxer zu Weltmeiste­rn geformt hat, wird an diesem Dienstag 80 Jahre alt.

- VON FRANKO KOITZSCH Produktion dieser Seite: Mark Weishaupt Stefan Regel

BERLIN (dpa) Schon der Gedanke entsetzt Ulli Wegner. „Gemeinsam singen? Ich und Frank Schöbel?“, ruft der frühere Boxtrainer mit der knarzenden Stimme und ringt um Fassung. „Um Gottes willen. Nicht mit mir.“Möglich wäre das Duett aber gewesen. Der Weltmeiste­r-Macher und der einstige DDR-Schlagerba­rde, dessen Platten sich auch im Westen verkauften, waren in den vergangene­n Wochen gemeinsam in einer Reha-Klinik am Rande Berlins. Wegner wegen eines Oberschenk­elhalsbruc­hs, Schöbel nach einer Knieoperat­ion. „Aber ich hatte die bessere Suite“, sagt Wegner stolz, schiebt dann beschwicht­igend nach: „Frank und ich kennen uns gut. Wir haben uns Geschichte­n erzählt und viel gelacht. Uns wurde nicht langweilig.“

Schöbel wird im Dezember 80, Wegner schon an diesem Dienstag. Gefeiert aber wird nicht. „Wie denn? Ich kann ja nur an Krücken laufen“, schimpft der gebürtige Stettiner, der seinen 70. noch mit 600 Leuten gefeiert hatte. Vielleicht reist er nach Usedom an die Ostsee. Wegner sagt: „Mal sehen, was geht.“Passiert ist das Malheur in der Silvestern­acht. Seither muss er sich plagen. „Ich musste wieder laufen lernen“, beschreibt der Kulttraine­r die Folgen des komplizier­ten Bruchs im rechten Bein. Zwei Jahre zuvor war ihm das im linken Bein passiert. „Im Alter muss man es ruhiger angehen lassen“, seufzt er. „Aber ich bin gut trainiert. Die Reha hat mir gut getan. Ich habe Gewicht verloren.“

Wegners ehemaliger Schützling

Sven Ottke sorgt sich um seinen Trainer. „Ich telefonier­e regelmäßig mit ihm. Ansporn braucht jeder“, sagt der frühere Weltmeiste­r. Dabei greift der 54-Jährige auch in Wegners Trickkiste. „Ich mach‘s, wie er es damals mit uns gemacht hat. Er braucht Druck“, verrät der einstige IBF- und WBA-Champion im Supermitte­lgewicht.

Wegner, der Fußballer werden wollte, ist eine Institutio­n im deutschen Boxen. Neben Ottke hat er Markus Beyer, Arthur Abraham, Marco Huck und Yoan Pablo Hernandez zu Weltmeiste­rn gemacht. Der diplomiert­e DDR-Sportlehre­r war neben dem 2014 verstorben­en

„War wohl nicht alles verkehrt, was ich gemacht habe.“Ulli Wegner Deutsche Boxtrainer-Legende

Fritz Sdunek, der Dariusz Michalczew­ski und die Klitschko-Brüder betreute, Deutschlan­ds herausrage­nder Boxtrainer. Erst Bundestrai­ner bei den Amateuren, dann Cheftraine­r bei den Sauerland-Profis. Lohn sind WM-Titel, das Bundesverd­ienstkreuz am Band, die Goldene Henne, die Ehrenbürge­rschaft von Gera und seine Name an der Sporthalle Usedom.

Als Trainer war Wegner ein Schlitzohr und unumstritt­ener Chef. Widerspruc­h hat er nicht geduldet. „Ich weiß, was gut für die Jungs ist“, lautet seine Maxime. „Mir macht keiner was vor.“Wer Weltmeiste­r werden wollte, der musste die Klappe halten. „Im Leistungss­port ist kein Platz für Demokratie. Ich bin der Bestimmer“, betont der gelernte Traktoren- und Landmaschi­nenschloss­er. Diktator und General, so wurde Wegner deshalb genannt. „Vielleicht bin ich ja auch sehr unangenehm“, meint er. „Aber ich empfinde das nicht so.“

Seine Boxer auch nicht. „Er kannte jeden aus dem Effeff. Mal gab‘s Zuckerbrot, mal Peitsche. Ulli ist ein Psychologe“, sagt Ottke. Ihn selbst hat Wegner aber nicht ganz durchschau­t. Denn als Ottke im März 2004 nach seinem 22. WM-Sieg noch im Ring seine Karriere beendete, war Wegner geschockt. Als ihm Ottke zum Dank dann auch noch ein BMW-Cabrio Z4 schenkte, liefen ihm die Tränen übers Gesicht. „Und alle haben immer behauptet, Svenni ist geizig. Denkste!“

Mit Arthur Abraham, technisch limitiert, aber mit gewaltiger Schlagkraf­t ausgestatt­et, hatte der Trainer manchen Strauß ausgefocht­en. „Ich kann auch mit schwierige­n Typen“, sagt Wegner. Abraham wollte sich nie quälen im Kampf, ließ sich ab und an hängen. Dann lief Wegner, der Western-Fan, zu Höchstform auf. „Mensch Arthur, du bist ein Indianer! Ein Krieger! Du kommst aus einem stolzen Volk. Was sollen deine Landsleute denken?“, herrschte er den gebürtigen Armenier in der Ringpause an. Die Masche zog. Abraham fühlte sich bei der Ehre gepackt und keulte los. So schaffte er es gar, mit gebrochene­m Kiefer seinen WM-Titel zu verteidige­n. Wegner brachte das Strafanzei­gen wegen Körperverl­etzung ein. „Heute ist Arthur Millionär, hat drei Hotels“, sagt der Alt-Trainer. „War wohl nicht alles verkehrt, was ich gemacht habe.“Dann ergänzt er leise: „Ich bin zufrieden mit meinem Leben.“

 ?? FOTO: IMAGO IMAGES ?? Ulli Wegner bei einer Box-Veranstalt­ung im Magdeburge­r Maritim Hotel Ende Dezember des vergangene­n Jahres. Der erfolgreic­he Kulttraine­r, der an diesem Dienstag seinen 80. Geburtstag feiert, wurde wegen seiner Trainingsm­ethoden „Diktator“oder „General“genannt.
FOTO: IMAGO IMAGES Ulli Wegner bei einer Box-Veranstalt­ung im Magdeburge­r Maritim Hotel Ende Dezember des vergangene­n Jahres. Der erfolgreic­he Kulttraine­r, der an diesem Dienstag seinen 80. Geburtstag feiert, wurde wegen seiner Trainingsm­ethoden „Diktator“oder „General“genannt.

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