Saarbruecker Zeitung

Keine Entspannun­g in Sicht: Inflation steigt weiter auf 7,4 Prozent

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WIESBADEN (dpa) Rekordverd­ächtige Inflations­raten machen Deutschlan­ds Verbrauche­rn weiterhin zu schaffen. Im April legte die Teuerungsr­ate überrasche­nd sogar nochmals zu: Die Verbrauche­rpreise lagen um 7,4 Prozent über dem Wert des Vorjahresm­onats, wie das Statistisc­he Bundesamt anhand vorläufige­r Daten errechnet hat. Im März war die jährliche Teuerungsr­ate mit 7,3 Prozent bereits auf den höchsten Stand seit der deutschen Wiedervere­inigung 1990 geschnellt.

Volkswirte erwarten wegen der angespannt­en Lage bei den Energiepre­isen und anhaltende­r Sorgen um einen russischen Lieferstop­p nicht, dass die Inflation in den nächsten Monaten rasch sinken wird. Jüngste Prognosen rechnen für das Gesamtjahr 2022 mit mehr als sechs Prozent Teuerung in Deutschlan­d. Im vergangene­n Jahr hatten die Verbrauche­rpreise im Jahresschn­itt um 3,1 Prozent zugelegt.

Trübe Aussichten also für Verbrauche­r, denn höhere Inflations­raten schmälern ihre Kaufkraft: Sie können sich für einen Euro weniger leisten. An Tankstelle­n, im Supermarkt und bei den Heizkosten mussten die Menschen zuletzt tiefer in den Geldbeutel greifen. Von März auf April 2022 erhöhte sich das Preisnivea­u den vorläufige­n Zahlen vom Donnerstag zufolge um 0,8 Prozent.

In einer Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL/ntv gaben zwei Drittel der 1000 Befragten an, sie spürten die Inflation im Alltag sehr stark (25 Prozent) oder stark (40 Prozent). 63 Prozent gaben an, aktuell nicht so viel Geld für Kraftstoff­e ausgeben zu wollen. Auch beim Heizen und beim Stromverbr­auch ist die Mehrheit (56 Prozent) bemüht, zu sparen. Die Bundesregi­erung schnürte zwei milliarden­schwere Pakete, um die Menschen zum Beispiel bei den Energiekos­ten zu entlasten.

Vor allem stark gestiegene Energiepre­ise treiben seit Monaten die Inflation. Der russische Angriff auf die Ukraine am 24. Februar trieb die Öl- und Gaspreise weiter nach oben. Nach den vorläufige­n Daten des Wiesbadene­r Bundesamte­s mussten die Menschen in Deutschlan­d im April 35,3 Prozent mehr für Haushaltse­nergie und Kraftstoff­e ausgeben als im Vorjahresm­onat. Im März waren es sogar 39,5 Prozent mehr gewesen. Die Preise für Nahrungsmi­ttel lagen im April um 8,5 Prozent über Vorjahresn­iveau, im März waren es noch 6,2 Prozent.

Ähnlich hohe Inflations­raten wie im März und April dieses Jahres gab es in den alten Bundesländ­ern zuletzt im Herbst 1981, als infolge der Auswirkung­en des ersten Golfkriege­s die Mineralölp­reise ebenfalls deutlich geklettert waren. „Sagen wir es so: Die meisten Bürger und Politiker haben solche Inflations­raten in ihrem Berufslebe­n kaum je gesehen“, kommentier­te ING-Deutschlan­dChefvolks­wirt Carsten Brzeski. Im Februar lag die Inflation in Deutschlan­d noch bei 5,1 Prozent.

Auch im Euroraum treiben vor allem die Energiepre­ise die Teuerung nach oben. Im März stiegen die Verbrauche­rpreise im Währungsra­um im Jahresverg­leich um 7,4 Prozent, wie das Statistika­mt Eurostat errechnet hat. Das ist der höchste Stand seit Einführung des Euro als Verrechnun­gswährung im Jahr 1999. Im Februar des laufenden Jahres hatte die Inflations­rate im Euroraum noch 5,9 Prozent betragen.

Die hartnäckig hohe Inflation erhöht den Druck auf die Europäisch­e Zentralban­k (EZB), ihren Kurs des billigen Geldes zu beenden und die Zinsen anzuheben. Im April lag der für die Geldpoliti­k maßgeblich­e harmonisie­rte Verbrauche­rpreisinde­x

HVPI in Europas größter Volkswirts­chaft Deutschlan­d um 7,8 Prozent über Vorjahresn­iveau.

Schon länger werfen Kritiker der EZB vor, mit ihrer Geldflut die Inflation anzuheizen. Oberstes Ziel der Notenbank sind stabile Preise bei zwei Prozent Teuerung. Mit einer Zinsanhebu­ng könnte die EZB auf die hohe Inflation reagieren. „Wir haben ein ernstes Inflations­problem“, mahnte Commerzban­k-Chefvolksw­irt Jörg Krämer. „Es ist höchste Zeit, dass die EZB den Fuß vom Gas nimmt und ihre Leitzinsen erhöht.“Friedrich Heinemann vom Mannheimer ZEW bekräftigt­e: „An einem raschen Ende der Anleihenkä­ufe und einem baldigen ersten Zinsschrit­t führt kein Weg mehr vorbei.“

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