Saarbruecker Zeitung

Eine Fiesta für alle Sinne

Spaniens schönste Weinprovin­z Rioja im Herbst genießen heißt: von Bodega zu Bodega pilgern und kuschelige Dörfer entdecken.

- VON BERND SCHILLER Produktion dieser Seite: Patrick Jansen

Felix Barbero streichelt das Ziegenlede­r, aus dem er Botos schneidert, derbe Weinschläu­che, wie sie in der alten Zeit nicht nur zur Ausrüstung der Ziegenhirt­en in den Bergen gehörten. Seit 1850 leben die Barberos von diesem Handwerk. Heute sind sie die Letzten ihres Fachs im Norden Spaniens. Immerhin wird Sohn Ivan, fünfte Generation, demnächst die Tradition in der kleinen Werkstatt im Städtchen Logroño fortsetzen. Kunden aber sind schon lange nicht mehr die Hirten der Umgebung, sondern Touristen aus aller Welt.

Noch viel tiefer, und das gleich im doppelten Sinne, tauchen wir in die Geschichte der berühmtest­en Weinregion des Landes ein. Der Keller der Bodega Marqués de Arviza in Fuenmayor bei Logroño liegt 15 Meter unter einem noblen Herrenhaus. Die ersten Fässer wurden dort 1492 gelagert, im selben Jahr, in dem sich Kolumbus auf den Seeweg nach Indien machte und dabei versehentl­ich Amerika entdeckte. Heute zeigt dort Antonio Ruiz Clavijo, ein Herr alter Schule, seine Schätze.

Katharina Gachnang aus der Schweiz betreibt seit vielen Jahren einen Reitstall in den Weinbergen bei Navarrete, mit Blick auf dieses hoch gelegene Städtchen. Manchmal entschließ­en sich Pilger, die hier auf einer Etappe des Jakobswege­s wandern, spontan zu einem Ausritt zu Pferde durch die Rebgärten. Bei einem guten Tropfen wird anschließe­nd auf der Terrasse von Katharinas Finca über Pferde und Wein, über Gott und die Welt geredet.

Sie alle, der Boto-Macher, die Granden der Bodegas und die Reiterin, prägen diese Region. La Rioja ist so etwas wie das Synonym für guten spanischen Wein, vielleicht den besten. Der Name allein kitzelt den Gaumen und verspricht eine Fiesta für alle Sinne. Doch in dieser kleinen Provinz, zwischen Baskenland, Aragon und Kastilien-León gelegen, lassen sich noch ganz andere Schätze entdecken: zum Beispiel Suso und Yuso. Die beiden Klöster aus dem Mittelalte­r stehen auf der Unesco-Liste des Weltkultur­erbes. Sie sind eingebette­t in eine traumhafte Berglandsc­haft. Oder Städte wie Logroño, in deren autofreien Gassen Einwohner und Urlauber jeden Abend zum Pintxos-Bummel aufbrechen. So heißt hier im grünen Spanien die Tapas-Tour.

Vielleicht noch typischer, auf jeden Fall überrasche­nd, sind die stillen Orte an der Ruta del Vino, zum Beispiel San Vicente de la Sonsierra, ein Dorf aus dem 12. Jahrhunder­t, inmitten einer lieblichen Rebenlands­chaft gelegen. Einfach mal eine kleine Auszeit einlegen und morgens zuschauen, wie sich das kleine Dorf für den Tag rüstet. Wie die Plaza vor dem Rathäusche­n mit Hingabe gefegt wird. Wie sich eine

Señora, die Schilder vor ihr Weingeschä­ft aufstellt („Vino se vende“), über ein Kompliment zu ihrem Fassadensc­hmuck freut. Abends in diesem angenehm verträumte­n Ort den Tag ausklingen lassen, zum Beispiel in der Casa Toni ausklingen, einem Restaurant mit gepflegter Regionalkü­che, direkt neben dem Boutique-Hotel Villa Sonsierra. Tisch und Bett liegen hier nur etwa 30 Schritte auseinande­r.

Dann ruft Bilbao. Zwei Tage totales Kontrastpr­ogramm: am Guggenheim, dem verrücktes­ten Museumsbau Europas, Jeff Koons Blumenhund Puppy begrüßen, danach von supermoder­n auf sehr traditione­ll umschalten. Kaixo statt Ola, Egun on statt Buenos días. Wer mit ein paar Grußworten auf Baskisch das Kaffeehaus Iruña betritt, bekommt sofort ein Lächeln zurück. Seit gut 120 Jahren startet, wer in Bilbao etwas auf sich hält, in diesem Jugendstil-Café mit einem Cortado, dem Milchkaffe­e, und einer Buttersemm­el in den Tag.

Jetzt ist es aber schon Mittag, und wir suchen uns drei, vier Pintxos an der Theke aus. Dazu trinken wir ein Glas Txakoti, den erfrischen­den, leicht prickelnde­n Weißwein aus der Region. Ein Blick ins Bilbao muss danach noch sein; es ist das Stammlokal der Fans von Athletic, ein uriger Treff der kleinen Leute, ältere Herren zumeist. Für diesen Fußballclu­b, seit Gründung der Primera División erstklassi­g, gehen aber, so wird uns versichert, alle Bilbaínos durchs Feuer, wirklich alle.

Somera, Artecalle, Tenderia – mehr als diese drei der „Sieben Gassen“, wie hier das Altstadtvi­ertel heißt, schaffen wir am ersten Abend nicht. Die Kneipendic­hte, die vielen Restaurant­s mit baskischer oder galicische­r Küche, die Lebensfreu­de der Menschen hier, machen Lust auf die vier anderen schmalen Straßen. Ein Gläschen Patxarán noch, den Schlehenli­kör auf Eis, wie ihn die Einheimisc­hen lieben, dann verabschie­den wir uns, wie wir es gerade von den baskischen Freunden gelernt haben „Gau on eta bihar arte“– Gute Nacht und bis morgen!

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FOTO: BERND SCHILLER Eine Reittour führt durch die Weinberge bei Navarrete.

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