Kein Sieg für Kanzler Olaf Scholz
Olaf Scholz hat sein zentrales Versprechen aus seiner Zeitenwende-Rede eingelöst: Das Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr ist am Freitag vom Bundestag beschlossen worden. Wahrlich keine Kleinigkeit. Das sind 100 Milliarden Euro zusätzlicher Schulden. Für das Sondervermögen wurde dann auch extra das Grundgesetz geändert. Das ist ebenfalls nicht ohne – bei Eingriffen in die Verfassung sollte man immer alarmiert sein. Konkret umso mehr, wo doch der Finanzbedarf auch anderswo groß ist. Aber es herrscht Krieg in Europa. Und die Bundeswehr ist in einem absolut maroden Zustand.
Als Sieger steht der Kanzler nach der Entscheidung aber nicht da. Die Genese des Sondervermögens ist eher ein Beleg dafür, dass die Ampel längst ihren Zauber verloren hat. Sicher, keiner hat sich den Krieg gewünscht; er ist auch für die deutsche Politik eine Herausforderung, die an viele Grenzen geht. Aber der Umgang mit dieser historischen Bedrohung hat die rot-gelb-grünen Reihen nicht geschlossen, sondern schonungslos die Fragilität des Bündnisses offengelegt. Wie schon bei der Frage der Lieferung von schweren Waffen an die Ukraine.
Scholz hat die Koalitionäre seinerzeit mit dem Sondervermögen überfahren. In der SPD musste der Widerstand mühsam abgeräumt werden. Die Grünen hätten das Geld viel lieber breiter gestreut als jetzt vereinbart. Und die FDP? Auch sie hat nur zähneknirschend mitgemacht, schon ahnend, was dies für ihren Finanzminister Christian Lindner bedeuten würde – notgedrungen die Abkehr von seinem Ziel, Minister der soliden Haushaltsführung sein zu wollen. Letztendlich hat in der Ampel nicht die Überzeugung obsiegt, sondern schlichtweg die Anerkennung von Notwendigkeiten. Auch so kann man Politik machen. Aber auf Dauer trägt das nicht.
Hinzu kommt: Ohne die Opposition hätte Scholz das Vorhaben wegen der nötigen Zweidrittelmehrheit in der Form nicht umsetzen können. Oppositionsführer Friedrich Merz hat die Muskeln zwischenzeitlich spielen lassen; auch, um die Verwerfungen in der Ampel zu vergrößern. Das Sondervermögen in Reinkultur für die Bundeswehr ist freilich der Hartnäckigkeit des Unions-Fraktionschefs und seiner Mitstreiter zu verdanken. Merz hat Scholz und dessen Vorhaben gerettet. Er ist der Sieger, nicht der Kanzler. Schon beim Bundestagsbeschluss zur Lieferung von schweren Waffen an Kiew punktete eher die Opposition als die Regierung.
Die Zeiten werden nun nicht leichter für die Ampel und für den Kanzler. Spannungen unter einzelnen Ministern wie Habeck und Lindner treten immer sichtbarer zutage, gerade die FDP steht unter Druck, weil es ihr nicht gelingt, ihre Handschrift in der Koalition deutlich zu machen. Außer vielleicht beim nicht gewinnbringenden Thema Corona. Noch sind die Fliehkräfte nicht so stark, als dass sich das Bündnis in Gefahr befinden könnte. Aber intern wird schon kräftig an der für 2023 geplanten Rückkehr zur Schuldenbremse gerüttelt. „Lieber neue Wahlen als neue Schulden“, meinte Lindner kürzlich. Man sollte ihn ernst nehmen.