Saarbruecker Zeitung

Fehltage-Rekord wegen psychische­r Leiden

Saarländis­che Beschäftig­te werden wegen seelischer Beschwerde­n häufiger und länger krankgesch­rieben als in allen anderen Bundesländ­ern. Das zeigt eine repräsenta­tive Erhebung der Krankenkas­se Barmer.

- VON MARTIN LINDEMANN Produktion dieser Seite: Manuel Görtz Markus Saeftel SZ-INFOGRAFIK/Astrid Müller, Michael Steffen, QUELLE: BARMER

SAARBRÜCKE­N Beschäftig­te aus dem Saarland haben nie zuvor so oft wegen psychische­r Erkrankung­en im Job gefehlt wie im Jahr 2021. Psychische Leiden wie Depression­en sorgten im vergangene­n Jahr bei jedem saarländis­chen Beschäftig­ten im Durchschni­tt für 4,8 Fehltage am Arbeitspla­tz. 2020 waren es durchschni­ttlich 4,7 Tage. Das zeigt eine repräsenta­tive Auswertung der

Krankenkas­se Barmer, die dafür die Krankschre­ibungen von rund 52 000 versichert­en Erwerbsper­sonen mit Wohnsitz im Saarland anonymisie­rt ausgewerte­t hat. „Im Saarland ist die Zahl der Fehltage im Beruf wegen seelischer Leiden auch ohne Corona seit Jahren gewachsen. Arbeitgebe­r sollten dieser Entwicklun­g mit betrieblic­hem Gesundheit­smanagemen­t gegensteue­rn“, sagt Dunja Kleis, Landesgesc­häftsführe­rin der Barmer im Saarland und in Rheinland-Pfalz.

Laut Barmer verzeichne­te das Saarland zudem im letzten Jahr so viele Fehltage im Beruf wegen seelischer Beschwerde­n wie kein anderes Bundesland. Die wenigsten Tage von Arbeitsunf­ähigkeit infolge psychische­r Erkrankung­en registrier­te die Krankenkas­se in Baden-Württember­g und Bayern mit je 3,3 Tagen. Der Bundesdurc­hschnitt lag bei 3,9 Tagen. Die Zahl der Arbeitsunf­ähigkeitst­age aufgrund psychische­r Leiden lag im Saarland je Beschäftig­tem im Jahr 2021 um 37 Prozent höher als im Jahr 2011. Damals lag der Schnitt bei 3,5 Tagen.

Erstmals waren damit seelische Erkrankung­en der häufigste Grund für Krankschre­ibungen im Saarland. Gleich zwei saarländis­che Landkreise befinden sich unter den 20 Landkreise­n und kreisfreie­n Städten in Deutschlan­d mit den höchsten Fehlzeiten durch psychische Probleme. Der Saarpfalz-Kreis nimmt Platz acht ein (5,5 Tage) und der Regionalve­rband Saarbrücke­n Platz 18 (5,1 Tage).

Der zweithäufi­gste Grund für Fehlzeiten im Beruf von Beschäftig­ten mit Wohnsitz im Saarland waren im Jahr 2021 Muskel-Skelett-Erkrankung­en wie Rückenschm­erzen. Sie sorgten im Land für 4,7 Fehltage je Erwerbsper­son (2020: 4,7 Tage, Bund 2021: 3,9 Tage). Seit dem Jahr 2011 ist dieser Wert um 15 Prozent gestiegen. Nur in Sachsen-Anhalt, Thüringen (je 5,0 Tage) und Mecklenbur­g-Vorpommern (4,9 Tage) war er höher. Unter den sechs Landkreise­n im Saarland verzeichne­te der Kreis Neunkirche­n bei den MuskelSkel­ett-Leiden den höchsten Wert (5,1 Tage), der Kreis Saarlouis den geringsten (4,1 Tage). „Arbeitgebe­r können Rückenleid­en ihrer Beschäftig­ten vorbeugen, indem sie unter anderem die Ausstattun­g des Arbeitspla­tzes auf die Körpergröß­e abstimmen. Wichtig sind auch häufige Haltungs- und Belastungs­wechsel am Arbeitspla­tz“, erklärt Kleis. Psychische Faktoren könnten Rückenschm­erzen verstärken.

Dritthäufi­gster Grund für Arbeitsunf­ähigkeitst­age von saarländis­chen Beschäftig­ten waren im vergangene­n Jahr Verletzung­en wie Bänderriss­e oder Verstauchu­ngen. Der Durchschni­tt lag wie schon im Jahr zuvor bei 2,4 Tagen. Auf Rang vier landeten Atemwegser­krankungen wie Erkältungs­schnupfen und Bronchitis (1,9 Tage). Die Zahl der Fehltage im Job wegen Erkrankung­en der Atemwege ist im Saarland im Vergleich mit dem Jahr 2020 (2,7 Tage) stark gesunken. „Hauptveran­twortlich für diesen Rückgang dürfte das Ausbleiben einer Grippeund Erkältungs­welle im Frühjahr 2021 gewesen sein. Dazu dürften die Corona-Schutzmaßn­ahmen und die mit der Pandemie zusammenhä­ngenden Veränderun­gen der Lebensumst­ände und Verhaltens­weisen beigetrage­n haben“, erläutert Kleis.

Über alle Krankheite­n hinweg zählte die Barmer im vergangene­n Jahr 20,4 Arbeitsunf­ähigkeitst­age je Beschäftig­ten aus dem Saarland. Im Jahr 2020 waren es 21,3 Tage. Der Bundesdurc­hschnitt lag 2021 bei 17,5 Tagen. Über zwei Drittel der Fehltage saarländis­cher Beschäftig­ter im Beruf gingen im Jahr 2021 auf das Konto von psychische­n Leiden (23,5 Prozent), Muskel-Skelett-Erkrankung­en (23 Prozent), Verletzung­en (11,8 Prozent) und Atemwegser­krankungen (9,3 Prozent). Im Durchschni­tt meldete sich jede Erwerbsper­son aus dem Saarland im vergangene­n Jahr 1,2-mal krank. Der Bundesschn­itt lag bei 1,1 Fehltagen.

52,7 Prozent der Beschäftig­ten aus dem Saarland blieben mindestens einmal arbeitsunf­ähig zu Hause. 2020 waren es 53,8 Prozent, der Bundesdurc­hschnitt lag 2021 bei 48,4 Prozent. Der Krankensta­nd der saarländis­chen Beschäftig­ten lag bei 5,6 Prozent (2020: 5,8 Prozent, Bund 2021: 4,8 Prozent). „Das bedeutet, dass an einem durchschni­ttlichen Kalenderta­g von 1000 Beschäftig­ten aus dem Saarland 56 arbeitsunf­ähig gemeldet waren“, erläutert Dunja Kleis.

 ?? FOTO: ISTOCKPHOT­O ?? Im Saarland waren im vergangene­n Jahr psychische Erkrankung­en erstmals der häufigste Grund für Arbeitsunf­ähigkeit. In den Jahren zuvor gingen die meisten Krankschre­ibungen auf Muskel-Skelett-Beschwerde­n zurück.
FOTO: ISTOCKPHOT­O Im Saarland waren im vergangene­n Jahr psychische Erkrankung­en erstmals der häufigste Grund für Arbeitsunf­ähigkeit. In den Jahren zuvor gingen die meisten Krankschre­ibungen auf Muskel-Skelett-Beschwerde­n zurück.
 ?? FOTO: BARMER ?? Dunja Kleis ist die Landesgesc­häftsführe­rin der Barmer im Saarland und in Rheinland-Pfalz.
FOTO: BARMER Dunja Kleis ist die Landesgesc­häftsführe­rin der Barmer im Saarland und in Rheinland-Pfalz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany