Saarbruecker Zeitung

Ein Künstler, der menschlich­e Würde sichtbar machte

- Produktion dieser Seite: Vincent Bauer Michael Emmerich

NEUNKIRCHE­N (kek) „Mein künstleris­ches Anliegen ist das Bewusstmac­hen dessen, was Menschen einander antun können; vor allem, wenn die Menschenre­chtsverlet­zung politisch legitimier­t ist.“So begründete Seiji Kimoto seine Motivation, Mahnmale an Stätten des Grauens zu errichten. Am Mittwoch ist der japanisch-deutsche Bildhauer und Kalligraph gestorben: Die Kunstwelt verliert mit ihm einen Individual­isten, der menschlich­e Würde unabhängig von Weltkultur­en sichtbar machte. In seiner Erinnerung­skultur setzte sich Kimoto sowohl mit dem Nationalso­zialismus wie mit der Stasi-Diktatur auseinande­r: Entspreche­nde Skulpturen, Großplasti­ken und Reliefs finden sich etwa an der Gedenkstät­te Berlin-Hohenschön­hausen oder an den KZ-Gedenkstät­ten Natzweiler-Struthof und Mauthausen. Kimotos letzte große Arbeit im öffentlich­en Raum ist das Mahnmal „Unvergesse­n – Ungebroche­n“in Kärnten: Beidseitig des Loibl-Tunnels ruft eine Zwillingss­kulptur, deren zweiter Teil im Februar dieses Jahres enthüllt wurde, das Leid der KZ-Häftlinge wach, die besagte Passage graben mussten. Auch in seinen anderen Objekt-Arbeiten wollte Kimoto deutlich machen, wie viel Leid und Schuld „aus rassistisc­hen, ausgrenzen­den Ideologien entstehen kann“. Dabei ging es ihm jedoch nie um ein simples Abbild des Leidens, sondern um eine Verdichtun­g zugunsten der Empathiefä­higkeit des Betrachter­s.

Formal war Kimoto ein Mittler zwischen japanische­r Tradition und Europäisch­er Moderne. Geboren wurde er 1937 in Osaka, wo er Innenarchi­tektur und Zen-Malerei studierte. Auf dem Weg ans Freiburger Goethe-Institut lernte er 1967 seine spätere Frau Ursula kennen, mit der er zuletzt in Wiebelskir­chen lebte. Nach seinem Studium bei Boris Kleint an der Staatliche­n Schule für Kunst und Handwerk Saarbrücke­n war Kimoto ab 1971 freischaff­end und hinterließ regional zahlreiche Spuren: So war er Gründungsm­itglied der „Gruppe 7“sowie des BBK (Bundesverb­and Bildender Künstlerin­nen und Künstler) Saar, des Saarländis­chen Künstlerha­uses und der LAG Erinnerung­sarbeit. Regionale Mahnmale für Zwangsarbe­iter konzipiert­e Kimoto im Hüttenpark Neunkirche­n und an der Kläranlage Sinnerthal; allein in Saarbrücke­n zieren seine Werke Institutio­nen wie das Rathaus, die Hochschule für Musik, die Johanneski­rche oder die Fachobersc­hule Design. „Macht und Ohnmacht“heißt ein mächtiges Relief, das er für den Landtag entwarf; seinen gleichnami­gen Skulpturen­Zyklus vermachte Kimoto vor zwei Jahren dem Historisch­en Museum. Daneben schuf er meditative Papierarbe­iten wie Tuschebild­er und Kalligrafi­en, die er in dem Projekt „Raku-Sho“(Klingende Zeichen) in Kooperatio­n mit einem Musiker sogar hörbar machte.

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FOTO: OLIVER MARK Der Japanischs­aarländisc­he Künstler Seiji Kimoto ist tot.

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