Eine Fiesta für alle Sinne
Spaniens schönste Weinprovinz Rioja im Herbst genießen heißt: von Bodega zu Bodega pilgern und kuschelige Dörfer entdecken.
Felix Barbero streichelt das Ziegenleder, aus dem er Botos schneidert, derbe Weinschläuche, wie sie in der alten Zeit nicht nur zur Ausrüstung der Ziegenhirten in den Bergen gehörten. Seit 1850 leben die Barberos von diesem Handwerk. Heute sind sie die Letzten ihres Fachs im Norden Spaniens. Immerhin wird Sohn Ivan, fünfte Generation, demnächst die Tradition in der kleinen Werkstatt im Städtchen Logroño fortsetzen. Kunden aber sind schon lange nicht mehr die Hirten der Umgebung, sondern Touristen aus aller Welt.
Noch viel tiefer, und das gleich im doppelten Sinne, tauchen wir in die Geschichte der berühmtesten Weinregion des Landes ein. Der Keller der Bodega Marqués de Arviza in Fuenmayor bei Logroño liegt 15 Meter unter einem noblen Herrenhaus. Die ersten Fässer wurden dort 1492 gelagert, im selben Jahr, in dem sich Kolumbus auf den Seeweg nach Indien machte und dabei versehentlich Amerika entdeckte. Heute zeigt dort Antonio Ruiz Clavijo, ein Herr alter Schule, seine Schätze.
Katharina Gachnang aus der Schweiz betreibt seit vielen Jahren einen Reitstall in den Weinbergen bei Navarrete, mit Blick auf dieses hoch gelegene Städtchen. Manchmal entschließen sich Pilger, die hier auf einer Etappe des Jakobsweges wandern, spontan zu einem Ausritt zu Pferde durch die Rebgärten. Bei einem guten Tropfen wird anschließend auf der Terrasse von Katharinas Finca über Pferde und Wein, über Gott und die Welt geredet.
Sie alle, der Boto-Macher, die Granden der Bodegas und die Reiterin, prägen diese Region. La Rioja ist so etwas wie das Synonym für guten spanischen Wein, vielleicht den besten. Der Name allein kitzelt den Gaumen und verspricht eine Fiesta für alle Sinne. Doch in dieser kleinen Provinz, zwischen Baskenland, Aragon und Kastilien-León gelegen, lassen sich noch ganz andere Schätze entdecken: zum Beispiel Suso und Yuso. Die beiden Klöster aus dem Mittelalter stehen auf der Unesco-Liste des Weltkulturerbes. Sie sind eingebettet in eine traumhafte Berglandschaft. Oder Städte wie Logroño, in deren autofreien Gassen Einwohner und Urlauber jeden Abend zum Pintxos-Bummel aufbrechen. So heißt hier im grünen Spanien die Tapas-Tour.
Vielleicht noch typischer, auf jeden Fall überraschend, sind die stillen Orte an der Ruta del Vino, zum Beispiel San Vicente de la Sonsierra, ein Dorf aus dem 12. Jahrhundert, inmitten einer lieblichen Rebenlandschaft gelegen. Einfach mal eine kleine Auszeit einlegen und morgens zuschauen, wie sich das kleine Dorf für den Tag rüstet. Wie die Plaza vor dem Rathäuschen mit Hingabe gefegt wird. Wie sich eine
Señora, die Schilder vor ihr Weingeschäft aufstellt („Vino se vende“), über ein Kompliment zu ihrem Fassadenschmuck freut. Abends in diesem angenehm verträumten Ort den Tag ausklingen lassen, zum Beispiel in der Casa Toni ausklingen, einem Restaurant mit gepflegter Regionalküche, direkt neben dem Boutique-Hotel Villa Sonsierra. Tisch und Bett liegen hier nur etwa 30 Schritte auseinander.
Dann ruft Bilbao. Zwei Tage totales Kontrastprogramm: am Guggenheim, dem verrücktesten Museumsbau Europas, Jeff Koons Blumenhund Puppy begrüßen, danach von supermodern auf sehr traditionell umschalten. Kaixo statt Ola, Egun on statt Buenos días. Wer mit ein paar Grußworten auf Baskisch das Kaffeehaus Iruña betritt, bekommt sofort ein Lächeln zurück. Seit gut 120 Jahren startet, wer in Bilbao etwas auf sich hält, in diesem Jugendstil-Café mit einem Cortado, dem Milchkaffee, und einer Buttersemmel in den Tag.
Jetzt ist es aber schon Mittag, und wir suchen uns drei, vier Pintxos an der Theke aus. Dazu trinken wir ein Glas Txakoti, den erfrischenden, leicht prickelnden Weißwein aus der Region. Ein Blick ins Bilbao muss danach noch sein; es ist das Stammlokal der Fans von Athletic, ein uriger Treff der kleinen Leute, ältere Herren zumeist. Für diesen Fußballclub, seit Gründung der Primera División erstklassig, gehen aber, so wird uns versichert, alle Bilbaínos durchs Feuer, wirklich alle.
Somera, Artecalle, Tenderia – mehr als diese drei der „Sieben Gassen“, wie hier das Altstadtviertel heißt, schaffen wir am ersten Abend nicht. Die Kneipendichte, die vielen Restaurants mit baskischer oder galicischer Küche, die Lebensfreude der Menschen hier, machen Lust auf die vier anderen schmalen Straßen. Ein Gläschen Patxarán noch, den Schlehenlikör auf Eis, wie ihn die Einheimischen lieben, dann verabschieden wir uns, wie wir es gerade von den baskischen Freunden gelernt haben „Gau on eta bihar arte“– Gute Nacht und bis morgen!