Olaf Scholz auf der Suche nach den Verbündeten von morgen
Der Bundeskanzler besucht Japan, die Debatte über die Ukraine-Hilfe begleitet ihn nach Asien. Doch Scholz will auch ein Exempel statuieren.
BERLIN/TOKIO Der Kanzler kommt mit quietschenden Reifen zum Flughafen. Die Parlamentarier im Bundestag haben Redebedarf. Und wenn der Regierungschef schon die für Donnerstag angesetzte Debatte über schwere Waffenlieferungen an die Ukraine verpasst, dann muss er wenigstens am Mittwochnachmittag angemessen lange im Parlament bleiben.
So kommt Olaf Scholz zu spät zum Regierungsflieger A340, der ihn und seine etwa 50-köpfige Delegation nach Tokio bringt. Schon die Flugroute deutet darauf hin, dass es andere Zeiten sind: Russland und die Ukraine werden umflogen, es geht über Kasachstan und China in die japanische Hauptstadt. Insgesamt 28 Stunden im Flieger für 20 Stunden vor Ort. Scholz ist es das wert. Auch jetzt, während Krieg in Europa herrscht.
In Deutschland ist es am Donnerstag dann kurz vor acht Uhr morgens, als Scholz mit der „Theodor Heuss“in Japan landet. In gut einer Stunde beginnt in Berlin die Debatte. Die Koalitionsfraktionen und die Union haben sich zwar kurz vor dem Abflug des Kanzlers auf einen gemeinsamen Antrag geeinigt und so einen Showdown im Parlament verhindert. Trotzdem bleibt das Thema strittig, längst sind nicht alle Fragen geklärt. Werden nach den bereits genehmigten Gepard-Flugabwehrpanzern auch schwere Kampfpanzer geliefert? Wie sieht es mit Ausbildung und Munition aus? Wie weit kann man gehen, ohne vom russischen Präsidenten Wladimir Putin als Kriegspartei angesehen zu werden? Konkrete Antworten auf diese Fragen gibt es auch in Japan nicht. Doch Scholz gibt sich selbstbewusst.
Am Donnerstag, der Kanzler ist gerade in Japan angekommen, twittert sein Kanzleramtschef stolz einen Artikel des renommierten Time-Magazin, dessen Titelbild Olaf Scholz zeigt mit der Überschrift „The German Moment“. Was so etwas heißt wie: die deutsche Gelegenheit.
Und tatsächlich drängt es Scholz zu einer neuen Außenpolitik abseits der vertrauten Pfade. Traditionell führte die erste Reise eines deutschen Kanzlers in Asien stets nach China. Doch der russische Angriffskrieg und die Nähe von Russland und China führt zu neuen geostrategischen Überlegungen: Japan, Indien und Indonesien rücken für die deutsche Regierung in den Fokus. Daher ist es ein deutliches Zeichen, den G7-Partner Japan zu besuchen. „Es ist kein Zufall, dass mich meine erste Reise als Bundeskanzler in dieser Weltregion heute hierher, nach Tokio, führt“, betont Scholz. Japan steht in der Verurteilung des Angriffskrieges fest an der Seite des Westens, hat sofort Sanktionen gegen Russland unterstützt und verhängt. „Der Status Quo von Grenzen darf nicht gewaltsam verändert werden“, sagt der japanische Ministerpräsident Fumio Kishida dann auch, den Scholz von nun an duzen wird. „Die wirtschaftsstarken Demokratien der Welt stehen zusammen.“Putin habe mit dieser Geschlossenheit nicht gerechnet, ergänzt Scholz. „Wir alle erkennen: Dieser Krieg richtet sich nicht allein gegen die Ukraine, wo Putins Armee unvorstellbares Leid und Zerstörung anrichtet.“
Der deutsche Kanzler knüpft dabei die Sanktionen gegen Russland an einen Rückzug der russischen Truppen aus der Ukraine. Russland merke, dass diese einen erheblichen Schaden für die eigene Entwicklungsmöglichkeit bedeuteten. Man werde die Sanktionen nutzen, damit der Krieg ende und sich die russischen Truppen zurückzögen, „damit die Ukraine ihre eigene Souveränität wieder entwickeln kann“.
Der viel gescholtene deutsche Regierungschef bekommt am Ende der gemeinsamen Begegnung in Tokio dann noch ein Kompliment: Für den von Scholz vollzogenen grundsätzlichen Kurswechsel in der Sicherheitspolitik zolle er Deutschland „von Herzen großen Respekt“, sagt Fumio Kishida. Der Kanzler wird es gerne gehört haben.