Jazz zwischen Urlaubsstimmung und politischen Statements
Der Trompeter Till Brönner präsentierte in der Neunkircher Gebläsehalle neben Klassikern auch exklusives Material aus seinem neuen Album „On Vacation“.
NEUNKIRCHEN „Wir waren ja schon länger nicht mehr in dieser Gegend“, meinte Star-Trompeter Till Brönner bei seinem Auftritt in der Neunkircher Gebläsehalle. Wenn er damit seine Band meinte, hatte er recht: Vor zehn Jahren gastierte sie zuletzt in Saarbrücken. Der Jazzer selbst hatte aber 2018 in der Congresshalle noch ein eher missglücktes Duo-Ex
Knapp 500 Zuhörer in der Neunkircher Gebläsehalle lauschten dem abwechslungsreichen Konzert von Till Brönner.
periment mit dem Bassisten Dieter Ilg auf die Bühne gebracht.
Dieses Mal hatte er nicht nur zwei Tastenspieler, Bass, Schlagzeug und Gitarre dabei, sondern auch den Tenorsaxofonisten Mark Wyand, der ihm Konkurrenz auf der Bühne machen sollte. Das brauche er, meinte Brönner – und das konnte man gut nachvollziehen: Mehrfach kamen die beiden Bläser in einen solistischen Dialog, bei dem weniger der Wettbewerbsgedanke im Vordergrund stand, sondern vielmehr ein gegenseitiges Sich-Motivieren zu Höchstleistungen.
So hatte sich das Brönner wohl auch bei seinem letzten Album gedacht, als er mit der amerikanischen Smooth-Jazz-Legende Bob James ins Studio ging. „On Vacation“heißt die Scheibe, die passenderweise im südfranzösischen Studio „La Fabrique“aufgenommen wurde. Allein mit den Schilderungen der dortigen Gegend versetzte Brönner die knapp 500 Zuhörer in Urlaubsstimmung, das nahezu schläfrige Stück „Lavender Fields“(„Lavendelfelder“) unterstrich diese Empfindungen. Mit dem Süden und dessen entspannten Klängen hat’s der 51-Jährige ja. So darf auf seinen Konzerten der Bossa-Nova-Teil nicht fehlen. João Donatos „Café com pão“gehört zwar nicht zu den großen Meisterwerken dieses Stils. Dafür bediente Brönner, der sich bei diesen Stücken ans Mikrofon wagte, alle Klischees des nuschelnden und mehr hauchenden als singenden Bossa-Nova-Sängers.
Allerdings beschränkte sich der vielseitige Jazzer nicht auf die leichten Klänge. Höhepunkt des Abends war seine Bearbeitung des SantanaKlassikers „Europa“. Dazu erzählte der Trompeter zum einen, dass er als Schüler Louis Armstrong verehrte, während seine Klassenkameraden Depeche Mode hörten. Dennoch habe er damals schon Luftgitarre zu „Europa“gespielt. Zum anderen wollte er mit dem Stück ein politisches Statement setzen: Wir mit unseren Vorstellungen eines friedlichen Kontinents seien seit dem 24. Februar eines Besseren belehrt worden. Interessant, dass sich seine Version gar nicht als Verbeugung vor Carlos Santana, sondern vielmehr vor Miles Davis entpuppte: Das rhythmisch stark veränderte Gitarrenthema bettete Brönner in eine beunruhigende Fusion-Grundlage, die an die Davis-Alben In a Silent Way oder Bitches Brew erinnerte. Man hörte: Dieses Europa steckt in Schwierigkeiten.