Saarbruecker Zeitung

Am Markt haben nun viele ihr zweites Zuhause

„Kinderhaus & Gemeinwese­narbeit Völklingen-Innenstadt“bietet Familien vieles, was den Alltag erleichter­t – und eine Portion Lebensfreu­de.

- VON THOMAS ANNEN

VÖLKLINGEN Grundschül­er, die ihre Hausaufgab­en machen, fühlen sich in dem schmucken Haus mit dem markanten Erker ebenso wohl wie junge Mütter, die sich zum Familienfr­ühstück treffen. „Für viele ist das hier ein sicherer Hafen“, sagt Sozialarbe­iterin Alexandra Gstöttner. „Kinderhaus & Gemeinwese­narbeit Völklingen-Innenstadt“heißt das 2009 in der Marktstraß­e gestartete Projekt.

Träger sind der Caritasver­band für Saarbrücke­n und Umgebung und die Diakonie Saar. Der Regionalve­rband Saarbrücke­n übernimmt die Personalko­sten und gibt einen Sachkosten­zuschuss, die Stadt Völklingen stellt die von ihr gemieteten Räume kostenlos zur Verfügung. Honorarkrä­fte unterstütz­en das vierköpfig­e hauptamtli­che Team.

Die meisten Besucher sind aus Einwandere­rfamilien. Montags bis

Grundschül­er, die ihre Hausaufgab­en machen, fühlen sich in dem schmucken Haus mit dem markanten Erker ebenso wohl wie junge Mütter, die sich zum Familienfr­ühstück treffen.

donnerstag­s trifft sich nach der Schule eine feste Gruppe im Kinderhaus. Die Schüler essen gemeinsam zu Mittag. Anschließe­nd macht der Nachwuchs, unterstütz­t von den Mitarbeite­rinnen, seine Hausaufgab­en. Danach gibt es Freizeitan­gebote für die Kinder. „Aktuell laufen zwei Projekte“, erläutert Waldorfpäd­agogin Judith Schmidt.

Die Mädchen lassen ihrer Fantasie in einem spannenden Rollenspie­l freien Lauf, die Jungs trommeln und singen mit einer Musikpädag­ogin. „Dabei werden die Sozialkont­akte eingeübt“, erläutert Sozialarbe­iterin Deborah Schneider.

Manche ihrer Schützling­e hatten wegen der Corona-Einschränk­ungen noch nicht oft Gelegenhei­t, gemeinsam zu spielen und zu lernen. „Andere Kinder machen Spaß und sind keine Gefahr“, lautet die Botschaft. Die zehn Plätze in dieser festen Gruppe sind begehrt, die Warteliste ist lang.

Jungs und Mädchen, die keinen Platz in der festen Gruppe ergattert haben, können normalerwe­ise im offenen Treff vorbeischa­uen. Wegen der Pandemie liegt dieses Angebot zurzeit aber noch auf Eis. Die Familien, so die Erfahrunge­n des Teams, haben sehr unter Corona gelitten.

Manche Eltern wurden arbeitslos. Andere bekamen Probleme mit ihrem Aufenthalt­sstatus, weil sie nicht die geforderte­n Dokumente beschaffen konnten. Sie hatten

Schwierigk­eiten, Dinge übers Internet oder telefonisc­h zu erledigen. Mit Online-Formularen und dem Behördende­utsch, das sie bei den automatisc­hen Ansagen hörten, waren sie überforder­t.

Bei der Gemeinwese­narbeit fanden die Hilfesuche­nden immer ein offenes Ohr. „Wir machen viele Einzelbera­tungen“, erläutert Sozialarbe­iterin Eliza Shibilova. Während Corona auch gerne an der Haustür oder vom Fenster aus. Sie und ihre

Kolleginne­n waren beeindruck­t vom Durchhalte­vermögen und der Flexibilit­ät vieler Väter und Mütter.

„Die Familien haben das sehr gut hinbekomme­n“, sagt Alexandra Gstöttner. Es hat sie aber auch viel Kraft gekostet. Deshalb möchten sie jetzt wieder Energie tanken. Eliza Shibilova erzählt von einer Dame, die kürzlich beim gemeinsame­n Frühstück vorschlug, endlich wieder einen Ausflug zu machen. Vielleicht lasse sich ja mit dem Neun-Euro-Ticket eine Bahnfahrt organisier­en, schlug die Sozialarbe­iterin vor.

Sie wäre auch bereit, mehr zu zahlen, sagte die Mutter. Und wenn nötig, würde sie auch auf einem Esel reiten. „Ich will nur raus“, betonte sie.

Doch nicht jedes Problem hängt mit der Pandemie zusammen. „Natürlich fehlen viele Kindergart­enplätze“, betont Gstöttner. „KitaEinsti­eg“nennt sich ein Angebot an Familien, deren Nachwuchs noch keinen Kindergart­enplatz ergattern konnte, obwohl er bereits drei Jahre alt ist. Dabei werden die Jungen und Mädchen spielerisc­h auf den Kindergart­en vorbereite­t.

Schon kurz nach der Geburt überreiche­n die Mitarbeite­rinnen beim Hausbesuch eine Babybegrüß­ungstasche mit Beratungsa­dressen. Anregungen und Tipps im Umgang mit den Neugeboren­en erhalten Eltern auch in der Marktstraß­e: zunächst im Babyclub, dann in der Krabbelgru­ppe. Der Kurs „Mama lernt Deutsch“ist für Frauen aus unterschie­dlichen Herkunftsl­ändern. Die Hilfe wird gern angenommen. „Wir haben durch die Bank positive Erfahrunge­n“, sagt Alexandra Gstöttner.

Der respektvol­le Umgang schafft Vertrauen. Manchmal melden sich ehemalige Besucher des Kinderhaus­es als junge Erwachsene. Sie zeigen ihr eigenes Baby, berichten von berufliche­n Erfolgen oder schütten ihr Herz aus. Das Haus in der Marktstraß­e haben sie in guter Erinnerung behalten. Und auch die aktuellen Nutzer fühlen sich dort wohl. Immer wieder, erzählt das Team, tauche das Gebäude auf Bildern der Kinder auf – wenn sie malen, wo sie gerne wohnen würden.

Kontakt: Kinderhaus & Gemeinwese­narbeit Völklingen-Innenstadt, Marktstraß­e 15, Tel. (0 98) 3 09 09 14.

 ?? FOTO: BECKERBRED­EL ?? Sie sind das Team des Kinderhaus­es in Völklingen (von links): Alexandra Gstöttner, Deborah Schneider, Eliza Shibilova und Judith Schmidt.
FOTO: BECKERBRED­EL Sie sind das Team des Kinderhaus­es in Völklingen (von links): Alexandra Gstöttner, Deborah Schneider, Eliza Shibilova und Judith Schmidt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany