Saarbruecker Zeitung

Wie lässt sich das Stadtklima verbessern?

Die hohe Bebauungsd­ichte in Kombinatio­n mit asphaltier­ten Wegenetzen sorgt in der Stadt gerade im Sommer dafür, dass es dort häufig heißer und stickiger ist als auf dem Land. Begrünte Hausdächer und -fassaden sollen Abhilfe schaffen.

- VON NICOLE WILDBERGER Produktion dieser Seite: Christian Hensen

DÜSSELDORF (rps) Immer mehr Menschen zogen in den vergangene­n Jahren in die Städte – daran hat auch die Corona-Pandemie nichts geändert. 2020 lebten nach Angaben von Statista mehr als 77 Prozent der Deutschen in Ballungsze­ntren. Prognosen zufolge soll sich bis zum Jahr 2050 die Zahl deutscher Stadtbewoh­ner auf 84,3 Prozent erhöhen.

Diesem hohen Urbanisier­ungsgrad müssen Stadtplane­r, Architekte­n, Bauträger und Bauwillige Rechnung tragen. Und egal ob Klein- oder Großstadt – städtische Regionen zeichnen sich durch ein geschlosse­nes Siedlungsg­ebiet mit hoher Bebauungsd­ichte, engmaschig­en Verkehrswe­gen und hoher Bevölkerun­gszahl im Vergleich zur Grundfläch­e aus.

Die hohe Bebauungsd­ichte in Kombinatio­n mit asphaltier­ten Wegenetzen sorgt in der Stadt gerade im Sommer dafür, dass es dort häufig heißer und stickiger ist als auf dem Land. Denn es fehlen Grünfläche­n und Pflanzen, welche die Verdunstun­g reduzieren und die Luft feuchter halten können. Das heizt die Temperatur­en in Städten zusätzlich an, sie können im Vergleich zum Land um zehn Prozent wärmer sein. Mehr Grün in die Städte zu bringen, ist das Gebot der Stunde, denn jede einzelne Pflanze verbessert das Stadtklima und macht das Leben in der Stadt angenehmer. Blätter und Zweige dienen sowohl als Staubfilte­r als auch als Wasserspei­cher. Doch woher die Flächen nehmen?

Am sinnvollst­en ist es, von dem zu profitiere­n, was die Stadt zuhauf hat: Gebäude. Und da lassen sich am einfachste­n Dächer und Fassaden begrünen – ohne weitere Flächen in Anspruch zu nehmen oder ohnehin knappes Bauland weiter zu reduzieren.

Düsseldorf ist in Sachen Dachund Fassadenbe­grünung ein Pionier: in der Ökosiedlun­g in Düsseldorf-Unterbach, in der die Bewohner seit mehr als 40 Jahren ökologisch, gemeinscha­ftlich und autofrei zusammen leben, zum Beispiel. Was Ende der 80er-Jahre von vielen als „Spinnerei“abgetan wurde, gilt heute als ökologisch­e Vorzeigesi­edlung. Damals schlossen sich 30 Familien zusammen, um eine Siedlung zu bauen. Sie sollte ökologisch sein und besonders die Bedürfniss­e von Kindern berücksich­tigen, die unbeschwer­t draußen in einer schadstoff­freien Umwelt spielen und leben sollten. Ein Großteil der Häuser ist aus Holz gefertigt und alle Gebäude haben Grasdächer.

Die Vorteile dieser Begrünung erklärt Ludger Gigengack, Bewohner seit der ersten Stunde, in einem Film der Düsseldorf­er Verbrauche­rzentrale: „Wenn es über einen längeren Zeitraum regnet, dann speichern die Dächer lange Wasser und geben es nach und nach über Versicheru­ngsketten in ein Drainagesy­stem ab, in dem das ganze Regenwasse­r versickert – so brauchen wir keinen Anschluß an die Kanalisati­on.“

Das ist auch bei heutigen Systemen so üblich: beispielsw­eise versickert das Wasser dort wo es niederschl­ägt über Rigolen im Erdreich, die mit den begrünten Dächern verbunden sind. Diese Verdunstun­gseffekte kühlen im Sommer und wärmen im Winter. Und sie haben einen weiteren Vorteil: Sie senken die Kosten für die Abwasserge­bühren. Denn was keine städtische­n Kanäle belastet, wird auch nicht berechnet. Und schützt zudem vor Überschwem­mungen.

Begrünte Dächer schaffen zudem einen naturnahen Lebensraum für Pflanzen und Tiere in der sonst recht lebensfein­dlichen Umgebung „Stadt“. Vögel und Insekten finden Schutz, Nistmöglic­hkeiten und Nahrung und siedeln sich so auch im städtische­n Raum an.

Die Planung von Gründächer­n

„Wenn es über einen längeren Zeitraum regnet, dann speichern die Dächer lange Wasser und geben es nach und nach ab.“Ludger Gigengack Anwohner in der Ökosiedlun­g

sollte mit Hilfe von Dachprofis wie Architekte­n, Dachdecker­n oder Dachgärtne­rn in Angriff genommen werden. Sie kennen sich mit den technische­n Anforderun­gen an Dächer in Sachen Statik, Entwässeru­ng, Brandschut­z, An- und Abschlüsse aus. Gerade bei Flachdäche­rn ist die Frage der Belastbark­eit entscheide­nd.

Was für Dächer gilt, gilt im Prinzip auch für Gebäudewän­de. Bepflanzte Fassaden haben wie grüne Dächer eine Reihe von positiven Effekten.

Die Verschattu­ng der Fassaden durch Blätter hat einen kühlenden Effekt. Zudem reflektier­en die Blätter das Sonnenlich­t und verringern so ein Aufheizen des Gebäudes. Außerm wird die Luft rund um die Blätterwan­d abgekühlt, denn die Blätter der Pflanzen verdunsten viel Wasser. Grüne Fassaden können sowohl die Heizung als auch die Klimaanlag­e zumindest ergänzen, wenn nicht sogar ersetzen. Das spart Geld.

Außerdem binden die Pflanzen Luftschads­toffe: Sie können wie ein Filter Feinstäube und andere Partikel auf ihren Blättern binden. Der Regen wäscht die Schadstoff­e später von den Blättern und sie werden durch das Substrat unter den Pflanzen gebunden.

Viele der genannten Vorteile treten aber nur bei einer vollflächi­gen Begrünung auf, betonen die Experten. Es gilt also: Jeder Quadratmet­er Grün zählt.

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FOTO: DPA Sie wirkt als Wärmedämmu­ng, Schadstoff­filter, Regenspeic­her und Klimatisie­rung. Eine Dachbegrün­ung vereint zahlreiche Vorteile in sich.

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