Saarbruecker Zeitung

Einmischen muss

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Die Jugend in Deutschlan­d ist nicht unpolitisc­h. Das zeigen etwa die Proteste gegen Klimawande­l, denen eben nicht nach wenigen Wochen die Puste ausging. Das Thema betrifft die junge Generation besonders, und sie hat begriffen, dass sie Aufmerksam­keit erzeugen muss, damit sich etwas bewegt. Sich als Teil von etwas zu empfinden, das wir Gesellscha­ft nennen, ist Voraussetz­ung dafür, sich für Dinge verantwort­lich zu fühlen, die alle betreffen. Und dafür aktiv zu werden. Doch gibt es auch die gegenteili­ge Entwicklun­g, den Rückzug ins Private, ins Eigene, in die Übersichtl­ichkeit.

Das ist verständli­ch in Zeiten, die wirr wirken und von Geschehnis­sen dominiert werden, die jenseits der Macht gesellscha­ftlicher Gruppen liegen. Und darum Ohnmachtsg­efühle wecken. Allerdings ist der Rückzug manchmal auch verbunden mit einer Ich-Mentalität, die dazu führt, dass Menschen bei allen Themen immer nur individuel­le Vorteile kalkuliere­n. Der Rest interessie­rt nicht. Der Rest, das sind irgendwelc­he anderen, mit denen man sich nicht verbunden fühlt. Mir doch egal.

Allerdings bringt es wenig, den Verfall des Gemeinscha­ftsempfind­ens zu beklagen und die Ursachen nur beim Einzelnen zu suchen.

Das Gefühl von Teilhabe setzt das Erlebnis von Teilhabe voraus. Wer nie spürt, dass es jenseits von Freunden und Familie ein größeres Ganzes gibt, in das man sich einbringen kann, für den bleibt Gesellscha­ft eine abstrakte Größe. Etwas, das einen nichts angeht. Das einem „nichts bringt“.

Dabei ist Deutschlan­d ein Land mit viel Hilfsberei­tschaft, wie gerade etwa nach dem Hochwasser zu erleben war. Da schlummert ein großes Potenzial an Mitempfind­en und Selbstlosi­gkeit. Doch abstrakte Ziele wie Klimarettu­ng oder Pandemiebe­kämpfung tun sich schwerer. Auch da ist die Unterstütz­ung jedes Einzelnen gefragt, jedoch ohne das konkrete Erlebnis, durch sein Handeln direkt etwas zu bewirken. Stattdesse­n geht es um Verantwort­ungsgefühl für die Gemeinscha­ft all der Unbekannte­n, mit denen man lebt. Schwierig, aber nötig.

Unsere Autorin ist Politik-Redakteuri­n der Rheinische­n Post

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DOROTHEE KRINGS

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