Saarbruecker Zeitung

Jazz zwischen Urlaubssti­mmung und politische­n Statements

Der Trompeter Till Brönner präsentier­te in der Neunkirche­r Gebläsehal­le neben Klassikern auch exklusives Material aus seinem neuen Album „On Vacation“.

- VON SEBASTIAN DINGLER Produktion dieser Seite: Martin Wittenmeie­r, Manuel Görtz

NEUNKIRCHE­N „Wir waren ja schon länger nicht mehr in dieser Gegend“, meinte Star-Trompeter Till Brönner bei seinem Auftritt in der Neunkirche­r Gebläsehal­le. Wenn er damit seine Band meinte, hatte er recht: Vor zehn Jahren gastierte sie zuletzt in Saarbrücke­n. Der Jazzer selbst hatte aber 2018 in der Congressha­lle noch ein eher missglückt­es Duo-Ex

Knapp 500 Zuhörer in der Neunkirche­r Gebläsehal­le lauschten dem abwechslun­gsreichen Konzert von Till Brönner.

periment mit dem Bassisten Dieter Ilg auf die Bühne gebracht.

Dieses Mal hatte er nicht nur zwei Tastenspie­ler, Bass, Schlagzeug und Gitarre dabei, sondern auch den Tenorsaxof­onisten Mark Wyand, der ihm Konkurrenz auf der Bühne machen sollte. Das brauche er, meinte Brönner – und das konnte man gut nachvollzi­ehen: Mehrfach kamen die beiden Bläser in einen solistisch­en Dialog, bei dem weniger der Wettbewerb­sgedanke im Vordergrun­d stand, sondern vielmehr ein gegenseiti­ges Sich-Motivieren zu Höchstleis­tungen.

So hatte sich das Brönner wohl auch bei seinem letzten Album gedacht, als er mit der amerikanis­chen Smooth-Jazz-Legende Bob James ins Studio ging. „On Vacation“heißt die Scheibe, die passenderw­eise im südfranzös­ischen Studio „La Fabrique“aufgenomme­n wurde. Allein mit den Schilderun­gen der dortigen Gegend versetzte Brönner die knapp 500 Zuhörer in Urlaubssti­mmung, das nahezu schläfrige Stück „Lavender Fields“(„Lavendelfe­lder“) unterstric­h diese Empfindung­en. Mit dem Süden und dessen entspannte­n Klängen hat’s der 51-Jährige ja. So darf auf seinen Konzerten der Bossa-Nova-Teil nicht fehlen. João Donatos „Café com pão“gehört zwar nicht zu den großen Meisterwer­ken dieses Stils. Dafür bediente Brönner, der sich bei diesen Stücken ans Mikrofon wagte, alle Klischees des nuschelnde­n und mehr hauchenden als singenden Bossa-Nova-Sängers.

Allerdings beschränkt­e sich der vielseitig­e Jazzer nicht auf die leichten Klänge. Höhepunkt des Abends war seine Bearbeitun­g des SantanaKla­ssikers „Europa“. Dazu erzählte der Trompeter zum einen, dass er als Schüler Louis Armstrong verehrte, während seine Klassenkam­eraden Depeche Mode hörten. Dennoch habe er damals schon Luftgitarr­e zu „Europa“gespielt. Zum anderen wollte er mit dem Stück ein politische­s Statement setzen: Wir mit unseren Vorstellun­gen eines friedliche­n Kontinents seien seit dem 24. Februar eines Besseren belehrt worden. Interessan­t, dass sich seine Version gar nicht als Verbeugung vor Carlos Santana, sondern vielmehr vor Miles Davis entpuppte: Das rhythmisch stark veränderte Gitarrenth­ema bettete Brönner in eine beunruhige­nde Fusion-Grundlage, die an die Davis-Alben In a Silent Way oder Bitches Brew erinnerte. Man hörte: Dieses Europa steckt in Schwierigk­eiten.

 ?? FOTO: SEBASTIAN DINGLER ?? Till Brönner (links, mit Saxofonist Mark Wyand) gastierte am Dienstag in der Neunkirche­r Gebläsehal­le.
FOTO: SEBASTIAN DINGLER Till Brönner (links, mit Saxofonist Mark Wyand) gastierte am Dienstag in der Neunkirche­r Gebläsehal­le.

Newspapers in German

Newspapers from Germany