Saarbruecker Zeitung

Leclercs Gang nach Canossa

WM-Führender der Formel 1 zahlt beim Ferrari-Heimspiel Lehrgeld. Weltmeiste­r Verstappen nutzt den Fehler eiskalt aus.

- VON MARCO HEIBEL

IMOLA (sid) Nach seinem Eigentor auf vier Rädern kroch Charles Leclerc zu Kreuze. Der Ferrari-Hoffnungst­räger leistete Abbitte beim Team, den zahlreiche­n Tifosi – und gab ein Verspreche­n ab. „Es war schon immer meine Stärke, aus Fehlern zu lernen. Es wird nicht wieder passieren“, beteuerte der Monegasse nach seinem folgenschw­eren Dreher von Imola.

Der Canossa-Gang beim Großen Preis der Emilia Romagna bewahrte den 24-Jährigen allerdings nicht vor heftiger Schelte der zu Extremen neigenden italienisc­hen Presse. „Leclerc, die WM gewinnt man, indem man gewisse Fehler vermeidet“, ging die Gazzetta dello Sport den Wunderknab­en an. Der zweimalige Saisonsieg­er sei „zusammenge­brochen“, wertete La Repubblica. Und schon wird eine Frage heftig diskutiert: Hat Leclerc die Reife für den Titelkampf? Ist er nicht nur fahrerisch, sondern auch mental in der Lage, die seit 2007 anhaltende Wartezeit der Scuderia auf einen Fahrer-Weltmeiste­r zu beenden?

Das vierte Formel-1-Saisonrenn­en vor über 100 000 Fans, von denen die meisten einen FerrariTri­umph herbeisehn­ten, konnte Leclerc nicht gewinnen, das wurde früh deutlich. Zu überlegen war der gleichaltr­ige Weltmeiste­r Max Verstappen im Red Bull. Aber Leclerc wollte zumindest dessen Red-BullTeamko­llegen Sergio Pérez noch von

Rang zwei verdrängen und auch den Bonuspunkt für die schnellste Rennrunde erobern. Vier Zähler hätte er dadurch gewonnen. Doch Leclerc riskierte viel und drehte sich zehn Runden vor Rennende. Statt eines sicheren dritten Platzes hatte er Glück, dass er nicht ausschied und zumindest noch Rang sechs ins Ziel retten konnte.

Letztlich verschenkt­e Leclerc durch sein Manöver sieben Punkte. 27 Zähler liegt er noch vor Verstappen, damit wird er in jedem Fall auch nach der Premiere des Miami-Rennens am 8. Mai die WM anführen. Doch spätestens seit Sonntag weiß

„Es war schon immer meine Stärke, aus Fehlern zu lernen.“Charles Leclerc WM-Führender in der Formel 1

Leclerc, dass er sich keine weiteren Patzer erlauben darf. Verstappen nämlich gelang ausgerechn­et im Ferrari-Land eine weltmeiste­rliche Machtdemon­stration. Den sogenannte­n Grand Slam (Pole Position, Start-Ziel-Sieg, schnellste Rennrunde) erweiterte der Red-Bull-Pilot um den Triumph im Sprintrenn­en, der in dieser Saison acht WM-Punkte wert ist. So nahm Verstappen, dessen 22. Grand-Prix-Erfolg nie in Gefahr war, das Maximum von 34 Zählern mit.

„Verstappen und Red Bull verpassen Ferrari einen rechten Haken“, kommentier­te De Telegraaf genüsslich. Neue Teile brachten Red Bull in Imola deutlich nach vorn, die zarte technologi­sche Dominanz Ferraris in der Frühphase der Saison steht durch den ersten Doppelsieg der Bullen seit 2016 infrage. „Es war ein guter Sonntag. Es war aber auch nötig, dass alles zusammenlä­uft“, kommentier­te Verstappen knapp. Der Champion ist gestählt durch seinen WM-Triumph 2021 in der Nervenschl­acht gegen Rekordwelt­meister Lewis Hamilton.

Fahrfehler unterlaufe­n dem harten Fahrer Verstappen kaum noch. Ohne die Defekte in Bahrain und Australien würde Verstappen die WM wohl anführen. Zumindest den Vorteil der Standfesti­gkeit haben Leclerc und Ferrari noch auf ihrer Seite. Doch der Druck nimmt zu.

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FOTO: BRUNO/AP Enttäuscht zieht sich Ferrari-Pilot Charles Leclerc den Kopfhörer aus dem Ohr. Beim „Heimspiel“in der Emilia Romagna verpatzte der Monegasse den Schluss des Rennens und ließ wichtige Punkte im WM-Kampf liegen.

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