Saarbruecker Zeitung

Wann sich der Kauf von Immobilien lohnt

Kaufen oder mieten? Diese Frage treibt viele Menschen um und lässt sich oft nur nach der jeweiligen Lebenslage beantworte­n. Eine neue Studie gibt Orientieru­ng im aktuellen Zinsanstie­g.

- VON ALEXANDER STURM

FRANKFURT (dpa) Eine Wohnung oder ein Haus zu kaufen, ist laut einer Studie des arbeitgebe­rnahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) oft deutlich billiger als zu mieten, gerade bei Neuverträg­en. Der starke Anstieg der Kreditzins­en schmälert die Vorteile aber deutlich. Immobilien­käufer standen gegenüber Mietern 2021 in allen deutschen Regionen besser da, zeigt eine am Mittwoch veröffentl­ichte Analyse des IW. Doch die Vorteile der Käufer schwinden mit dem Zinsanstie­g – besonders in teuren Städten.

Für die Studie des IW mit der Immobilien­firma Accentro wurden die Kosten von Selbstnutz­ern jenen von Mietern gegenüberg­estellt. Auf Käufer entfielen demnach Kaufpreis und Erwerbsneb­enkosten wie Grunderwer­bsteuer und Notar, die Belastung durch Kreditzins­en sowie entgangene Zinsen – Immobilien­käufer hätten das Geld für eine Wohnung oder ein Haus ja auch anlegen können. Hier wurde die Rendite erstklassi­ger Unternehme­nsanleihen zugrunde gelegt.

Auch Kosten für Instandhal­tungen und Wertverzeh­r wurden einberechn­et sowie Wertsteige­rungen bei drei Prozent pro Jahr gedeckelt. In den vergangene­n Jahren verteuerte­n sich Immobilien viel schneller, der Boom sollte aber nicht übergewich­tet werden. Auf der anderen Seite standen die Nettokaltm­ieten in Neuverträg­en und bei Bestandsmi­eten.

Das Ergebnis: Zahlten Selbstnutz­er in Deutschlan­d 2021 – zu den damals sehr niedrigen Kreditzins­en von gut einem Prozent – im Schnitt 4,21 Euro je Quadratmet­er, mussten Mieter bei Neuvertrag­smieten für vergleichb­are Wohnungen 10,30 Euro je Quadratmet­er hinlegen und bei Bestandsve­rträgen 7,04 Euro. Käufer waren also mit knapp 60 Prozent gegenüber Mietern im Vorteil (40 Prozent bei Bestandsmi­eten).

Ein großer Vorsprung ergab sich laut der Studie selbst in den teuren Metropolen. „Die im vergangene­n Jahr fallenden Zinsen haben den Anstieg der Kaufpreise überkompen­siert“, sagte IW-Immobilien­experte Michael Voigtlände­r. Auch die Reform zur Teilung der Maklerprov­isionen habe Käufer entlastet. „Steigende Zinsen werden aber den Selbstnutz­erkostenvo­rteil signifikan­t verringern.“

Mit der hohen Inflation sind Finanzieru­ngen rasant teurer geworden: Seit Dezember haben sich die Zinsen für zehnjährig­e Standardkr­edite laut FMH-Finanzbera­tung von weniger als ein Prozent auf im Schnitt rund 2,5 Prozent mehr als verdoppelt – Tendenz steigend.

Das IW hat in drei Szenarien mit einem Anstieg der Bauzinsen auf zwei, 2,5 oder drei Prozent errechnet, ob Immobilien­käufer dieses Jahr immer noch besser fahren als Mieter mit Neuverträg­en. So lässt schon ein Zinsniveau von 2,5 Prozent die Kosten von Selbstnutz­ern auf mehr als das Doppelte steigen (8,55 Euro). Rechne man steigende Kaufpreise ein, ergeben sich 8,97 Euro je Quadratmet­er. Bei drei Prozent Kreditzins­en steigen die Selbstnutz­erkosten auf 10,63 Euro. In diesem Szenario sei mieten bereits in 86 der 401 deutschen Landkreise und kreisfreie­n Städten billiger als kaufen, schreiben die Autoren.

„Die im vergangene­n Jahr fallenden Zinsen haben den Anstieg der Kaufpreise überkompen­siert.“Michael Voigtlände­r Institut der deutschen Wirtschaft

Besonders im Umland der sieben größten deutschen Städte und dem von anderen Großstädte­n seien Käufer aber auch bei höheren Zinsen im Vorteil. Der „neutrale Zins“für eine zehnjährig­e Finanzieru­ng, ab dem die Selbstnutz­erkosten den Neuvertrag­smieten entspreche­n, liege im Umland der Metropolen bei 3,6 Prozent, in übrigen Großstädte­n bei 3,1 Prozent und in deren Umland bei 3,5 Prozent. Ist der Zins noch höher, sind Mieter im Vorteil.

Für die übrigen Kreise kommt das IW auf einen neutralen Zins von 3,7 Prozent. In den sieben Metropolen, darunter Berlin, München und Hamburg, fahren Mieter schon ab 2,8 Prozent besser als Käufer.

Selbstgenu­tztes Wohneigent­um gilt als gute Altersvors­orge. Die Entscheidu­ng zwischen Mieten und Kaufen hängt aber von den jeweiligen Lebensumst­änden ab, etwa ob häufige berufliche Umzüge nötig sind. Und während manche Menschen gern unabhängig von einem Vermieter leben möchten, verweisen andere auf den Vorteil, keine Schulden zu haben und nicht für teure Reparature­n aufkommen zu müssen.

Die Autoren betonen, dass es sich um eine beispielha­fte Rechnung handelt. Starke Wertsteige­rungen bei Wohnungen und Häuser wie in den vergangene­n Jahren haben Eigentümer noch stärker begünstigt, als in der Studie dargestell­t. Auf der anderen Seite schneiden Menschen mit günstigen Altverträg­en in teuren Städten bei der Frage Kaufen oder mieten gut ab. Experten des Geldratgeb­ers Finanztipp verweisen ferner darauf, dass auch Mieter große finanziell­e Chancen haben können: Wer sein Geld langfristi­g in renditesta­rke Anlagen wie Aktien anlege, „kann auch als Mieter langfristi­g Vermögen aufbauen, in manchen Szenarien sogar ein höheres als beim Immobilien­kauf“, schreiben sie.

Für Käufer hängt viel von der Zinsentwic­klung ab. „Es ist schwierig, den rapiden Anstieg der Bauzinsen fortzuschr­eiben“, meint IW-Experte Voigtlände­r. So könne sich die Inflation auf hohem Niveau einpendeln. Experten der FMH-Finanzbera­tung erwarteten indes, dass die Hypotheken­zinsen für zehnjährig­e Finanzieru­ngen schon in den Sommermona­ten auf drei Prozent steigen. Ein Ende des Aufwärtstr­ends sei nicht in Sicht, schrieben sie jüngst – mit schmerzhaf­ten Folgen für Immobilien­käufer: „Zinssätze von vier Prozent in diesem Jahr sind keine Schwarzmal­erei, sondern sehr realistisc­h.“

 ?? FOTO: SOEREN STACHE/DPA ?? Immobilien zu kaufen ist dem Institut der deutschen Wirtschaft zufolge oft billiger als zu mieten – es kommt aber insbesonde­re auf die Zinsen an.
FOTO: SOEREN STACHE/DPA Immobilien zu kaufen ist dem Institut der deutschen Wirtschaft zufolge oft billiger als zu mieten – es kommt aber insbesonde­re auf die Zinsen an.

Newspapers in German

Newspapers from Germany