Kann man diesen Bildern trauen?
Regisseurin Annette Bak hat über den Saarbrücker „Rathauszyklus“einen sehenswerten Film gedreht.
SAARBRÜCKEN Endlich fertig! Es war ein kollektives Aufatmen bei der Regisseurin und bei den beiden SR-Redakteurinnen am Mittwochabend im gut gefüllten Festsaal des Saarbrücker Schlosses: Nach 14 Monaten Arbeit, gebremst unter anderem von der Pandemie, Unfällen und Krankheit im Team, konnte Annette Baks Film „Bilder der Macht – der Saarbrücker Rathauszyklus von Anton von Werner“als Vorpremiere gezeigt werden (Am Donnerstagabend lief er dann beim SR und steht jetzt in der Mediathek bereit). Es geht um die sieben Monumentalgemälde von Anton von Werner (1843-1915), die das Historische Museum Saar angekauft hat und um die eine Debatte entbrannt war: Erich Später, Geschäftsführer der Heinrich Böll Stiftung Saar, hatte den Ankauf kritisiert, von „militaristischem Kitsch“gesprochen, die Gemälde seien voller „Feindseligkeit gegen Frankreich“und kriegsverherrlichend (wir berichteten mehrfach).
Die grundlegende Frage, welche Botschaft die Bilder vermitteln, welchem politischen Ziel diese Werke im Auftrag Preußens dienen sollten, stellt sich die Regisseurin Bak in ihrem sehenswerten 45-minütigen Film. Sie begleitet die Restaurierung des Werks „Ankunft König Wilhelms I.“im Historischen Museum, zugleich erläutert sie den geschichtlichen Kontext, erklärt die Hintergründe des Deutsch-Französischen Krieges 1870/71. Mit einem genauen Blick auf das „Ankunft“-Kolossalgemälde beginnt der Film – und mit der Frage nach dem tatsächlichen dokumentarischen Wert des Gemäldes. Von Werners Bild von der Schlacht in Spichern besitzt eine geradezu fotorealistische Anmutung. Jedes Detail, jeder Knopf, jeder Faltenwurf in den Uniformen stimmt – aber das große Ganze? Eine pathetische Helden-Inszenierung des preußischen Generalmajors Bruno von Francois, „in bühnenreifer Pose“, wie Paul Burgard vom Saarländischen Landesarchiv im Film sagt. Von Werners sieben Gemälde für Saarbrücken – im Auftrag Preußens – seien als Anerkennung für Saarbrücken gedacht gewesen, „ein patriotischer Zyklus als Dank für die Opfermütigkeit Saarbrückens“. Der preußische Sieg in Spichern ließ Saarbrücken, zuvor eine, wie es im Film heißt, „verschlafene Provinzstadt“, ins Zentrum des Interesses rücken. Sogar der Tourismus zu Orten der Schlacht und zu Friedhöfen erblühte, als sich der Pulverdampf verzogen hatte.
Im Film kommen auch die Kollegen Simon Matzerath (Historisches Museum Saar) und Laurent Thurnherr („Musée de la Guerre de 1870 et de l’Annexion“im lothringischen Gravelotte) zu Wort – in Frankreich werde die Schlacht von Spichern bis heute verdrängt, sagt Thurnherr; militärisch sei sie weniger wichtig gewesen, sagt Matzerath, denn als „Symbol der Opferbereitschaft“. Und der zollte Anton von Werner dann im Auftrag Preußens Dank – denn wer weiß, wann solche Opferbereitschaft wieder notwendig werden könnte?
Baks Film bewegt sich fließend zwischen historischen Hintergründen, dem Blick auf die Restaurierung durch Katharina Deimel und der Frage nach Bild-Inszenierungen, nach Pseudo-Authentizität. Kurios, wie sich von Werner und sein französischer Kollege Alphonse de Neuville (1836-1885) bei ihren Schlachtengemälden freundschaftlich über Details, etwa Uniformknöpfe, austauschten – der eine auf der Seite der Kriegsgewinner, der andere auf Seiten der in Versailles gedemütigten Verlierer. Der Ruhm von Werners blätterte gegen Ende seines Lebens ähnlich wie der Lack auf manchen Gemälden. Der Film zeigt, wie die Zeitschrift „Simplicissimus“ihn als kaiserlichen Befehlsempfänger veralbert.
Daran hat auch die Diskussion nach dem Film angeknüpft, moderiert von den Redakteurinnen des Films, Sabine Janowitz und Natalie Weber. Paul Burgard argumentiert, von Werner habe seinen Bildern eine starke suggestive Kraft mitgegeben, die vermitteln solle, dass das Abgebildete sich genau so zugetragen habe und nicht anders. Die Gemälde sollten „nur eine einzige Deutung zulassen“.
Die heutige Diskussion über die Gemälde kann er nachvollziehen, „aber sie sind historische Quellen – deshalb hängen sie in einem historischen Museum und nicht in einem Kunstmuseum. Wir sind robust genug als Demokratie, sowas auszuhalten.“Im Herbst sollen zwei Bücher des Landesarchivs erscheinen, über die Restaurierung und über die Debatte. Laurent Thurnherr findet es wichtig, die Bilder zu zeigen – aber mit Erklärung und Einordnung in die Zusammenhänge. Eine französische Version des SRFilms fände er „formidabel“. Simon Matzerath vom Historischen Museum Saar könnte sich vorstellen, die Werke nach Frankreich auszuleihen. Zur Debatte um die Gemälde sagt er: „Unser Auftrag ist es, saarländische Landesgeschichte zu konservieren. Wir können nicht Quellen außer Acht lassen, um Diskussionen zu verhindern. Diskussionen machen die Gesellschaft stark.“
Der Ruhm von Werners blätterte gegen Ende seines Lebens ähnlich wie der Lack auf manchen Gemälden.
„Bilder der Macht“steht seit seiner Ausstrahlung am Donnerstag ein Jahr lang in der Mediathek des SR.