Viel Ekstase und kleine Enttäuschungen
Endlich wieder Perspectives. Dort waren über Pfingsten starke Frauen, die Schweizerin Charline Mignot mit „Vendredi sur Mer“und Rapperin Pumpkin. Nur der Festivalclub bietet nach dem langen Warten auf den Perspectives-Neustart wenig Überraschendes.
SAARBRÜCKEN2019 gab es den letzten Perspectives-Festivalclub vor der Corona-Phase. Deshalb war man am Freitag nicht nur gespannt, wie das Publikum die Wiedereröffnung dieses Konzertclubs mit französischen Gästen im Sektor Heimat am Saarbrücker Osthafen annehmen würde, sondern auch wie er aussieht. Hatte die Kreativtruppe dieser subkulturellen Partyzone doch immer den Ehrgeiz, jedes Jahr mit einer neuen phantasievollen Inneneinrichtung der alten Gemäuer zu überraschen.
Die Überraschung dieses Mal hieß aber: Es sieht innen noch genau so aus wie vor drei Jahren, dieselben weißen Lattenkonstruktionen vor schwarzem Hintergrund, welche entfernt an Fischgräten, Spinnennetze und expressionistische Filmkulissen erinnern, zierten den höhlenartig verengten Club.
Das war aber auch schon (fast) die einzige Enttäuschung, die Charline Mignot alias „Vendredi sur Mer“schnell vergessen machte, als sie den Konzertreigen eröffnete. Die ehemalige Modefotografin, die zur Singer-Songwriterin mutiert ist und an diesem Abend ihr neues Album „Metamorphoses“vorstellt, wirkt in ihrem blütenweißen JoggingOutlook sogar ideal gestylt für diese Raumdeko. Ihre Stimme klingt meist lasziv gehaucht und von vielen Effekten umhüllt, kann aber auch voll und stark durch den Electro- und Disco-Pop, den ihr Mann am Pult zaubert, hindurch tönen.
Fit wie ein Turnschuh springt die junge Frau über die Bühne, macht mit ihrer mikrofon-freien Hand neckische Gesten und strahlt gut gelaunt-verführerisch. Doch vielleicht ist all das nur Tarnung, denn in ihren Texten lässt sie auch recht bittere Wahrheiten über das Leben und die Liebe(n) los.
Das nicht nur an diesem Abend überwiegend junge deutsche und französische Publikum im Club bringt die frankophone Schweizerin erstaunlich schnell, schon bei den ersten Titeln zum Tanzen. Und obwohl noch recht neu im Geschäft, hat sie in den ersten Reihen schon etliche Fans, die extra ihretwegen gekommen sind.
Das galt auch für das Duo Pumpkin & Vin’s da Cuero aus Saarbrückens Partnerstadt Nantes, das am Sonntag auftrat. Die Rapperin Pumpkin, alles andere als ein Mäuschen, gibt im verspielten Overall und stoppelhaarig mit überzeugender Leidenschaft die „young angry woman“. Stimmlich und rhythmisch auf sehr hohem Energielevel, von ihrem musikalischen Partner kongenial an der Groovebox und auch mit Gesang unterstützt, hat Pumpkin das Publikum sehr schnell im Griff. Die Stimmung geht in Richtung Ekstase, kaum noch einer steht nur still daneben.
Auch wenn die Texte im LiveKonzert für viele wohl nur schwer zu verstehen sind, sie haben große lyrische Qualität und zugleich Glaubwürdigkeit, und lohnen das nachlesen.
Umweltgipfel seien ja nur zum
Heulen, denn was nützen individuelle Anstrengungen, wenn die Großen alles vergiften und das Glyphosat sich sogar in ihrem Tampon wiederfindet, shoutet sie etwa. Auf Molenbeek reimt sich bei ihr auch schon mal Houellebecq, dem sie das Maul stopfen möchte („Clouer le beq“), wenn es im Song nur darum geht, dass sich frau nicht die Beine rasieren muss.
„Und dafür sind wir sechs Stunden Zug gefahren“, schimpfte sie, als beim Konzert, ihrem ersten im Ausland, kurz eine ScheinwerferPanne eintrat. Ihre CD fanden am Ende so reißenden Absatz, dass sie bestimmt noch einmal nach Saarbrücken kommen wird.
Das Festival Perspectives dauert noch bis Samstag, 11. Juni. Der FestivalClub im Sektor Heimat am Saarbrücker Osthafen öffnet wieder am Freitag,
10. Juni, 22 Uhr, mit dem Konzert von Léonie Pernet, einer bekannten Electropop-Künstlerin der Pariser Club-Szene. Am Samstag, 11. Juni, 22 Uhr, endet das Festival mit dem Konzert von P.R2B. Die Sängerin, die mit bürgerlichem Namen Pauline Rambeau de Baralon heißt, macht Electro Synth Pop mit poetischen Texten. www.festival-perspectives.de