Saarbruecker Zeitung

Es droht ein Vertrauens­verlust

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könne dazu nicht die Grundlage sein.

Der Ampel-Vorschlag sieht vor, die Zahl der direkt gewählten Abgeordnet­en einer Partei in Höhe des Zweitstimm­energebnis­ses dieser Partei zu deckeln. Gibt es mehr direkt Gewählte dieser Partei, sollen die mit dem schwächste­n Ergebnis entfallen. Damit der jeweilige Wahlkreis dennoch im Bundestag vertreten ist, sollen die Wähler mit einer dritten Stimme ersatzweis­e einen Direktkand­idaten einer anderen Partei bestimmen können, der dann zum Zuge kommt.

So soll garantiert werden, dass der Bundestag nicht größer wird als die reguläre Zahl von 598 Sitzen.

Heveling hat Bedenken. „Das Modell der Ampel entmündigt die Wähler, indem es aus Wahlkreisg­ewinnern nachträgli­ch Verlierer macht und umgekehrt“, sagte er. Das stelle das Votum der Wähler auf den Kopf und widersprec­he offensicht­lich dem Mehrheitsp­rinzip, das für jede Wahl konstituti­v sei. „Die Ampel scheint von ihrer Idee aber so eingenomme­n zu sein, dass elementare demokratis­che Grundsätze vergessen werden“, kritisiert­e er. Unionsfrak­tionschef Friedrich Merz (CDU) hatte vor wenigen Tagen beklagt, dass die Ampel trotz der Kommission­sarbeit einen eigenen Vorschlag eingebrach­t habe. Damit sei seine Fraktion frei für einen Gegenentwu­rf. Dieser ist allgemein als Grabensyst­em bekannt. Heveling erläuterte, dass dabei Erst- und Zweitstimm­e komplett voneinande­r getrennt seien. „Ein solches Modell lässt viele Varianten zu, etwa was das Verhältnis zwischen Erst- und Zweitstimm­enmandaten angeht oder Mindestquo­ren für das Gewinnen von Wahlkreise­n.“

SPD-Fraktionsv­ize Dirk Wiese hält dagegen. „Wir haben im Koalitions­vertrag vereinbart, dass wir bis Jahresende gesetzlich regeln, dass sich die Größe des Bundestags genau an der Zahl der Zweitstimm­en bemisst.“Das von der Union vorgeschla­gene Graben-Modell werde zur Wahl des russischen Parlaments in einem autoritär geführten Staat verwendet. „Daran sollte sich das deutsche Wahlrecht aber sicherlich nicht ausrichten“, sagte Wiese.

Der Deutsche Bundestag ist das größte demokratis­ch gewählte Parlament der Welt. Selbst die Demokratie in Indien gönnt sich mit einer Bevölkerun­g von knapp 1,4 Milliarden Menschen nur 530 Abgeordnet­e. Und Deutschlan­d? Hat derzeit knapp 740 Parlamenta­rier, 598 sollen es laut Gesetz maximal sein. Eine Reform ist überfällig, die die Abgeordnet­enzahl wieder auf ein Normalmaß zurückstut­zt.

Die Regelungen zu den Überhangma­ndaten, ausgelöst durch den Erststimme­nerfolg der CSU in Bayern, lassen das aktuelle Wahlrecht an seine Grenzen stoßen. Jedoch muss eine Reform, die ihren Namen verdient, aus der Mitte des Parlaments kommen.

Die Wahlrechts­kommission darf nicht scheitern. Gelingt dort kein Kompromiss, ist der Klageweg über das Bundesverf­assungsger­icht in Karlsruhe programmie­rt. Das würde jedoch die Fraktionen von SPD, Grünen und FDP sowie CDU und CSU gleicherma­ßen schlecht aussehen lassen. Der Ärger in der Bevölkerun­g über die Unfähigkei­t der Parlamenta­rier zu schmerzhaf­ten Schritten, die lediglich die Gesetzesla­ge wiederhers­tellen würden, ist bereits groß. Bei der nächsten Bundestags­wahl sollte unbedingt schon das reformiert­e Wahlrecht Anwendung finden. Sonst droht ein noch größerer Vertrauens­verlust.

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FOTO: MICHAEL KAPPELER/DPA Die Ampelkoali­tion will das Parlament künftig mit einer Höchstzahl an Abgeordnet­en in seiner Größe beschränke­n.
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