Von Busfahrerin zur Landtagspräsidentin
Die Wahl der Neunkircherin Heike Becker zur Landtagspräsidentin war eine echte Überraschung. Die Sozialdemokratin, die mehr Transparenz im Parlament will, passt nicht in die gewohnten Karrieremuster.
SAARBRÜCKEN Die neue Landtagspräsidentin Heike Becker war erst wenige Tage im Amt, als sie dem Saarländischen Städte- und Gemeindetag ihre Aufwartung machte. Ein kommunaler Würdenträger erkundigte sich in einer Veranstaltungspause im angeregten Gespräch mit ihr, wer sie denn eigentlich sei: eine Vertreterin der Stadt Saarbrücken?
Die Anekdote löste sich in allgemeiner Heiterkeit auf, und die Masken erschwerten ja auch das gegenseitige Erkennen. Aber sie zeigt, dass die 46-Jährige aus Neunkirchen, die seit dem 25. April protokollarisch die erste Frau im Staat ist, selbst unter politisch Interessierten noch weitgehend unbekannt ist.
Das ist auch kein Wunder. Becker, in der Geschichte des Saarlandes die erste Frau auf dem Präsidentenstuhl, gehört dem Landtag erst seit zweieinhalb Jahren an. Ihre Vorgänger saßen viel, viel länger, zum Teil seit einem Vierteljahrhundert, im Landtag, bevor sie ihn als Präsident repräsentieren durften. Das hinderte Heike Becker nicht daran, schon nach kurzer Zeit ein heißes Eisen anzupacken und mehr Transparenz im Landtag zu fordern (die SZ berichtete).
Becker kommt aus der Neunkircher Stadtverwaltung. Nach einer Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten und einem späteren Aufstieg zur Verwaltungsfachwirtin arbeitete sie von 1995 bis 2019 im Rathaus, unter anderem im Sozialamt, im Büro der damaligen Oberbürgermeister Fritz Decker und Jürgen Fried (beide SPD) und im Kulturamt. Von 2013 bis 2019 war sie, zuletzt als stellvertretende Hauptamtsleiterin, für Stadtratsangelegenheiten zuständig. „Ich sehe mich durch diese sechs Jahre sehr gut vorbereitet auf mein neues Amt als Landtagspräsidentin“, sagt Becker, die nun vom ehemaligen SPD-Abgeordneten Jürgen Renner, ihrem neuen Büroleiter, unterstützt wird.
Der Neunkircher OB Jörg Aumann (SPD) beschreibt seine ehemalige Mitarbeiterin als „verlässlich, fleißig und pflichtbewusst“. Sie sei zudem „unglaublich offen und zugewandt und versprüht stets eine positive Energie“.
Dabei hätte Heike Becker sich gerne längst schon viel früher in Gremien engagiert. „Ich habe das politische Feld von der Jugend an sondiert“, sagt sie. 2007 trat sie in die SPD ein, inzwischen leitet sie die Arbeitsgemeinschaft der Selbstständigen in der Saar-SPD (und nennt als Grund für ihre Affinität zu dieser Personengruppe ihr persönliches Umfeld). Die Gremienarbeit habe sie fasziniert. Doch in den Ortsrat, den Stadtrat oder den Kreistag durfte sie sich als Stadt-Beschäftigte nicht wählen lassen. „Das hat mich etliche Jahre ausgebremst.“
Stattdessen also der direkte Weg in den Landtag: 2019 rückte sie für
Sebastian Thul ins Parlament nach, der Umwelt-Staatssekretär wurde. Becker engagierte sich in der SPDFraktion als baupolitische Sprecherin sowie in den Ausschüssen für Bildung, Wissenschaft, Eingaben, Umwelt und Wirtschaft.
Ein besonderes Anliegen ist ihr ein besserer öffentlicher Nahverkehr – ein Thema übrigens, das Becker nicht nur von der Kundenseite kennt: Die Neunkircherin, schon als Kind vom roten Bahnbus ihres Nachbars angefixt, machte mit Anfang 20 den Lkwund den Busführerschein und fuhr neben ihrem Job im Rathaus mehrere Jahre an Wochenenden Linienbusse, am liebsten die heutige Linie 304 ins Ostertal, „die landschaftlich schönste Strecke“.
Jetzt also Landtagspräsidentin. „Mir ist die Verantwortung dieses Amtes bewusst. Ich werde dieses mit
Demut, aber auch mit großer Freude ausüben“, sagte sie nach ihrer Wahl. Dass ausgerechnet sie Landtagspräsidentin werden würde, hat im Rückblick betrachtet eine gewisse Logik: Zieht man von den 29 SPDAbgeordneten, aus deren Reihen der Präsident kommen musste, diejenigen ab, die nicht infrage kamen, weil sie zum ersten Mal in den Landtag gewählt wurden oder als Minister bzw. für die Fraktionsspitze vorgesehen waren, dann blieben nur noch zwei Abgeordnete übrig: Heike Becker und Christina Baltes. Die eine ist nun Landtagspräsidentin, die andere ihre Stellvertreterin.
Nach kurzer Bedenkzeit sagte Becker zu. „Wenn man entscheidet, Berufspolitikerin zu werden, muss man bereit sein, auch kurzfristig so weitreichende Entscheidungen zu treffen.“
Wie sie die Landtagsarbeit prägen möchte, hat sie bereits in ihrer Antrittsrede umrissen: Die Bürgerbeteiligung soll gestärkt werden, konkret mit einem repräsentativ für die Gesellschaft zusammengesetzten „Bürger*innenrat“, der Empfehlungen zur Frage abgeben soll, welchen Beitrag das Saarland zum Klimaschutz leisten kann. Der Landtag soll ein „offenes und lebendiges Haus der Demokratie“sein und ein Ort für Planspiele und Erlebnispädagogik.
Schließlich will Heike Becker die Präsenz des Landtags in den sozialen Medien ausbauen und Informationen über den Landtag auch in leichter Sprache zugänglich machen. Politik müsse für alle Menschen verständlich sein, sagt sie, „und nicht nur für diejenigen, die sich tagtäglich mit ihr auseinandersetzen“.
„Mir ist die Verantwortung dieses Amtes bewusst. Ich werde dieses mit Demut, aber auch mit großer Freude ausüben.“Heike Becker Saar-Landtagspräsidentin