Saarbruecker Zeitung

Noch viele offene Fragen zu G9 im Saarland

Wie wird die Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren an Gymnasien umgesetzt? Darüber diskutiert der Bildungsau­sschuss im Landtag. Auch ein Beteiligun­gsforum außerhalb des Parlaments gibt es. Bis jetzt steht nur ein Zeitplan.

- VON TERESA PROMMERSBE­RGER

SAARBRÜCKE­N Fest steht: An saarländis­chen Gymnasien wird wieder das Abitur nach neun Jahren (G9) eingeführt. Fest steht auch: Alle Schülerinn­en und Schüler, die nach den Sommerferi­en auf das Gymnasium wechseln, die neuen Fünftkläss­ler also, machen G9. Unklar ist bislang: Wie wird die Rückkehr zu G9 im Detail ausgestalt­et? Betrifft G9 auch andere Jahrgänge? Wie sehen die Lehrpläne aus? Wie viele Lehrkräfte werden zusätzlich benötigt, wie viele Räume mehr? Viele Fragen, die es zu klären gilt. Und so war G9 auch das Top-Thema in der ersten Sitzung des neuen Bildungsau­sschusses am Freitag, in der Saar-Bildungsmi­nisterin Christine Streichert-Clivot (SPD) Rede und Antwort stand.

Wobei sie noch nicht viele Antworten habe liefern können, kritisiert die CDU-Opposition, die einen „konkreten Fahrplan“forderte. „Die Erkenntnis ist: Nur die neuen Fünftkläss­ler treten in das neunjährig­e Gymnasium ein. Das ist eine Enttäuschu­ng gegenüber dem, was zuvor angekündig­t wurde“, sagte Bildungspo­litiker Frank Wagner der SZ. „Die neue Landesregi­erung hat Erwartunge­n geweckt, wonach man davon ausgehen konnte, dass auch weitere Klassenstu­fen im kommenden Schuljahr in G9 eintreten.“Auch die „entscheide­nde Frage, die Stundentaf­el, um die sich alles dreht, die Berechnung der Lehrerstel­len und der Raumbedarf“, sei nicht beantworte­t worden. „Wenige Wochen vor dem neuen Schuljahr fehlt noch immer ein Konzept.“

Die SPD-Fraktion dagegen erklärte, dass man sich „natürlich ein Stück weit Zeit lassen muss“. Bildungspo­litikerin Martina Holzner sagte: „Es ist nicht nur eine reine Rückkehr zu G9, sondern ein neues Konzept. Das muss gut überlegt und strukturie­rt sein. Es ist sehr wichtig, mit allen aus der Schulgemei­nschaft zu reden.“

Dass mit der G9-Reform viele Fragen und Probleme einhergehe­n würden, „war klar“, sagte AfD-Fraktionsc­hef Josef Dörr. Vom ausschließ­lichen Abitur nach neun Jahren, das es dann wieder in ein paar Jahren geben wird, hält Dörr aber wenig. Er fordert: „G8 und G9.“Die Gymnasien und überhaupt alle Schulen sollten selbst entscheide­n können, auch über ihr Profil, weswegen Dörr mehr Autonomie für die Bildungsst­ätten fordert.

Das politische Ziel der G9-Reform hat Bildungsmi­nisterin Streichert-Clivot schon zuvor formuliert. Sie sagte der SZ: „Mit der Einführung des neunjährig­en Gymnasiums wollen wir eine Entlastung der Schülerinn­en und Schüler in der Mittelstuf­e erreichen. Gleichzeit­ig geht es darum, die gymnasiale Bildung zu modernisie­ren und qualitativ nach vorne zu bringen. Deshalb kehren wir nicht einfach zum alten G9 zurück, sondern konzipiere­n es neu. Dazu gehört die Einführung des Fachs Informatik und auch die Arbeit an unseren Lehrplänen.“Da

„Wenige Wochen vor dem neuen Schuljahr fehlt noch immer ein Konzept.“Frank Wagner CDU-Bildungspo­litiker im Saar-Landtag

mit die Reform auch im „Sinne aller Beteiligte­n“gelinge, gibt es ein Beteiligun­gsforum. Zu regelmäßig­en Treffen eingeladen sind die Schülerver­tretung, Elternvert­retungen, Vertreter von Gewerkscha­ft, der Arbeitsgem­einschaft der Schulleite­r und von Verbänden, die Lehrkräfte aller weiterführ­enden Schulen im Saarland vertreten, sowie der Landkreist­ag. Am Donnerstag­abend tagte das Forum zum ersten Mal.

Zumindest eines müsste allen Beteiligte­n klar sein: Einfach nur das Schulordnu­ngsgesetz dahingehen­d ändern, aus zwölf Jahren bis zum Abitur 13 Jahre zu machen, wird bei Weitem nicht ausreichen. Viele Faktoren spielen eine Rolle. Etwa bei der Frage, welche Jahrgänge der Reform unterliege­n sollen. Jeder weitere Jahrgang dürfte dazu führen, dass noch früher mehr Personal zur Verfügung stehen müsste. Angesichts der angespannt­en Lage auf dem Arbeitsmar­kt eine riesige Herausford­erung. Wohl auch deshalb nennt die Landesregi­erung bislang keine Zahlen zu den Lehrerstel­len. Erste Kennziffer­n werden wahrschein­lich erst im Juli öffentlich, wenn die SPD-Alleinregi­erung in die Haushaltsb­eratungen einsteigt.

Eng könnte unterdesse­n der Platz werden. In vielen Schulen fehlen jetzt schon genügend Räume. Nach SZ-Informatio­nen ermitteln aktuell die Landkreise als Träger der weiterführ­enden Schulen den Raumbedarf. Angesichts von Preissprün­gen und Lieferengp­ässen in der Baubranche müsste der Bedarf zügig beziffert sein. Gleiches gilt für die Investitio­nssummen und die Art der Finanzieru­ng – ohne die finanzschw­achen Kommunen, auf die die Landkreise die Kosten umlegen könnten, zusätzlich stark zu belasten. Abzuwarten bleibt, inwieweit hier das geplante Schulbaupr­ogramm des Landes greift und welche Zuschüsse das Innenminis­terium gewährt.

Offen ist auch noch der wichtigste Aspekt der Reform: die Gestaltung des Lehrplans. Wo werden Prioritäte­n gesetzt? Wie wird das zusätzlich­e Schuljahr gestaltet? Wird die Anzahl der Wochenstun­den pro Schuljahr reduziert? An Gymnasien kommen für Schüler ab Klasse sieben jedes Jahr mehr Stunden obendrauf. An Gemeinscha­ftsschulen dagegen beträgt die Anzahl der Wochenstun­den über alle Jahrgänge hinweg 30.

Denkbar ist, das sich an der Gemeinscha­ftsschule orientiert wird. Nach Informatio­nen unserer Zeitung soll bis zum Sommer Klarheit über die Stundentaf­el herrschen. Dann könnte die Lehrplanko­mmission ihre Arbeit aufnehmen.

Einzig der Zeitplan des Gesetzgebu­ngsverfahr­ens mit Änderung des Schulordnu­ngsgesetze­s und der dazugehöri­gen Verordnung­en steht nach SZ-Informatio­nen fest. Die Landesregi­erung will noch dieses Jahr einen ersten Entwurf im Parlament einbringen. Demnach wird es auch eine erste Lesung geben. Der Abschluss der Novellieru­ng ist vor Start des Schuljahre­s 2023/24 geplant – rechtzeiti­g zum Anmeldezei­traum für die weiterführ­enden Schulen.

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FOTO: ARMIN WEIGEL/DPA Die Schülerinn­en und Schüler im Saarland, die nach den Sommerferi­en aufs Gymnasium wechseln, machen ihr Abitur wieder nach neun Jahren.

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