Die deutsch-französische Kooperation im Fokus
In der Corona-Pandemie wurde der Forbacher Abgeordnete zu einem bekannten Gesicht. Nun tritt er wieder bei der Parlamentswahl an.
FORBACH Seit 2017 vertritt Christophe Arend die Interessen der Menschen im Wahlkreis Forbach in der französischen Nationalversammlung in Paris. Jetzt bewirbt sich der 46-Jährige aus der Partei von Präsident Emmanuel Macron für eine zweite Amtszeit. Im SZ-Interview blickt er auf die Entwicklung der deutsch-französischen Beziehungen und seine größte Enttäuschung zurück.
Herr Arend, Ihre Wahl zum Abgeordneten vor fünf Jahren war wie ein Sprung ins kalte Wasser. Bis dahin waren Sie lediglich auf Gemeindeebene politisch aktiv und hatten eine Zahnarztpraxis. Die Erfahrung scheint aber positiv gewesen zu sein, wenn Sie jetzt wieder antreten?
CHRISTOPHE AREND Das war natürlich eine große Umstellung. Wenn man auf einmal die Interessen von so vielen Menschen vertritt, ist es zugleich eine große Ehre, aber auch eine große Verantwortung. Von Anfang an war es mir aber wichtig, die deutsch-französische Kooperation zu stärken. Denn in Paris ist nicht vielen Abgeordneten klar, was es konkret für die Menschen an der Grenze bedeutet, wenn manche Entscheidungen getroffen oder eben nicht getroffen werden. Ich habe den Eindruck, dass ich in diesem Bereich viel bewegen konnte, und ich möchte da weitermachen.
Mit welchen Ergebnissen, die seit 2017 erzielt wurden, sind Sie am meisten zufrieden?
AREND Ich bin ich sehr stolz darüber, was wir mit unseren deutschen Abgeordnetenkollegen in kurzer Zeit alles auf die Beine stellen konnten. In dieser Zeit wurde die Deutsch-Französische Parlamentarische Versammlung gegründet, und auch die erste deutsch-französische Resolution ist entstanden, die am gleichen Tag sowohl im Bundestag als auch an der Assemblée Nationale debattiert wurde. Und was in Paris weniger sichtbar ist: Mein Team und ich konnten Hunderte Menschen aus unserem Wahlkreis bei individuellen grenzüberschreitenden Problemen helfen. Ein anderes Thema, bei dem ich ebenso sehr engagiert bin, ist der Umweltbereich. Da bin ich sehr zufrieden, dass wir in Frankreich die Renovierungsprämie für die energetische Sanierung verabschieden konnten. Und zwar nicht als einmalige Hilfe im Rahmen des Post-Covid-Maßnahmenpakets, sondern als langfristige Unterstützung. Früher gab es dafür steuerliche Vergünstigungen, aber die Menschen mussten die Kosten vorstrecken, und dazu waren nur die reicheren in der Lage.
Was ist Ihre größte Enttäuschung?
AREND Dass uns nicht gelungen ist, das Problem des Kurzarbeitergeldes für Grenzgänger endgültig zu lösen. Obwohl entsprechende Entscheidungen von deutschen Instanzen gefällt wurden, werden sie immer noch nicht in der Praxis angewendet.
Mit der Bewegung der Gelbwesten und später der Impfgegner ist der Ton im öffentlichen Diskurs in Frankreich rauer geworden. Auch Ihr Wahlkreisbüro wurde angegriffen. Dort wurden Scheiben zerstört. Wie geht man mit solchen Angriffen um und wie hält man als Mandatsträger den Dialog zu Menschen, die sich schlecht repräsentiert fühlen?
AREND Es ist sehr schwer, fast unmöglich. Solange die Menschen den Dialog mit einem suchen, kann man versuchen, ihnen zu helfen. Doch wie soll ich mit jemandem kommunizieren, der Gespräche ablehnt und stattdessen auf Zerstörung setzt? Die Institutionen der Republik sind nicht perfekt. Es ist wichtig, ständig an ihrer Verbesserung zu arbeiten. Aber es muss in einem demokratischen Rahmen geschehen.
Die größte Herausforderung der vergangenen Jahre, vor allem hier an der Grenze, war die Corona-Krise mit der Grenzschließung. Empfinden die Menschen aus Ihrem Wahlkreis noch Ressentiments deswegen oder gehört diese Episode für sie zur Geschichte?
AREND Ich würde nicht von Ressentiments sprechen, aber eine gewisse Vorsicht, manchmal sogar Misstrauen, ist immer noch zu spüren. Die Entscheidungen, wie sie zu diesen Zeitpunkten getroffen und kommuniziert wurden, waren für die Bevölkerung oft nicht verständlich.
Bei allem Engagement für die deutsch-französischen Beziehungen sind Sie bekannt dafür, auch Probleme offen anzusprechen. Was sind aus Ihrer Sicht die Bereiche, in denen beide Länder noch zu einer gemeinsamen Position finden müssen?
AREND Ich arbeite sehr gut mit den deutschen Kollegen zusammen. Viele sind auch Freunde geworden. Aber auch unter Freunden muss man Tacheles reden können, wenn man Differenzen hat. Auf regionaler Ebene würde ich sagen, dass es mehr Harmonisierung bei Themen wie dem Kurzarbeitergeld oder der Entsenderichtlinie, die den Einsatz von Mitarbeitern in anderen EULändern regelt, braucht. Auf nationaler Ebene drängt das Thema Sicherheitspolitik nach vorne. Da sind die Auffassungen noch sehr unterschiedlich, zum Beispiel was die nukleare Abschreckung angeht. Bei allen deutsch-französischen Themen ist es wichtig, dass die Regierungen in Paris und Berlin die Mitglieder der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung mit ins Boot nehmen. Wir arbeiten eng zusammen, wir kennen uns; wissen, wie Politik auf der anderen Seite der Grenze gemacht wird, und sind deshalb gute Vermittler.