Saarbruecker Zeitung

Großes Stühlerück­en in den saarländis­chen Ministerie­n

Ganze Abteilunge­n ziehen um, und die Ressortche­fs suchen neue Mitarbeite­r, die ihnen nahestehen. Das ist teilweise legitim, aber der Grat zum Filz ist schmal.

- VON DANIEL KIRCH Produktion dieser Seite: Vincent Bauer, Michael Emmerich

SAARBRÜCKE­N In den saarländis­chen Ministerie­n ist gerade viel in Bewegung. Ganze Abteilunge­n werden zwischen den Ressorts verschoben. So wandert die Wissenscha­ftspolitik von der Staatskanz­lei ins Finanzmini­sterium – und nicht ins Bildungsmi­nisterium, wie von der SPD im Wahlkampf angekündig­t. Dafür erhält das Bildungsmi­nisterium die Zuständigk­eit für die Kitas.

Die Europa-Abteilung im Finanzmini­sterium wird künftig Teil der Staatskanz­lei. Dafür wechseln die Bereiche Innovation und Digitalisi­erung aus der Staatskanz­lei zum Wirtschaft­sministeri­um. Dieses muss an anderer Stelle Federn lassen: Die Verkehrspo­litik (künftig „Mobilität“) wird ins Umweltmini­sterium verschoben, und die Arbeitsmar­ktpolitik ins Sozialmini­sterium.

Auf den Amtsstuben der neu zusammenge­setzten Ressorts ist auch aus einem anderen Grund nun Stühlerück­en angesagt: In den Ressorts, die bisher in CDU-Hand waren, suchen die neuen Minister und Staatssekr­etäre nun Büroleiter, persönlich­e Referenten, Redenschre­iber oder Pressespre­cher.

„Jeder Regierungs­wechsel bedeutet eine große Herausford­erung für die demokratis­che Steuerung der betroffene­n Ministeria­lbürokrati­e, da eine neue politische Führung auch – partiell – andere politische Akzentsetz­ungen und Inhalte umsetzen möchte“, sagt der Trierer Politikwis­senschaftl­er und Verwaltung­sexperte Wolfgang Lorig, der zum ParteienEi­nfluss auf den öffentlich­en Dienst geforscht hat. Dies entspreche auch dem Wählerauft­rag an die demokratis­ch gewählte neue Regierung.

„Es dürfte Konsens in der Verwaltung­swissensch­aft sein, dass nach einem Wechsel in der Führung eines Ministeriu­ms auch die engsten Mitarbeite­rstellen des Ministerbü­ros mit neuen Personen zu besetzen sind, die das uneingesch­ränkte persönlich­e und auch (partei-)politische Vertrauen des zuständige­n Ministers/der zuständige­n Ministerin haben.“Ausnahmen wie Stephan Toscani, der als CDU-Finanzmini­ster eine Sprecherin mit SPD-Parteibuch wählte, bestätigen die Regel.

Die engen Mitarbeite­r der bisherigen CDU-Minister werden nun überwiegen­d in die Fachabteil­ungen ihrer Ressorts wechseln oder haben dies im Angesicht der CDU-Niederlage bereits kurz vor der Wahl getan. Andere personelle Stützen der CDU-Ministerie­n werden vielleicht zu Landesämte­rn oder in politisch weniger wichtige Abteilunge­n wechseln – oder sie werden ihren Job behalten, weil ihre Fachexpert­ise auch vom neuen SPD-Minister geschätzt wird.

Stellenbes­etzungen in den Ministerie­n nach Regierungs­wechseln sind immer ein Aufreger-Thema, wie die Geschichte zeigt. Nachdem die SPD die Landtagswa­hl 1999 verloren hatte, kritisiert­e der neue Opposition­sführer Heiko Maas im Landtag die „Parteibuch­wirtschaft“der CDU, auch wenn er zugestand, es sei „im Rahmen eines Regierungs­wechsels notwendig, an der einen oder anderen Stelle Neueinstel­lungen und Veränderun­gen vorzunehme­n“– wie sich mit der Bildung der Jamaika-Koalition 2009 und der großen Koalition 2012 zeigte.

Daraufhin meldete sich der neue Ministerpr­äsident Peter Müller (CDU) zu Wort und zählte für einzelne Ministerie­n auf, wie viele Abteilungs­leiter dort ein SPD-Parteibuch haben – es war die Mehrheit.

Nach fast 23 Jahren Regentscha­ft der CDU ist jedoch unbestreit­bar, dass die Belegschaf­t in der Staatskanz­lei und den zuletzt von ihr geführten Ressorts stark CDU-lastig ist. Natürlich gibt es Ausnahmen: Die politisch hochsensib­le Haushaltsa­bteilung im Finanzmini­sterium zum Beispiel führte zuletzt der Sozialdemo­krat Wolfgang Förster, ein von der CDU hochgeschä­tzter Fachmann, der nun von der SPD zum Staatssekr­etär befördert wurde.

Die meisten Abteilungs­leiter und viele Referatsle­iter in den ehemals CDU-geführten Ressorts sind aber zweifellos Unionsleut­e. Dieser schwarze Überhang wird sich in den nächsten Jahren abschwäche­n, durch Neueinstel­lungen, Versetzung­en und Pensionier­ungen.

Lorig hält einen personelle­n Austausch in Ministerbü­ros für legitim, in den Fachabteil­ungen sei jedoch eine „Amtsloyali­tät“der Beamten unabhängig von ihrer politische­n Couleur notwendig. „Insoweit dürften in diesem Verwaltung­sbereich besondere Personalro­tationen nur eingeschrä­nkt sinnvoll und verantwort­bar sein.“Sonst pervertier­ten öffentlich­e Ämter zu „Pfründen“.

Wenn es um Einstellun­gen und Beförderun­gen geht, macht das Grundgeset­z eigentlich klare Vorgaben: Entscheide­nd sind Eignung, Leistung und Befähigung.

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