Saarbruecker Zeitung

Ein Marathon mit kostspieli­gen Beschlüsse­n

Höhere Schulden, ein höherer Mindestloh­n und höhere Renten: Der Bundestag stimmt über wichtige Vorhaben der Ampelkoali­tion ab.

- VON JANA WOLF

BERLIN Sylt war am Freitag im Bundestag in aller Munde. Das ist nicht nur der Tatsache geschuldet, dass Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP) Anfang Juli auf der Nordseeins­el heiraten wird. Sylt ist auch ein begehrtes Ziel für Bahnreisen mit dem Neun-Euro-Ticket, das wie andere Entlastung­smaßnahmen der Ampelkoali­tion mit neuen Schulden finanziert wird. Und der GrünenHaus­haltspolit­iker Sven-Christian

Kindler nahm auf Sylt zu findende teure Sportwagen und Champagner allerorten zum Anlass, dem Finanzmini­ster mehr Umverteilu­ng von Reichtum ans Herz zu legen. Im Kern also ging es zum Abschluss der Haushaltsw­oche – natürlich – ums Geld.

Haushalt Der Bundeshaus­halt 2022 ist nun beschlosse­ne Sache. Die Ampelkoali­tion veranschla­gt insgesamt mehr als 495 Milliarden Euro in ihrem ersten Regierungs­jahr. Dabei setzte der Bundestag die Schuldenbr­emse erneut außer Kraft. Begründet wird dies mit der „außergewöh­nlichen Notsituati­on“, die den Folgen des russischen Angriffskr­ieges in der Ukraine und der Corona-Pandemie geschuldet sei. Für 2022 sind 138,9 Milliarden Euro an neuen Schulden geplant. Scharfe Kritik kam aus den Reihen der Union: „Das ist kein Haushalt, das ist ein Schuldenbe­rg“, sagte CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt an die Adresse von Finanzmini­ster Lindner. Im Haushalt 2023 will Lindner die Schuldenbr­emse wieder einhalten. „Wir beenden jetzt die Sucht nach immer mehr Schulden und immer mehr Subvention­en“, so der FDP-Politiker.

Sonderverm­ögen Drei Tage nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine, am 27. Februar, hatte Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) in seiner viel zitierten „Zeitenwend­e“Rede im Bundestag das sogenannte Sonderverm­ögen in Höhe von 100 Milliarden Euro angekündig­t. Nach mehr als drei Monaten kontrovers­er Debatten, vor allem über die Verwendung der Mittel, gab das Parlament am Freitag nun grünes Licht dafür. Für das Sonderverm­ögen wurde eine eigene Kreditermä­chtigung geschaffen. Für die erforderli­che Änderung des Grundgeset­zes müssen mindestens zwei Drittel aller Parlamenta­rier zustimmen. Mit Spannung war erwartet worden, wie die AmpelAbgeo­rdneten votieren. Am Ende stimmten 567 Abgeordnet­e für die Grundgeset­zänderung, das waren 76 Stimmen mehr als unbedingt notwendig. Damit die Änderung in Kraft tritt, muss auch der Bundesrat mit Zwei-Drittel-Mehrheit zustimmen. Verteidigu­ngsministe­rin Christine Lambrecht (SPD) sprach im Bundes

„Das ist kein Haushalt, das ist ein Schuldenbe­rg.“Alexander Dobrindt CSU-Landesgrup­penchef

tag von einem Ertüchtigu­ngspaket, das es in der Geschichte der Bundeswehr so noch nicht gegeben habe. Nun sei „Schluss mit der Mangelverw­altung“, betonte Lambrecht. Die Union griff in der Debatte mehrfach den Streit um die Mittelverw­endung auf. Es sei erforderli­ch, „die Mittel zu 100 Prozent auf die Bundeswehr zu konzentrie­ren“, sagte der CDU-Politiker Mathias Middelberg.

Mindestloh­n Auch das Gesetz von Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) zur Erhöhung des Mindestloh­ns ist jetzt beschlosse­n. Damit soll die Lohnunterg­renze ab 1. Oktober von bisher 9,82 Euro auf zwölf Euro pro Stunde steigen, in einem Zwischensc­hritt ab 1. Juli bereits auf 10,45 Euro. Für sechs Millionen Menschen in Deutschlan­d – vor allem Frauen und Beschäftig­te in Ostdeutsch­land – sei dies „möglicherw­eise der größte Lohnsprung in ihrem Leben, um 22 Prozent“, sagte Minister Heil im Bundestag. „Es gilt in diesen schwierige­n Zeiten, unsere Gesellscha­ft zusammenzu­halten.“

Die Unionsfrak­tion enthielt sich bei dem Beschluss, lehnte den Mindestloh­n von zwölf Euro aber nicht grundsätzl­ich ab. Stattdesse­n kritisiert­e sie in erster Linie das Zustandeko­mmen der Summe. „Ein staatliche­r Eingriff in die Lohnfindun­g muss sehr gut begründet sein“, sagte Axel Knoerig, Vorsitzend­er der Arbeitnehm­ergruppe der Unionsfrak­tion, unserer Redaktion. Minister Heil habe die dafür geschaffen­e Mindestloh­n-Kommission entmachtet und wolle Löhne „politisch festsetzen“. Zur Enthaltung der Union konterte Heil: „Das ist peinlich.“Eine

Enthaltung sei keine Haltung, so der Minister.

Rente Ein weiteres wichtiges Gesetz von Arbeitsmin­ister Heil kommt den Rentnern in Deutschlan­d zugute. Der Bundestag stimmte für eine deutliche Rentenerhö­hung und für Verbesseru­ngen in der Erwerbsmin­derungsren­te. Zum 1. Juli werden die Renten im Westen um 5,35 Prozent steigen, im Osten um 6,12 Prozent – die stärkste Erhöhung seit rund 30 Jahren. (weitere Details im Text darunter)

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FOTO: KAPPELER/DPA Zur Stärkung der deutschen Streitkräf­te hat der Bundestag am Freitag mit großer Mehrheit das 100 Milliarden Euro umfassende Sonderverm­ögen Bundeswehr verabschie­det.

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